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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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turgeschichte", Hannover, L. Meyer 1878, S. 169 und die Schil-
derungen von Perrot, Geistbeck, G. Freytag; ferner Götz, "Die
Verkehrswege im Dienste des Welthandels" 1888 S. 548--550;
721, 724--726) u. a.

Nicht besser als der Wegkörper war auch das Fahrzeug;

die den Höllenweg passieren. Zur Messzeit müssen mehr als eintausend
Fuhrleute hier durch. Gott zu erbarmen ist es! Zoll, Geleite, alles muss
gegeben werden, und wenn es darauf ankommt, den Leuten, die Zoll und
Geleite entrichten, und, die Wahrheit zu sagen, den Landesherrn mit er-
nähren müssen, den Weg bequemer zu machen, da ist niemand zu Hause.
Wird nicht noch bis itzo die Saat von einem halben Dutzend
Dörfern
in den Morast gefahren? Bleiben nicht alle Jahre zehn bis
zwölf Pferde auf der Strasse liegen? Herr Stadtschreiber! ich bitte Sie,
stürzen nicht alle Jahre Reisende am Vogelsberge in den Abgrund? Hat
nicht noch vor vier Wochen der Herr von Woltemar den Hals gebrochen?
Und doch ist noch kein Geländer an dem gefährlichen Weg gemacht, und
Sie und ich, und Ihre und meine Kinder werden es nicht erleben, dass es
gemacht werde. Am Gelde fehlt es ihm nicht. Aber -- die Soldaten
fressen alles wieder weg. Wenn er einmal einige tausend zurückgelegt hat,
da muss gleich ein neues Regiment geworben sein.
"Diese Soldaten könnten ja die Strassen verbessern, wie ehedem die
alten römischen Soldaten thaten. Ein Regiment -- wenn dieses nur ein
halbes Jahr zur Strassenverbesserung angehalten würde, wie viel könnte es
ausrichten! Und wenn ich nun die ganze Armee Ihres Fürsten nehme"!
"Diese könnte vielleicht in einigen Jahren halb Deutschland zum Chaussee
machen. Aber -- da wäre wieder eine andere Armee nötig, die diese be-
wachte". --
Im gleichen Jahrzehnt (1782) macht sich ein junger Züricher, Landolt,
in seinem Reisetagebuch lustig über den schlechten Zustand der Strassen
in Deutschland; einmal, in der Nähe von Göttingen, muss, wie er berichtet,
sein Diener vom Bock steigen, um die Löcher der Strasse mit Steinen aus-
zufüllen. Dass übrigens auch die Züricher keinen besonderen Grund dazu
hatten, auf ihre Strassen stolz zu sein, geht aus Meinerts Briefen über die
Schweiz, (1785) hervor; darin heisst es u. a.: "Der Weg von Schaffhausen
nach Zürich mag ehemals recht gut gepflastert gewesen sein; allein wir
fanden ihn in der schönsten Jahreszeit bis eine halbe Stunde von Zürich so
tief ausgefahren, dass wir ihn mit zu den beschwerlichsten unserer Reise
rechnen. (Auf diesem Wege trifft man weder fruchtbare noch schöne Gegen-
den, aber eine Menge von bettelnden Kindern an, die aber nicht durch
Not getrieben, sondern durch die unüberlegte Verschwendung der Reisenden
gelockt, oft lachend und mit schalkhaften Blicken, neben den Wagen
herlaufen").

turgeschichte«, Hannover, L. Meyer 1878, S. 169 und die Schil-
derungen von Perrot, Geistbeck, G. Freytag; ferner Götz, »Die
Verkehrswege im Dienste des Welthandels« 1888 S. 548—550;
721, 724—726) u. a.

Nicht besser als der Wegkörper war auch das Fahrzeug;

