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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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im grossen und ganzen eine Leistung der Eisenbahn, welche
die organisatorische Distribution und Sammel-Funktion der
Post übernehmen und nebenher so gut wie bei den Frachtgütern
besorgen könnte 1).

Demgemäss hat die übliche Gleichstellung des Eisen-
bahnwesens und des Postbetriebs weder geschichtlich noch be-
grifflich oder sachlich ihre Berechtigung. Allerdings ist es die-
selbe Maschine, dieselbe Lokomotive, welche heute Briefe,
Pakete, Passagiere und Frachtgüter befördert; Post und Eisen-
bahn haben sich in die Beförderungsleistung geteilt, diese Leistung
selbst aber unterscheidet sich folgendermassen: Die Post hat
ausschliesslich den Beförderungsdienst und zwar von
Personen, Briefen und Paketen, die Eisenbahn aber hat
ausserdem daneben noch die Erstellung der Fahrbahn, des Mo-
tors und zugleich das Frachtfuhrwerk zu leisten, also
nicht nur Aufgaben für den kaufmännischen Spediteur, sondern
auch für den Maschinen- und Bauingenieur. Die Produktivität
der Post beruht hauptsächlich in dem Betrieb, in der Spedition
und Organisation, die Eisenbahn ist zugleich Fahrt- und
Frachtunternehmer und Strassenbauer, und steht daneben im
Dienste der Postverwaltung.



1) Noch deutlicher wird uns dies an dem modernsten Postgebilde, näm-
lich an dem Postbetrieb der Union: dort war in der Mitte dieses Jahr-
hunderts bei den kolossalen Entfernungen die Summe der Mittel für Be-
wältigung des Nachrichten-Verkehrs am gewaltigsten ausgebildet; die Fahr-
post am Missouri (nach St. Francisco) gebot allein über 6500 Pferde (die
deutsche Reichspost hat nur 10000 Pferde). Nun hat sich der Verkehr
in der Union von 531 Mill. St. Briefpostsendungen im Jahr 1868 auf
3 Milliarden gehoben; wohin aber ist es mit der amerikanischen Post ge-
kommen? Ihre frühere Herrlichkeit ist, wie bei uns, eine blosse Reminiscenz;
ihre kurzjährige Dauer zeigt, wie unrichtig es ist, die Zahl der Postsend-
ungen und die Postleistung zu identifizieren. Ein anderes Beispiel bietet
unsere Postdampfer-Subvention: hier tritt die Post allerdings
als Mieter des Dampfmotors auf: aber auch heute noch hat, wie zur Zeit
der Vorlage des Reichsgesetzes im J. 1884 wohl jeder das Gefühl, dass
aus taktisch-fiskalen Gründen der Post eine Rolle aufgebürdet wurde, die
zu ihrem Wesen nicht mehr passt. Wenn man sich also dem herkömm-
lichen Ausdrucke "Post" fügt, so meint man damit die der Nachrichtenbe-
förderung dienende Unterabteilung der Transportleistung der Eisenbahn.

im grossen und ganzen eine Leistung der Eisenbahn, welche
die organisatorische Distribution und Sammel-Funktion der
Post übernehmen und nebenher so gut wie bei den Frachtgütern
besorgen könnte 1).

Demgemäss hat die übliche Gleichstellung des Eisen-
bahnwesens und des Postbetriebs weder geschichtlich noch be-
grifflich oder sachlich ihre Berechtigung. Allerdings ist es die-
selbe Maschine, dieselbe Lokomotive, welche heute Briefe,
Pakete, Passagiere und Frachtgüter befördert; Post und Eisen-
bahn haben sich in die Beförderungsleistung geteilt, diese Leistung
selbst aber unterscheidet sich folgendermassen: Die Post hat
ausschliesslich den Beförderungsdienst und zwar von
Personen, Briefen und Paketen, die Eisenbahn aber hat
ausserdem daneben noch die Erstellung der Fahrbahn, des Mo-
tors und zugleich das Frachtfuhrwerk zu leisten, also
nicht nur Aufgaben für den kaufmännischen Spediteur, sondern
auch für den Maschinen- und Bauingenieur. Die Produktivität
der Post beruht hauptsächlich in dem Betrieb, in der Spedition
und Organisation, die Eisenbahn ist zugleich Fahrt- und
Frachtunternehmer und Strassenbauer, und steht daneben im
Dienste der Postverwaltung.



