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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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anführen: nach der gewöhnlichen Darstellung wurde damals
in Frankreich die Post eingerichtet, bestand aber eine solche
noch nicht in Deutschland; so sagt z. B. Quetsch, "Ge-
schichte des Verkehrswesens am Mittelrhein" 1891 S. 118:
vor der kaiserlichen Lehenspost haben in den Gebieten der
Kurfürsten von Mainz, Trier und Köln Landesposten nie
bestanden; andererseits rühmt er den Mittelrhein als alten
Hauptknotenpunkt des Transit- und Binnenverkehrs, schon
in der Urzeit und unter der Römerherrschaft. Gemäss
meinem Ausgangspunkt ist es mir -- da die Wirtschaftsstufe,
auf der Frankreich und Rheinland damals stand, nicht wesent-
lich von einander abwich, -- sehr fraglich, ob auch die posta-
lische Verbindung beider Länder so wesentlich, wie gewöhn-
lich angenommen wird, verschieden war; die "poste" Lud-
wigs XI. und Karls V. ist nicht das, als was sie auf-
gefasst wird, und in Rheinland muss ein dieser "poste"
ähnlicher Botendienst funktioniert haben, wenn er gleich
vorerst noch nicht urkundlich belegt werden kann.

Ein anderes Beispiel: das alte Aegypten, das byzan-
tinische Kaiserreich, die italienischen Städterepubliken sind
politisch so zentralisiert und kommerziell so hoch ent-
wickelt, dass sie einen, wenn auch primitiven Relaisdienst
besessen haben müssen. Es liegt über denselben vorerst
auch nicht eine Urkunde vor, und doch bin ich sicher, dass
sich noch Belege hiefür auffinden lassen 1).

Ein drittes Beispiel bietet die Urgeschichte der Post:
in der landläufigen Darstellung treten -- neben den Taxis
-- nicht weniger als drei "Erfinder" oder "Schöpfer" der
Post auf: Cyrus, Augustus, Karl der Grosse. Diese An-

1) Ich brauche wohl nicht hervorzuheben, dass diese Schlussfolgerung
aus der inneren Natur des Volkshaushalts sich von der anderen wesentlich
unterscheidet, welcher die Absendung irgend eines Boten oder gar den Ge-
brauch der Buchstabenschrift -- schon die Aegypter sagt Matthias (1832
S. 28), kannten das Briefschreiben und Briefsenden, ergo einen Briefwechsel
und eine Staats-Botenanstalt -- als Beweis genügt.

anführen: nach der gewöhnlichen Darstellung wurde damals
in Frankreich die Post eingerichtet, bestand aber eine solche
noch nicht in Deutschland; so sagt z. B. Quetsch, »Ge-
schichte des Verkehrswesens am Mittelrhein« 1891 S. 118:
vor der kaiserlichen Lehenspost haben in den Gebieten der
Kurfürsten von Mainz, Trier und Köln Landesposten nie
bestanden; andererseits rühmt er den Mittelrhein als alten
Hauptknotenpunkt des Transit- und Binnenverkehrs, schon
in der Urzeit und unter der Römerherrschaft. Gemäss
meinem Ausgangspunkt ist es mir — da die Wirtschaftsstufe,
auf der Frankreich und Rheinland damals stand, nicht wesent-
lich von einander abwich, — sehr fraglich, ob auch die posta-
lische Verbindung beider Länder so wesentlich, wie gewöhn-
lich angenommen wird, verschieden war; die »poste« Lud-
wigs XI. und Karls V. ist nicht das, als was sie auf-
gefasst wird, und in Rheinland muss ein dieser »poste«
ähnlicher Botendienst funktioniert haben, wenn er gleich
vorerst noch nicht urkundlich belegt werden kann.

Ein anderes Beispiel: das alte Aegypten, das byzan-
tinische Kaiserreich, die italienischen Städterepubliken sind
politisch so zentralisiert und kommerziell so hoch ent-
wickelt, dass sie einen, wenn auch primitiven Relaisdienst
besessen haben müssen. Es liegt über denselben vorerst
auch nicht eine Urkunde vor, und doch bin ich sicher, dass
sich noch Belege hiefür auffinden lassen 1).

Ein drittes Beispiel bietet die Urgeschichte der Post:
in der landläufigen Darstellung treten — neben den Taxis
— nicht weniger als drei »Erfinder« oder »Schöpfer« der
Post auf: Cyrus, Augustus, Karl der Grosse. Diese An-

1) Ich brauche wohl nicht hervorzuheben, dass diese Schlussfolgerung
aus der inneren Natur des Volkshaushalts sich von der anderen wesentlich
unterscheidet, welcher die Absendung irgend eines Boten oder gar den Ge-
brauch der Buchstabenschrift — schon die Aegypter sagt Matthias (1832
S. 28), kannten das Briefschreiben und Briefsenden, ergo einen Briefwechsel
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[24/0040] anführen: nach der gewöhnlichen Darstellung wurde damals in Frankreich die Post eingerichtet, bestand aber eine solche noch nicht in Deutschland; so sagt z. B. Quetsch, »Ge- schichte des Verkehrswesens am Mittelrhein« 1891 S. 118: vor der kaiserlichen Lehenspost haben in den Gebieten der Kurfürsten von Mainz, Trier und Köln Landesposten nie bestanden; andererseits rühmt er den Mittelrhein als alten Hauptknotenpunkt des Transit- und Binnenverkehrs, schon in der Urzeit und unter der Römerherrschaft. Gemäss meinem Ausgangspunkt ist es mir — da die Wirtschaftsstufe, auf der Frankreich und Rheinland damals stand, nicht wesent- lich von einander abwich, — sehr fraglich, ob auch die posta- lische Verbindung beider Länder so wesentlich, wie gewöhn- lich angenommen wird, verschieden war; die »poste« Lud- wigs XI. und Karls V. ist nicht das, als was sie auf- gefasst wird, und in Rheinland muss ein dieser »poste« ähnlicher Botendienst funktioniert haben, wenn er gleich vorerst noch nicht urkundlich belegt werden kann. Ein anderes Beispiel: das alte Aegypten, das byzan- tinische Kaiserreich, die italienischen Städterepubliken sind politisch so zentralisiert und kommerziell so hoch ent- wickelt, dass sie einen, wenn auch primitiven Relaisdienst besessen haben müssen. Es liegt über denselben vorerst auch nicht eine Urkunde vor, und doch bin ich sicher, dass sich noch Belege hiefür auffinden lassen 1). Ein drittes Beispiel bietet die Urgeschichte der Post: in der landläufigen Darstellung treten — neben den Taxis — nicht weniger als drei »Erfinder« oder »Schöpfer« der Post auf: Cyrus, Augustus, Karl der Grosse. Diese An- 1) Ich brauche wohl nicht hervorzuheben, dass diese Schlussfolgerung aus der inneren Natur des Volkshaushalts sich von der anderen wesentlich unterscheidet, welcher die Absendung irgend eines Boten oder gar den Ge- brauch der Buchstabenschrift — schon die Aegypter sagt Matthias (1832 S. 28), kannten das Briefschreiben und Briefsenden, ergo einen Briefwechsel und eine Staats-Botenanstalt — als Beweis genügt.

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/40>, abgerufen am 26.04.2024.