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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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Führer augenscheinlich that, den "nechst weg" mühsam durch
Erkundigung bei Wallfahrern, Boten, messbesuchenden Kauf-
leuten, fahrenden Schülern erfragen musste. Merkwürdig ist, wie
wenig in den lateinisch (od. deutsch) geschriebenen Itinerarien,
welche vor 1600 od. einige Jahrzehnte später erschienen sind,
der Postkurs oder "Botenzug" berücksichtigt wird; am auf-
fallendsten ist dies an dem Itinerarium von Franz Schott (das
noch 1675 zugleich in Venedig und in Padua, 1699 in Rom neu
aufgelegt worden ist): dessen italienische Ausgaben 1),
schon die 1610 erschienene, dann die von 1622, zählen die
"poste" auf, (1610 sind es schon 15 Seiten) und zwar in einer
mit Codogno (S. 197 ff.) nahezu übereinstimmenden Weise; die
lateinischen Ausgaben dagegen, die den gleichen Umfang haben,
halten selbst in den späteren Ausgaben (von 1620, 1625 u. 1655)
noch an der alten Beschränkung auf die blosse Distanz-Angabe
nach Milliaria Italica fest 2); die italienischen Ausgaben also klären
den Reisenden über die Postgelegenheit, die deutschen nur
über die Entfernung auf (z. B. von Neapel sei es nach Kapua
14 Meilen, von da gehe man nach Gaeta, um sich dort nach
Rom einzuschiffen, während die italienische Ausgabe den Land-
weg und die Benützung der Post anrät). Aus diesem Vergleiche
geht hervor, dass Codogno in der Beschränkung seiner Dar-
stellung auf den praktischen Postenlauf seine Zeitgenossen eben-

1) Beispielsweise heisst es in der italienischen 1610 erschienenen Aus-
gabe des Schott'schen Büchleins für die Strecke von Messina nach Palermo,
es gehe darauf nicht, wie von Rom nach Neapel, von da die Post nach
Messina: "non visono Poste destinate de on luogo all altro", aber man
könne "pigliare dell Mugle"; die Ausgabe von 1659 hat den Beisatz: "Il
qual viaggio quando conuiene a Corrieri o altri andarui per la posta o sia
con diligeza, conuiene, che paghino dette Mulle per venti poste". Ebenso
wird bzgl. der Route Wien-Pesth der Reisende vorsorglich darauf vorbe-
reitet (Codogno, S. 212) "che non ritrouate le Poste simplici".
2) Auch Gaspar Augustinus wendet noch 1639 diese weniger praktische
Distanz-Angabe nach "Teutschen Meilen" und zwar sogar für den "Postweg
von Augsburg nach Antorff" an. Die andere Bestimmung nach "poste",
wie sie zuerst Herba gibt, ist auch von höherer kulturgeschicht-
licher
Bedeutung deshalb, weil sie darüber orientiert, wie weit damals
die Einteilung der Strassen in möglichst gleichmässige Distanzen vorange-
schritten war.

Führer augenscheinlich that, den »nechst weg« mühsam durch
Erkundigung bei Wallfahrern, Boten, messbesuchenden Kauf-
leuten, fahrenden Schülern erfragen musste. Merkwürdig ist, wie
wenig in den lateinisch (od. deutsch) geschriebenen Itinerarien,
welche vor 1600 od. einige Jahrzehnte später erschienen sind,
der Postkurs oder »Botenzug« berücksichtigt wird; am auf-
fallendsten ist dies an dem Itinerarium von Franz Schott (das
noch 1675 zugleich in Venedig und in Padua, 1699 in Rom neu
aufgelegt worden ist): dessen italienische Ausgaben 1),
schon die 1610 erschienene, dann die von 1622, zählen die
»poste« auf, (1610 sind es schon 15 Seiten) und zwar in einer
mit Codogno (S. 197 ff.) nahezu übereinstimmenden Weise; die
lateinischen Ausgaben dagegen, die den gleichen Umfang haben,
halten selbst in den späteren Ausgaben (von 1620, 1625 u. 1655)
noch an der alten Beschränkung auf die blosse Distanz-Angabe
nach Milliaria Italica fest 2); die italienischen Ausgaben also klären
den Reisenden über die Postgelegenheit, die deutschen nur
über die Entfernung auf (z. B. von Neapel sei es nach Kapua
14 Meilen, von da gehe man nach Gaeta, um sich dort nach
Rom einzuschiffen, während die italienische Ausgabe den Land-
weg und die Benützung der Post anrät). Aus diesem Vergleiche
geht hervor, dass Codogno in der Beschränkung seiner Dar-
stellung auf den praktischen Postenlauf seine Zeitgenossen eben-