1) Noch deutlicher wird uns dies an dem modernsten Postgebilde, näm-
lich an dem Postbetrieb der Union: dort war in der Mitte dieses Jahr-
hunderts bei den kolossalen Entfernungen die Summe der Mittel für Be-
wältigung des Nachrichten-Verkehrs am gewaltigsten ausgebildet; die Fahr-
post am Missouri (nach St. Francisco) gebot allein über 6500 Pferde (die
deutsche Reichspost hat nur 10000 Pferde). Nun hat sich der Verkehr
in der Union von 531 Mill. St. Briefpostsendungen im Jahr 1868 auf
3 Milliarden gehoben; wohin aber ist es mit der amerikanischen Post ge-
kommen? Ihre frühere Herrlichkeit ist, wie bei uns, eine blosse Reminiscenz;
ihre kurzjährige Dauer zeigt, wie unrichtig es ist, die Zahl der Postsend-
ungen und die Postleistung zu identifizieren. Ein anderes Beispiel bietet
unsere Postdampfer-Subvention: hier tritt die Post allerdings
als Mieter des Dampfmotors auf: aber auch heute noch hat, wie zur Zeit
der Vorlage des Reichsgesetzes im J. 1884 wohl jeder das Gefühl, dass
aus taktisch-fiskalen Gründen der Post eine Rolle aufgebürdet wurde, die
zu ihrem Wesen nicht mehr passt. Wenn man sich also dem herkömm-
lichen Ausdrucke »Post« fügt, so meint man damit die der Nachrichtenbe-
förderung dienende Unterabteilung der Transportleistung der Eisenbahn.
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[232/0248] im grossen und ganzen eine Leistung der Eisenbahn, welche die organisatorische Distribution und Sammel-Funktion der Post übernehmen und nebenher so gut wie bei den Frachtgütern besorgen könnte 1). Demgemäss hat die übliche Gleichstellung des Eisen- bahnwesens und des Postbetriebs weder geschichtlich noch be- grifflich oder sachlich ihre Berechtigung. Allerdings ist es die- selbe Maschine, dieselbe Lokomotive, welche heute Briefe, Pakete, Passagiere und Frachtgüter befördert; Post und Eisen- bahn haben sich in die Beförderungsleistung geteilt, diese Leistung selbst aber unterscheidet sich folgendermassen: Die Post hat ausschliesslich den Beförderungsdienst und zwar von Personen, Briefen und Paketen, die Eisenbahn aber hat ausserdem daneben noch die Erstellung der Fahrbahn, des Mo- tors und zugleich das Frachtfuhrwerk zu leisten, also nicht nur Aufgaben für den kaufmännischen Spediteur, sondern auch für den Maschinen- und Bauingenieur. Die Produktivität der Post beruht hauptsächlich in dem Betrieb, in der Spedition und Organisation, die Eisenbahn ist zugleich Fahrt- und Frachtunternehmer und Strassenbauer, und steht daneben im Dienste der Postverwaltung. 1) Noch deutlicher wird uns dies an dem modernsten Postgebilde, näm- lich an dem Postbetrieb der Union: dort war in der Mitte dieses Jahr- hunderts bei den kolossalen Entfernungen die Summe der Mittel für Be- wältigung des Nachrichten-Verkehrs am gewaltigsten ausgebildet; die Fahr- post am Missouri (nach St. Francisco) gebot allein über 6500 Pferde (die deutsche Reichspost hat nur 10000 Pferde). Nun hat sich der Verkehr in der Union von 531 Mill. St. Briefpostsendungen im Jahr 1868 auf 3 Milliarden gehoben; wohin aber ist es mit der amerikanischen Post ge- kommen? Ihre frühere Herrlichkeit ist, wie bei uns, eine blosse Reminiscenz; ihre kurzjährige Dauer zeigt, wie unrichtig es ist, die Zahl der Postsend- ungen und die Postleistung zu identifizieren. Ein anderes Beispiel bietet unsere Postdampfer-Subvention: hier tritt die Post allerdings als Mieter des Dampfmotors auf: aber auch heute noch hat, wie zur Zeit der Vorlage des Reichsgesetzes im J. 1884 wohl jeder das Gefühl, dass aus taktisch-fiskalen Gründen der Post eine Rolle aufgebürdet wurde, die zu ihrem Wesen nicht mehr passt. Wenn man sich also dem herkömm- lichen Ausdrucke »Post« fügt, so meint man damit die der Nachrichtenbe- förderung dienende Unterabteilung der Transportleistung der Eisenbahn.

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/248>, abgerufen am 22.11.2024.