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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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Handel und Verkehr zusammenhängt, wie Reichtum, Macht
und Kultur der Weltstrasse folgen.

Bei deren Verlegung sinken die Staaten, bezw. Hafen-
städte, welche eben noch die höchste Kulturblüte gezeitigt
haben, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch in civilisa-
torischer Beziehung. Immer wieder aber schlägt das Meer
d. h. die Seestrasse, der natürlich gegebene Welthandelsweg
andere Konkurrenten aus dem Felde, immer wieder wird
der Puls des Verkehrsorganismus am Meer zu suchen sein!

Am Ausgang des Mittelalters wird, wie zu jeder an-
deren Zeit, die Verlegung der Achse des Welthandels,
mit Blut und Eisen durchgeführt. Die beiden (städtischen)
Eck- und Endpunkte des mittelalterlichen Weltverkehrs,
Hamburg und Venedig, mussten durch die nationalen
Staaten (zuerst Portugal und Spanien, dann Holland,
später England) und deren Zentralsitze ausgewechselt wer-
den, (und zwar deshalb, weil beide Handelsstädte nur
Interessengemeinschaften waren und ihre Bündnisse in
Sprache und Sitten keinen weiteren Zusammenhalt hatten).

Andere friedlichere Bahnen wandelte der Binnenver-
kehr
; für ihn bezeichnen sinnige Erfindungen die ver-
schiedenen Fortschrittsetappen 1).

Der Türken Einbruch -- eine zweite Völkerwande-
rung -- hatte eine doppelte Folge: er zerstörte alle Han-
delsverbindungen mit Indien und China, und zugleich, da
den Türken in wirtschaftlicher Beziehung bis heute ihr Ur-
sprung als Wüsten-Nomaden anklebt, den Levanteverkehr,
den östlichen Mittelmeerhandel.

Dadurch wurde der europäische Luxuskonsum und
Textil-Export in andere Richtungen gedrängt, und nament-

1) Erfindungen zuerst im Motor, viel später erst im Bau und Betrieb,
in der Fahrbahn und der Organisation. Aber auch für das Binnenland und
für die langsame friedliche Entwickelung des Binnenverkehrs ist das schliess-
liche Resultat die Verlegung der Achse des Welthandels, und die Versetzung
der Weltstrassen.

Handel und Verkehr zusammenhängt, wie Reichtum, Macht
und Kultur der Weltstrasse folgen.

Bei deren Verlegung sinken die Staaten, bezw. Hafen-
städte, welche eben noch die höchste Kulturblüte gezeitigt
haben, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch in civilisa-
torischer Beziehung. Immer wieder aber schlägt das Meer
d. h. die Seestrasse, der natürlich gegebene Welthandelsweg
andere Konkurrenten aus dem Felde, immer wieder wird
der Puls des Verkehrsorganismus am Meer zu suchen sein!

Am Ausgang des Mittelalters wird, wie zu jeder an-
deren Zeit, die Verlegung der Achse des Welthandels,
mit Blut und Eisen durchgeführt. Die beiden (städtischen)
Eck- und Endpunkte des mittelalterlichen Weltverkehrs,
Hamburg und Venedig, mussten durch die nationalen
Staaten (zuerst Portugal und Spanien, dann Holland,
später England) und deren Zentralsitze ausgewechselt wer-
den, (und zwar deshalb, weil beide Handelsstädte nur
Interessengemeinschaften waren und ihre Bündnisse in
Sprache und Sitten keinen weiteren Zusammenhalt hatten).

Andere friedlichere Bahnen wandelte der Binnenver-
kehr
; für ihn bezeichnen sinnige Erfindungen die ver-
schiedenen Fortschrittsetappen 1).

Der Türken Einbruch — eine zweite Völkerwande-
rung — hatte eine doppelte Folge: er zerstörte alle Han-
delsverbindungen mit Indien und China, und zugleich, da
den Türken in wirtschaftlicher Beziehung bis heute ihr Ur-
sprung als Wüsten-Nomaden anklebt, den Levanteverkehr,
den östlichen Mittelmeerhandel.

Dadurch wurde der europäische Luxuskonsum und
Textil-Export in andere Richtungen gedrängt, und nament-

1) Erfindungen zuerst im Motor, viel später erst im Bau und Betrieb,
in der Fahrbahn und der Organisation. Aber auch für das Binnenland und
für die langsame friedliche Entwickelung des Binnenverkehrs ist das schliess-
liche Resultat die Verlegung der Achse des Welthandels, und die Versetzung
der Weltstrassen.
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[7/0023] Handel und Verkehr zusammenhängt, wie Reichtum, Macht und Kultur der Weltstrasse folgen. Bei deren Verlegung sinken die Staaten, bezw. Hafen- städte, welche eben noch die höchste Kulturblüte gezeitigt haben, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch in civilisa- torischer Beziehung. Immer wieder aber schlägt das Meer d. h. die Seestrasse, der natürlich gegebene Welthandelsweg andere Konkurrenten aus dem Felde, immer wieder wird der Puls des Verkehrsorganismus am Meer zu suchen sein! Am Ausgang des Mittelalters wird, wie zu jeder an- deren Zeit, die Verlegung der Achse des Welthandels, mit Blut und Eisen durchgeführt. Die beiden (städtischen) Eck- und Endpunkte des mittelalterlichen Weltverkehrs, Hamburg und Venedig, mussten durch die nationalen Staaten (zuerst Portugal und Spanien, dann Holland, später England) und deren Zentralsitze ausgewechselt wer- den, (und zwar deshalb, weil beide Handelsstädte nur Interessengemeinschaften waren und ihre Bündnisse in Sprache und Sitten keinen weiteren Zusammenhalt hatten). Andere friedlichere Bahnen wandelte der Binnenver- kehr; für ihn bezeichnen sinnige Erfindungen die ver- schiedenen Fortschrittsetappen 1). Der Türken Einbruch — eine zweite Völkerwande- rung — hatte eine doppelte Folge: er zerstörte alle Han- delsverbindungen mit Indien und China, und zugleich, da den Türken in wirtschaftlicher Beziehung bis heute ihr Ur- sprung als Wüsten-Nomaden anklebt, den Levanteverkehr, den östlichen Mittelmeerhandel. Dadurch wurde der europäische Luxuskonsum und Textil-Export in andere Richtungen gedrängt, und nament- 1) Erfindungen zuerst im Motor, viel später erst im Bau und Betrieb, in der Fahrbahn und der Organisation. Aber auch für das Binnenland und für die langsame friedliche Entwickelung des Binnenverkehrs ist das schliess- liche Resultat die Verlegung der Achse des Welthandels, und die Versetzung der Weltstrassen.

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/23>, abgerufen am 25.04.2024.