sondern von Bedeutung für die grundsätzliche Auffassung der ganzen wirtschaftlichen Entwickelung. Was ich damit meine, will ich durch einen Vergleich mit analogen Ver- kehrs-Einrichtungen verdeutlichen. Wollte z. B. jemand behaupten, schon die Römer hätten einen Bank- und Giroverkehr gehabt, so würde jedermann dies sofort als eine anachronistische Ungeheuerlichkeit erklären. Und doch hatten die publicani, die Handelsgesellschaft der Steuerpach- ter in allen Gegenden des Reiches einen bankartigen Geld- umtrieb und an ihrem Zentralsitz in Rom eine Geld-Ausgleich- stelle, also einen Kreditverkehr, welcher als der Vorläufer der modernen Einrichtungen betrachtet werden kann: aber es fehlte hiezu noch an der Technik, an den Verkehrs-Instru- menten (Wechsel etc.), an den Motoren (Bank), an der ganzen Organisation. Deshalb stünde die Behauptung: schon zur Römerzeit bestand ein Bankverkehr, im Widerspruch mit den ersten Grundsätzen der Wirtschaftsgeschichte. Ganz aus den gleichen Gründen aber ist es, schon begrifflich falsch zu sagen: schon zur Römerzeit oder beim Ausgang des Mittel- alters bestand eine Post.
So wenig wir z. B. von einem Wechsel verkehr in der Mitte des 12. Jahrh. reden können, weil in jener Zeit da und dort schon eine dem Wechsel ähnliche Urkunde vorkommt, ebensowenig können wir für die Zeit des Kaisers Augustus oder Karls VII. von einem Postverkehr sprechen.
Vielen genügt die geschichtliche Feststellung einer schriftlichen Meldung (s. z. B. Belloc, l'ancienne Egypte S. 12), eines Reitboten (z. B. der deutschorden'schen woyken) oder Karrens, oder das Vorhandensein eines solchen auf einer Skulptur oder Inschrift, um darin flugs den Beweis für das Bestehen einer Post-Organisation zu erblicken. Und doch können sich die noch weiter fehlenden ganz wesentlichen Bestandteile einer Postorganisation erst nach einer Entwickelung von Jahrhunderten einstellen.
sondern von Bedeutung für die grundsätzliche Auffassung der ganzen wirtschaftlichen Entwickelung. Was ich damit meine, will ich durch einen Vergleich mit analogen Ver- kehrs-Einrichtungen verdeutlichen. Wollte z. B. jemand behaupten, schon die Römer hätten einen Bank- und Giroverkehr gehabt, so würde jedermann dies sofort als eine anachronistische Ungeheuerlichkeit erklären. Und doch hatten die publicani, die Handelsgesellschaft der Steuerpach- ter in allen Gegenden des Reiches einen bankartigen Geld- umtrieb und an ihrem Zentralsitz in Rom eine Geld-Ausgleich- stelle, also einen Kreditverkehr, welcher als der Vorläufer der modernen Einrichtungen betrachtet werden kann: aber es fehlte hiezu noch an der Technik, an den Verkehrs-Instru- menten (Wechsel etc.), an den Motoren (Bank), an der ganzen Organisation. Deshalb stünde die Behauptung: schon zur Römerzeit bestand ein Bankverkehr, im Widerspruch mit den ersten Grundsätzen der Wirtschaftsgeschichte. Ganz aus den gleichen Gründen aber ist es, schon begrifflich falsch zu sagen: schon zur Römerzeit oder beim Ausgang des Mittel- alters bestand eine Post.
So wenig wir z. B. von einem Wechsel verkehr in der Mitte des 12. Jahrh. reden können, weil in jener Zeit da und dort schon eine dem Wechsel ähnliche Urkunde vorkommt, ebensowenig können wir für die Zeit des Kaisers Augustus oder Karls VII. von einem Postverkehr sprechen.
Vielen genügt die geschichtliche Feststellung einer schriftlichen Meldung (s. z. B. Belloc, l’ancienne Egypte S. 12), eines Reitboten (z. B. der deutschorden’schen woyken) oder Karrens, oder das Vorhandensein eines solchen auf einer Skulptur oder Inschrift, um darin flugs den Beweis für das Bestehen einer Post-Organisation zu erblicken. Und doch können sich die noch weiter fehlenden ganz wesentlichen Bestandteile einer Postorganisation erst nach einer Entwickelung von Jahrhunderten einstellen.
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sondern von Bedeutung für die grundsätzliche Auffassung
der ganzen wirtschaftlichen Entwickelung. Was ich damit
meine, will ich durch einen Vergleich mit analogen Ver-
kehrs-Einrichtungen verdeutlichen. Wollte z. B. jemand
behaupten, schon die Römer hätten einen Bank- und
Giroverkehr gehabt, so würde jedermann dies sofort als eine
anachronistische Ungeheuerlichkeit erklären. Und doch
hatten die publicani, die Handelsgesellschaft der Steuerpach-
ter in allen Gegenden des Reiches einen bankartigen Geld-
umtrieb und an ihrem Zentralsitz in Rom eine Geld-Ausgleich-
stelle, also einen Kreditverkehr, welcher als der Vorläufer der
modernen Einrichtungen betrachtet werden kann: aber es
fehlte hiezu noch an der Technik, an den Verkehrs-Instru-
menten (Wechsel etc.), an den Motoren (Bank), an der ganzen
Organisation. Deshalb stünde die Behauptung: schon zur
Römerzeit bestand ein Bankverkehr, im Widerspruch mit
den ersten Grundsätzen der Wirtschaftsgeschichte. Ganz aus
den gleichen Gründen aber ist es, schon begrifflich falsch zu
sagen: schon zur Römerzeit oder beim Ausgang des Mittel-
alters bestand eine Post.
So wenig wir z. B. von einem Wechsel verkehr in
der Mitte des 12. Jahrh. reden können, weil in jener Zeit
da und dort schon eine dem Wechsel ähnliche Urkunde
vorkommt, ebensowenig können wir für die Zeit des Kaisers
Augustus oder Karls VII. von einem Postverkehr sprechen.
Vielen genügt die geschichtliche Feststellung einer
schriftlichen Meldung (s. z. B. Belloc, l’ancienne Egypte
S. 12), eines Reitboten (z. B. der deutschorden’schen woyken)
oder Karrens, oder das Vorhandensein eines solchen auf
einer Skulptur oder Inschrift, um darin flugs den Beweis
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Und doch können sich die noch weiter fehlenden ganz
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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/37>, abgerufen am 07.07.2024.
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