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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

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an der Heilung des Uebels macht den
peinlichen Zustand vollkommen. Das
ganze Leben
eines solchen Menschen ist
eine Reihe von geheimen Vorwürfen,
peinigenden Gefühlen innerer selbstver-
schuldeter Schwäche, Unentschlossen-
heit, Lebensüberdruss, und es ist kein
Wunder, wenn endlich Anwandlungen
zum Selbstmord entstehen, zu denen kein
Mensch mehr aufgelegt ist, als der Ona-
nist. Das schreckliche Gefühl des le-
bendigen Todes macht endlich den völ-
ligen Tod wünschenswerth. Die Ver-
schwendung dessen, was Leben giebt,
erregt am meisten den Ekel und Ueber-
druss des Lebens, und die eigne Art von
Selbstmord, par depeit, die unsern Zei-
ten eigen ist. Ueberdiess ist die Ver-
dauungskraft dahin, Flatulenz und Ma-
genkrämpfe plagen unaufhörlich, das
Blut wird verdorben, die Brust ver-
schleimt, es entstehen Ausschläge und
Geschwühre in der Haut, Vertrocknung
und Abzehrung des ganzen Körpers,

an der Heilung des Uebels macht den
peinlichen Zuſtand vollkommen. Das
ganze Leben
eines ſolchen Menſchen iſt
eine Reihe von geheimen Vorwürfen,
peinigenden Gefühlen innerer ſelbſtver-
ſchuldeter Schwäche, Unentſchloſſen-
heit, Lebensüberdruſs, und es iſt kein
Wunder, wenn endlich Anwandlungen
zum Selbſtmord entſtehen, zu denen kein
Menſch mehr aufgelegt iſt, als der Ona-
niſt. Das ſchreckliche Gefühl des le-
bendigen Todes macht endlich den völ-
ligen Tod wünſchenswerth. Die Ver-
ſchwendung deſſen, was Leben giebt,
erregt am meiſten den Ekel und Ueber-
druſs des Lebens, und die eigne Art von
Selbſtmord, par depît, die unſern Zei-
ten eigen iſt. Ueberdieſs iſt die Ver-
dauungskraft dahin, Flatulenz und Ma-
genkrämpfe plagen unaufhörlich, das
Blut wird verdorben, die Bruſt ver-
ſchleimt, es entſtehen Ausſchläge und
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und Abzehrung des ganzen Körpers,

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[348/0376] an der Heilung des Uebels macht den peinlichen Zuſtand vollkommen. Das ganze Leben eines ſolchen Menſchen iſt eine Reihe von geheimen Vorwürfen, peinigenden Gefühlen innerer ſelbſtver- ſchuldeter Schwäche, Unentſchloſſen- heit, Lebensüberdruſs, und es iſt kein Wunder, wenn endlich Anwandlungen zum Selbſtmord entſtehen, zu denen kein Menſch mehr aufgelegt iſt, als der Ona- niſt. Das ſchreckliche Gefühl des le- bendigen Todes macht endlich den völ- ligen Tod wünſchenswerth. Die Ver- ſchwendung deſſen, was Leben giebt, erregt am meiſten den Ekel und Ueber- druſs des Lebens, und die eigne Art von Selbſtmord, par depît, die unſern Zei- ten eigen iſt. Ueberdieſs iſt die Ver- dauungskraft dahin, Flatulenz und Ma- genkrämpfe plagen unaufhörlich, das Blut wird verdorben, die Bruſt ver- ſchleimt, es entſtehen Ausſchläge und Geſchwühre in der Haut, Vertrocknung und Abzehrung des ganzen Körpers,

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Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/376>, abgerufen am 19.05.2024.