die den Höllenweg passieren. Zur Messzeit müssen mehr als eintausend
Fuhrleute hier durch. Gott zu erbarmen ist es! Zoll, Geleite, alles muss
gegeben werden, und wenn es darauf ankommt, den Leuten, die Zoll und
Geleite entrichten, und, die Wahrheit zu sagen, den Landesherrn mit er-
nähren müssen, den Weg bequemer zu machen, da ist niemand zu Hause.
Wird nicht noch bis itzo die Saat von einem halben Dutzend
Dörfern
in den Morast gefahren? Bleiben nicht alle Jahre zehn bis
zwölf Pferde auf der Strasse liegen? Herr Stadtschreiber! ich bitte Sie,
stürzen nicht alle Jahre Reisende am Vogelsberge in den Abgrund? Hat
nicht noch vor vier Wochen der Herr von Woltemar den Hals gebrochen?
Und doch ist noch kein Geländer an dem gefährlichen Weg gemacht, und
Sie und ich, und Ihre und meine Kinder werden es nicht erleben, dass es
gemacht werde. Am Gelde fehlt es ihm nicht. Aber — die Soldaten
fressen alles wieder weg. Wenn er einmal einige tausend zurückgelegt hat,
da muss gleich ein neues Regiment geworben sein.
»Diese Soldaten könnten ja die Strassen verbessern, wie ehedem die
alten römischen Soldaten thaten. Ein Regiment — wenn dieses nur ein
halbes Jahr zur Strassenverbesserung angehalten würde, wie viel könnte es
ausrichten! Und wenn ich nun die ganze Armee Ihres Fürsten nehme«!
»Diese könnte vielleicht in einigen Jahren halb Deutschland zum Chaussee
machen. Aber — da wäre wieder eine andere Armee nötig, die diese be-
wachte«. —
Im gleichen Jahrzehnt (1782) macht sich ein junger Züricher, Landolt,
in seinem Reisetagebuch lustig über den schlechten Zustand der Strassen
in Deutschland; einmal, in der Nähe von Göttingen, muss, wie er berichtet,
sein Diener vom Bock steigen, um die Löcher der Strasse mit Steinen aus-
zufüllen. Dass übrigens auch die Züricher keinen besonderen Grund dazu
hatten, auf ihre Strassen stolz zu sein, geht aus Meinerts Briefen über die
Schweiz, (1785) hervor; darin heisst es u. a.: »Der Weg von Schaffhausen
nach Zürich mag ehemals recht gut gepflastert gewesen sein; allein wir
fanden ihn in der schönsten Jahreszeit bis eine halbe Stunde von Zürich so
tief ausgefahren, dass wir ihn mit zu den beschwerlichsten unserer Reise
rechnen. (Auf diesem Wege trifft man weder fruchtbare noch schöne Gegen-
den, aber eine Menge von bettelnden Kindern an, die aber nicht durch
Not getrieben, sondern durch die unüberlegte Verschwendung der Reisenden
gelockt, oft lachend und mit schalkhaften Blicken, neben den Wagen
herlaufen«).
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[220/0236] turgeschichte«, Hannover, L. Meyer 1878, S. 169 und die Schil- derungen von Perrot, Geistbeck, G. Freytag; ferner Götz, »Die Verkehrswege im Dienste des Welthandels« 1888 S. 548—550; 721, 724—726) u. a. Nicht besser als der Wegkörper war auch das Fahrzeug; 1) 1) die den Höllenweg passieren. Zur Messzeit müssen mehr als eintausend Fuhrleute hier durch. Gott zu erbarmen ist es! Zoll, Geleite, alles muss gegeben werden, und wenn es darauf ankommt, den Leuten, die Zoll und Geleite entrichten, und, die Wahrheit zu sagen, den Landesherrn mit er- nähren müssen, den Weg bequemer zu machen, da ist niemand zu Hause. Wird nicht noch bis itzo die Saat von einem halben Dutzend Dörfern in den Morast gefahren? Bleiben nicht alle Jahre zehn bis zwölf Pferde auf der Strasse liegen? Herr Stadtschreiber! ich bitte Sie, stürzen nicht alle Jahre Reisende am Vogelsberge in den Abgrund? Hat nicht noch vor vier Wochen der Herr von Woltemar den Hals gebrochen? Und doch ist noch kein Geländer an dem gefährlichen Weg gemacht, und Sie und ich, und Ihre und meine Kinder werden es nicht erleben, dass es gemacht werde. Am Gelde fehlt es ihm nicht. Aber — die Soldaten fressen alles wieder weg. Wenn er einmal einige tausend zurückgelegt hat, da muss gleich ein neues Regiment geworben sein. »Diese Soldaten könnten ja die Strassen verbessern, wie ehedem die alten römischen Soldaten thaten. Ein Regiment — wenn dieses nur ein halbes Jahr zur Strassenverbesserung angehalten würde, wie viel könnte es ausrichten! Und wenn ich nun die ganze Armee Ihres Fürsten nehme«! »Diese könnte vielleicht in einigen Jahren halb Deutschland zum Chaussee machen. Aber — da wäre wieder eine andere Armee nötig, die diese be- wachte«. — Im gleichen Jahrzehnt (1782) macht sich ein junger Züricher, Landolt, in seinem Reisetagebuch lustig über den schlechten Zustand der Strassen in Deutschland; einmal, in der Nähe von Göttingen, muss, wie er berichtet, sein Diener vom Bock steigen, um die Löcher der Strasse mit Steinen aus- zufüllen. Dass übrigens auch die Züricher keinen besonderen Grund dazu hatten, auf ihre Strassen stolz zu sein, geht aus Meinerts Briefen über die Schweiz, (1785) hervor; darin heisst es u. a.: »Der Weg von Schaffhausen nach Zürich mag ehemals recht gut gepflastert gewesen sein; allein wir fanden ihn in der schönsten Jahreszeit bis eine halbe Stunde von Zürich so tief ausgefahren, dass wir ihn mit zu den beschwerlichsten unserer Reise rechnen. (Auf diesem Wege trifft man weder fruchtbare noch schöne Gegen- den, aber eine Menge von bettelnden Kindern an, die aber nicht durch Not getrieben, sondern durch die unüberlegte Verschwendung der Reisenden gelockt, oft lachend und mit schalkhaften Blicken, neben den Wagen herlaufen«).

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/236>, abgerufen am 08.05.2024.