Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

wohlthätig, nothwendig zum gehörigen
Grade der Lebensoperation, ein Mittel
der Restauration. Eben so das melan-
cholische
Temperament: es verlangt auch
mehr Reiz, aber angenehmern, abwech-
selndern und nicht zu heftigen. Je mehr
aber das sanguinische Temperament
herrscht, desto vorsichtiger und mässi-
ger müssen alle, sowohl physische als
moralische, Reize angewendet werden,
und noch mehr erfodert das cholerische
Temperament hierinne Aufmerksamkeit,
wo oft schon der kleinste Reiz die hef-
tigste Kraftanstrengung und Erschöpfung
hervorbringen kann.

Ferner die Perioden des Lebens. Das
Kind, der junge Mensch hat ungleich
mehr Lebenskraft, Reizfähigkeit, locke-
rere Bindung, schnellern Wechsel der
Bestandtheile. Hier muss weit weniger
Reiz gegeben werden, weil schon ein
geringer Reiz starke Reaction erregt;
hier ist verhältnissmässig mehr auf Re-
stauration und Abhärtung zu sehen. Im
Alter hingegen ist alles, was Reiz heisst,

wohlthätig, nothwendig zum gehörigen
Grade der Lebensoperation, ein Mittel
der Reſtauration. Eben ſo das melan-
choliſche
Temperament: es verlangt auch
mehr Reiz, aber angenehmern, abwech-
ſelndern und nicht zu heftigen. Je mehr
aber das ſanguiniſche Temperament
herrſcht, deſto vorſichtiger und mäſsi-
ger müſſen alle, ſowohl phyſiſche als
moraliſche, Reize angewendet werden,
und noch mehr erfodert das choleriſche
Temperament hierinne Aufmerkſamkeit,
wo oft ſchon der kleinſte Reiz die hef-
tigſte Kraftanſtrengung und Erſchöpfung
hervorbringen kann.

Ferner die Perioden des Lebens. Das
Kind, der junge Menſch hat ungleich
mehr Lebenskraft, Reizfähigkeit, locke-
rere Bindung, ſchnellern Wechſel der
Beſtandtheile. Hier muſs weit weniger
Reiz gegeben werden, weil ſchon ein
geringer Reiz ſtarke Reaction erregt;
hier iſt verhältniſsmäſsig mehr auf Re-
ſtauration und Abhärtung zu ſehen. Im
Alter hingegen iſt alles, was Reiz heiſst,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0353" n="325"/>
wohlthätig, nothwendig zum gehörigen<lb/>
Grade der Lebensoperation, ein Mittel<lb/>
der Re&#x017F;tauration. Eben &#x017F;o das <hi rendition="#i">melan-<lb/>
choli&#x017F;che</hi> Temperament: es verlangt auch<lb/>
mehr Reiz, aber angenehmern, abwech-<lb/>
&#x017F;elndern und nicht zu heftigen. Je mehr<lb/>
aber das <hi rendition="#i">&#x017F;anguini&#x017F;che</hi> Temperament<lb/>
herr&#x017F;cht, de&#x017F;to vor&#x017F;ichtiger und mä&#x017F;si-<lb/>
ger mü&#x017F;&#x017F;en alle, &#x017F;owohl phy&#x017F;i&#x017F;che als<lb/>
morali&#x017F;che, Reize angewendet werden,<lb/>
und noch mehr erfodert das <hi rendition="#i">choleri&#x017F;che</hi><lb/>
Temperament hierinne Aufmerk&#x017F;amkeit,<lb/>
wo oft &#x017F;chon der klein&#x017F;te Reiz die hef-<lb/>
tig&#x017F;te Kraftan&#x017F;trengung und Er&#x017F;chöpfung<lb/>
hervorbringen kann.</p><lb/>
          <p>Ferner die <hi rendition="#i">Perioden des Lebens</hi>. Das<lb/>
Kind, der junge Men&#x017F;ch hat ungleich<lb/>
mehr Lebenskraft, Reizfähigkeit, locke-<lb/>
rere Bindung, &#x017F;chnellern Wech&#x017F;el der<lb/>
Be&#x017F;tandtheile. Hier mu&#x017F;s weit weniger<lb/>
Reiz gegeben werden, weil &#x017F;chon ein<lb/>
geringer Reiz &#x017F;tarke Reaction erregt;<lb/>
hier i&#x017F;t verhältni&#x017F;smä&#x017F;sig mehr auf Re-<lb/>
&#x017F;tauration und Abhärtung zu &#x017F;ehen. Im<lb/>
Alter hingegen i&#x017F;t alles, was Reiz hei&#x017F;st,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[325/0353] wohlthätig, nothwendig zum gehörigen Grade der Lebensoperation, ein Mittel der Reſtauration. Eben ſo das melan- choliſche Temperament: es verlangt auch mehr Reiz, aber angenehmern, abwech- ſelndern und nicht zu heftigen. Je mehr aber das ſanguiniſche Temperament herrſcht, deſto vorſichtiger und mäſsi- ger müſſen alle, ſowohl phyſiſche als moraliſche, Reize angewendet werden, und noch mehr erfodert das choleriſche Temperament hierinne Aufmerkſamkeit, wo oft ſchon der kleinſte Reiz die hef- tigſte Kraftanſtrengung und Erſchöpfung hervorbringen kann. Ferner die Perioden des Lebens. Das Kind, der junge Menſch hat ungleich mehr Lebenskraft, Reizfähigkeit, locke- rere Bindung, ſchnellern Wechſel der Beſtandtheile. Hier muſs weit weniger Reiz gegeben werden, weil ſchon ein geringer Reiz ſtarke Reaction erregt; hier iſt verhältniſsmäſsig mehr auf Re- ſtauration und Abhärtung zu ſehen. Im Alter hingegen iſt alles, was Reiz heiſst,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/353
Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/353>, abgerufen am 19.05.2024.