1) Beispielsweise heisst es in der italienischen 1610 erschienenen Aus-
gabe des Schott’schen Büchleins für die Strecke von Messina nach Palermo,
es gehe darauf nicht, wie von Rom nach Neapel, von da die Post nach
Messina: »non visono Poste destinate de on luogo all altro«, aber man
könne »pigliare dell Mugle«; die Ausgabe von 1659 hat den Beisatz: »Il
qual viaggio quando conuiene a Corrieri ò altri andarui per la posta o sia
con diligêza, conuiene, che paghino dette Mulle per venti poste«. Ebenso
wird bzgl. der Route Wien-Pesth der Reisende vorsorglich darauf vorbe-
reitet (Codogno, S. 212) »che non ritrouate le Poste simplici«.
2) Auch Gaspar Augustinus wendet noch 1639 diese weniger praktische
Distanz-Angabe nach »Teutschen Meilen« und zwar sogar für den »Postweg
von Augsburg nach Antorff« an. Die andere Bestimmung nach »poste«,
wie sie zuerst Herba gibt, ist auch von höherer kulturgeschicht-
licher
Bedeutung deshalb, weil sie darüber orientiert, wie weit damals
die Einteilung der Strassen in möglichst gleichmässige Distanzen vorange-
schritten war.
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[180/0196] Führer augenscheinlich that, den »nechst weg« mühsam durch Erkundigung bei Wallfahrern, Boten, messbesuchenden Kauf- leuten, fahrenden Schülern erfragen musste. Merkwürdig ist, wie wenig in den lateinisch (od. deutsch) geschriebenen Itinerarien, welche vor 1600 od. einige Jahrzehnte später erschienen sind, der Postkurs oder »Botenzug« berücksichtigt wird; am auf- fallendsten ist dies an dem Itinerarium von Franz Schott (das noch 1675 zugleich in Venedig und in Padua, 1699 in Rom neu aufgelegt worden ist): dessen italienische Ausgaben 1), schon die 1610 erschienene, dann die von 1622, zählen die »poste« auf, (1610 sind es schon 15 Seiten) und zwar in einer mit Codogno (S. 197 ff.) nahezu übereinstimmenden Weise; die lateinischen Ausgaben dagegen, die den gleichen Umfang haben, halten selbst in den späteren Ausgaben (von 1620, 1625 u. 1655) noch an der alten Beschränkung auf die blosse Distanz-Angabe nach Milliaria Italica fest 2); die italienischen Ausgaben also klären den Reisenden über die Postgelegenheit, die deutschen nur über die Entfernung auf (z. B. von Neapel sei es nach Kapua 14 Meilen, von da gehe man nach Gaeta, um sich dort nach Rom einzuschiffen, während die italienische Ausgabe den Land- weg und die Benützung der Post anrät). Aus diesem Vergleiche geht hervor, dass Codogno in der Beschränkung seiner Dar- stellung auf den praktischen Postenlauf seine Zeitgenossen eben- 1) Beispielsweise heisst es in der italienischen 1610 erschienenen Aus- gabe des Schott’schen Büchleins für die Strecke von Messina nach Palermo, es gehe darauf nicht, wie von Rom nach Neapel, von da die Post nach Messina: »non visono Poste destinate de on luogo all altro«, aber man könne »pigliare dell Mugle«; die Ausgabe von 1659 hat den Beisatz: »Il qual viaggio quando conuiene a Corrieri ò altri andarui per la posta o sia con diligêza, conuiene, che paghino dette Mulle per venti poste«. Ebenso wird bzgl. der Route Wien-Pesth der Reisende vorsorglich darauf vorbe- reitet (Codogno, S. 212) »che non ritrouate le Poste simplici«. 2) Auch Gaspar Augustinus wendet noch 1639 diese weniger praktische Distanz-Angabe nach »Teutschen Meilen« und zwar sogar für den »Postweg von Augsburg nach Antorff« an. Die andere Bestimmung nach »poste«, wie sie zuerst Herba gibt, ist auch von höherer kulturgeschicht- licher Bedeutung deshalb, weil sie darüber orientiert, wie weit damals die Einteilung der Strassen in möglichst gleichmässige Distanzen vorange- schritten war.

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/196>, abgerufen am 30.04.2024.