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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

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lichen Geistes, und es sollte einer der
ersten Grundsätze der Erziehung seyn,
dem Menschen die Furcht abzugewöh-
nen. Und leider thut man gewöhnlich
gerade das Gegentheil! Wir wollen nur
zwey der gewöhnlichsten Arten von
Furcht nehmen; die Furcht vor Gewit-
tern und die vor Gespenstern. Nun wer
diese beyden hat, der mag nur auf die
Ruhe des Lebens Verzicht thun. Die
Zeit der Nacht, welche so weise durch
Dunkelheit zur süssen Ruhezeit gestem-
pelt wurde, ist für ihn das Signal der
peinlichsten Unruhe. Wenn andre ru-
higen Schlaf geniessen, horcht er mit
Zittern und Zagen auf jeden Laut,
schwizt unaufhörlich Angstschweiss, und
ist früh müder, als er sich niederge-
legt hat.

Die erfreuliche Zeit des Sommers
ist für ihn eine Periode der Angst und
des Schreckens, und jeder schöne Tag
führt bey ihm zugleich die Idee von

lichen Geiſtes, und es ſollte einer der
erſten Grundſätze der Erziehung ſeyn,
dem Menſchen die Furcht abzugewöh-
nen. Und leider thut man gewöhnlich
gerade das Gegentheil! Wir wollen nur
zwey der gewöhnlichſten Arten von
Furcht nehmen; die Furcht vor Gewit-
tern und die vor Geſpenſtern. Nun wer
dieſe beyden hat, der mag nur auf die
Ruhe des Lebens Verzicht thun. Die
Zeit der Nacht, welche ſo weiſe durch
Dunkelheit zur ſüſsen Ruhezeit geſtem-
pelt wurde, iſt für ihn das Signal der
peinlichſten Unruhe. Wenn andre ru-
higen Schlaf genieſsen, horcht er mit
Zittern und Zagen auf jeden Laut,
ſchwizt unaufhörlich Angſtſchweiſs, und
iſt früh müder, als er ſich niederge-
legt hat.

Die erfreuliche Zeit des Sommers
iſt für ihn eine Periode der Angſt und
des Schreckens, und jeder ſchöne Tag
führt bey ihm zugleich die Idee von

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[389/0417] lichen Geiſtes, und es ſollte einer der erſten Grundſätze der Erziehung ſeyn, dem Menſchen die Furcht abzugewöh- nen. Und leider thut man gewöhnlich gerade das Gegentheil! Wir wollen nur zwey der gewöhnlichſten Arten von Furcht nehmen; die Furcht vor Gewit- tern und die vor Geſpenſtern. Nun wer dieſe beyden hat, der mag nur auf die Ruhe des Lebens Verzicht thun. Die Zeit der Nacht, welche ſo weiſe durch Dunkelheit zur ſüſsen Ruhezeit geſtem- pelt wurde, iſt für ihn das Signal der peinlichſten Unruhe. Wenn andre ru- higen Schlaf genieſsen, horcht er mit Zittern und Zagen auf jeden Laut, ſchwizt unaufhörlich Angſtſchweiſs, und iſt früh müder, als er ſich niederge- legt hat. Die erfreuliche Zeit des Sommers iſt für ihn eine Periode der Angſt und des Schreckens, und jeder ſchöne Tag führt bey ihm zugleich die Idee von

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Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/417>, abgerufen am 23.11.2024.