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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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Zeiten sich geändert haben und mit ihnen die Bedeutung
des Wortes "poste": wenn Codogno die Boten des Pyrrhus,
Julius Cäsar u. s. w. als Vorfahren der "Ordinarii, Corrieri,
maestri, a piedi" u. s. w. ansieht, so hat er nicht so Un-
recht, wohl aber sein Abschreiber, welcher dadurch jene
primitive Einrichtung heute auf die gleiche Linie mit einer
Organisation stellt, wie sie sich erst allmählich gegen
Ende des 16. Jahrhunderts herauszubilden beginnt: gerade
in Codognos Tagen tritt die Wendung ein, so dass die
gleichen Sätze später einen falschen Sinn geben.

Die meisten Schriftsteller legen das Gewicht auf die
Nachweise des Werkzeugs der Post, der Vehikel und Mo-
toren. Bei einer Organisation dagegen, wie die Post ist,
kommt es auf das Wirken dieser Werkzeuge an; das
punctum saliens bildet die Art des Betriebs (Grossbetrieb,
Massenbewältigung, Intensität, Periodizität), die Art des In-
einandergreifens
und Zusammenwirkens, der un-
unterbrochene Kreislauf, die Kontinuität und Einheitlichkeit
des wechselseitigen Rapports, das Objekt der Beförderung (ob
hauptsächlich Briefe? oder nur Reisende?), sowie die ge-
meinnützige
Bestimmung. Diese Punkte können nur da
zutreffen, wo die Volkswirtschaft eine gewisse Entwicke-
lung erreicht hat; eine derartige Einrichtung hat ganz be-
stimmte wirtschaftliche Voraussetzungen 1) zur Unterlage.
Wird auf eine früher zurückliegende Wirtschaftsstufe die
Post zurückdatiert, so werden damit in die geschichtliche
Darlegung speziell der Bestandteile der Post, wie für die

schon von Codogno oder von den neuesten italienischen und französischen
Schriftstellern näher ausgeführt ("el correo fue siempre indispensalbe pour la
existenzia del Estado"
etc.).
1) Warum z. B. im Mittelalter nur die Universitäten, Klöster, Re-
gierungen und Kaufleute Boten unterhielten, hat einen naheliegenden Grund:
allgemeinere Kreise hatten kein Bedürfnis nach einer gleichen Beförderung,
da die Kenntnis der Schriftsprache noch nicht Gemeingut des Volkes, das
geistige Leben der Nation überhaupt noch wenig entwickelt war.

Zeiten sich geändert haben und mit ihnen die Bedeutung
des Wortes »poste«: wenn Codogno die Boten des Pyrrhus,
Julius Cäsar u. s. w. als Vorfahren der »Ordinarii, Corrieri,
maestri, a piedi« u. s. w. ansieht, so hat er nicht so Un-
recht, wohl aber sein Abschreiber, welcher dadurch jene
primitive Einrichtung heute auf die gleiche Linie mit einer
Organisation stellt, wie sie sich erst allmählich gegen
Ende des 16. Jahrhunderts herauszubilden beginnt: gerade
in Codognos Tagen tritt die Wendung ein, so dass die
gleichen Sätze später einen falschen Sinn geben.

Die meisten Schriftsteller legen das Gewicht auf die
Nachweise des Werkzeugs der Post, der Vehikel und Mo-
toren. Bei einer Organisation dagegen, wie die Post ist,
kommt es auf das Wirken dieser Werkzeuge an; das
punctum saliens bildet die Art des Betriebs (Grossbetrieb,
Massenbewältigung, Intensität, Periodizität), die Art des In-
einandergreifens
und Zusammenwirkens, der un-
unterbrochene Kreislauf, die Kontinuität und Einheitlichkeit
des wechselseitigen Rapports, das Objekt der Beförderung (ob
hauptsächlich Briefe? oder nur Reisende?), sowie die ge-
meinnützige
Bestimmung. Diese Punkte können nur da
zutreffen, wo die Volkswirtschaft eine gewisse Entwicke-
lung erreicht hat; eine derartige Einrichtung hat ganz be-
stimmte wirtschaftliche Voraussetzungen 1) zur Unterlage.
Wird auf eine früher zurückliegende Wirtschaftsstufe die
Post zurückdatiert, so werden damit in die geschichtliche
Darlegung speziell der Bestandteile der Post, wie für die

schon von Codogno oder von den neuesten italienischen und französischen
Schriftstellern näher ausgeführt (»el correo fué siempre indispensalbe pour la
existenzia del Estado«
etc.).
1) Warum z. B. im Mittelalter nur die Universitäten, Klöster, Re-
gierungen und Kaufleute Boten unterhielten, hat einen naheliegenden Grund:
allgemeinere Kreise hatten kein Bedürfnis nach einer gleichen Beförderung,
da die Kenntnis der Schriftsprache noch nicht Gemeingut des Volkes, das
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[29/0045] Zeiten sich geändert haben und mit ihnen die Bedeutung des Wortes »poste«: wenn Codogno die Boten des Pyrrhus, Julius Cäsar u. s. w. als Vorfahren der »Ordinarii, Corrieri, maestri, a piedi« u. s. w. ansieht, so hat er nicht so Un- recht, wohl aber sein Abschreiber, welcher dadurch jene primitive Einrichtung heute auf die gleiche Linie mit einer Organisation stellt, wie sie sich erst allmählich gegen Ende des 16. Jahrhunderts herauszubilden beginnt: gerade in Codognos Tagen tritt die Wendung ein, so dass die gleichen Sätze später einen falschen Sinn geben. Die meisten Schriftsteller legen das Gewicht auf die Nachweise des Werkzeugs der Post, der Vehikel und Mo- toren. Bei einer Organisation dagegen, wie die Post ist, kommt es auf das Wirken dieser Werkzeuge an; das punctum saliens bildet die Art des Betriebs (Grossbetrieb, Massenbewältigung, Intensität, Periodizität), die Art des In- einandergreifens und Zusammenwirkens, der un- unterbrochene Kreislauf, die Kontinuität und Einheitlichkeit des wechselseitigen Rapports, das Objekt der Beförderung (ob hauptsächlich Briefe? oder nur Reisende?), sowie die ge- meinnützige Bestimmung. Diese Punkte können nur da zutreffen, wo die Volkswirtschaft eine gewisse Entwicke- lung erreicht hat; eine derartige Einrichtung hat ganz be- stimmte wirtschaftliche Voraussetzungen 1) zur Unterlage. Wird auf eine früher zurückliegende Wirtschaftsstufe die Post zurückdatiert, so werden damit in die geschichtliche Darlegung speziell der Bestandteile der Post, wie für die 2) 1) Warum z. B. im Mittelalter nur die Universitäten, Klöster, Re- gierungen und Kaufleute Boten unterhielten, hat einen naheliegenden Grund: allgemeinere Kreise hatten kein Bedürfnis nach einer gleichen Beförderung, da die Kenntnis der Schriftsprache noch nicht Gemeingut des Volkes, das geistige Leben der Nation überhaupt noch wenig entwickelt war. 2) schon von Codogno oder von den neuesten italienischen und französischen Schriftstellern näher ausgeführt (»el correo fué siempre indispensalbe pour la existenzia del Estado« etc.).

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/45>, abgerufen am 18.04.2024.