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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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komfort, ganz minimale Anforderungen. Das Mittelalter hatte
für dergleichen Dinge noch keine Nerven. In Ländern, die
keine Kanäle besassen, bildeten oft wenige Kilometer Land-
transport eine absolute Absatzsperre, wie es noch gegenwärtig
in vielen Teilen Spaniens, Indiens oder der Türkei der Fall ist.
Von den süddeutschen Landstrassen waren nur drei internatio-
nale Transitrouten nach unsern Begriffen fahrbar, und zwar
die von Nürnberg nach Augsburg und Innsbruck-Brenner, die
von Nürnberg über Ulm an den Bodensee und von da nach
Genf und Südfrankreich, endlich die von Frankfurt nach Basel,
Solothurn, Genf. (Gering, Handel und Industrie der Stadt
Basel, 1886, S. 182). --

Noch schlimmer aber als der Zustand der Fahrbahn war
die Unsicherheit, unter welcher namentlich auch die Boten
zu leiden hatten. Schon von vornherein waren sie als die un-
schuldigen Repräsentanten des zunehmenden Verkehrs und da-
mit einer neuen Zeit dem Adel ein Dorn im Auge. Manche
Belege über ihre Existenz bestehen in Mitteilungen über ihre
Beraubung und Ermordung, so bezgl. einiger Nürnberger Boten
aus dem Jahre 1436 und 1468, bezgl. dreier Läufer von Danzig,
Thorn und Brügge aus dem Jahre 1444 (Roth, Geschichte des
Nürnbergischen Handels, 1801, IV. Bd. S. 176 und 240; Hirsch-
feld, Danzigs Handels- und Gewerbsgeschichte, 1858, S. 221).

Wenn wir uns nun alle diese Hemmnisse vergegenwärtigen,
so werden wir eine Botenorganisation selbst für die Weltrouten
nicht vor dem 14/15. Jahrhundert annehmen dürfen. Wir können
uns dies deutlicher als aus den spärlichen Berichten jener Zeit
aus dem Stande eines Verkehrs der Neuzeit, nämlich des orien-
talischen Reiseverkehrs vorstellen. Derselbe bildet in technischer
Hinsicht wie in Bezug auf die Sicherheit ein Pendant zu dem
eben skizzierten Verkehr: heute noch muss dort der Durch-
schnittsreisende, wegen der im Lande oft herrschenden Unsicher-
heit der Wege, sich stets einer grösseren Karawane anschliessen,
(die sich für einzelne weniger frequentierte Routen nur etwa
alle zwei bis drei Monate in erforderlicher Stärke zusammen-
findet). So wenig aber auf diesen orientalischen Strassen ein
regelmässiger Botendienst kursiert, so wenig ist dies für die

komfort, ganz minimale Anforderungen. Das Mittelalter hatte
für dergleichen Dinge noch keine Nerven. In Ländern, die
keine Kanäle besassen, bildeten oft wenige Kilometer Land-
transport eine absolute Absatzsperre, wie es noch gegenwärtig
in vielen Teilen Spaniens, Indiens oder der Türkei der Fall ist.
Von den süddeutschen Landstrassen waren nur drei internatio-
nale Transitrouten nach unsern Begriffen fahrbar, und zwar
die von Nürnberg nach Augsburg und Innsbruck-Brenner, die
von Nürnberg über Ulm an den Bodensee und von da nach
Genf und Südfrankreich, endlich die von Frankfurt nach Basel,
Solothurn, Genf. (Gering, Handel und Industrie der Stadt
Basel, 1886, S. 182). —

Noch schlimmer aber als der Zustand der Fahrbahn war
die Unsicherheit, unter welcher namentlich auch die Boten
zu leiden hatten. Schon von vornherein waren sie als die un-
schuldigen Repräsentanten des zunehmenden Verkehrs und da-
mit einer neuen Zeit dem Adel ein Dorn im Auge. Manche
Belege über ihre Existenz bestehen in Mitteilungen über ihre
Beraubung und Ermordung, so bezgl. einiger Nürnberger Boten
aus dem Jahre 1436 und 1468, bezgl. dreier Läufer von Danzig,
Thorn und Brügge aus dem Jahre 1444 (Roth, Geschichte des
Nürnbergischen Handels, 1801, IV. Bd. S. 176 und 240; Hirsch-
feld, Danzigs Handels- und Gewerbsgeschichte, 1858, S. 221).

Wenn wir uns nun alle diese Hemmnisse vergegenwärtigen,
so werden wir eine Botenorganisation selbst für die Weltrouten
nicht vor dem 14/15. Jahrhundert annehmen dürfen. Wir können
uns dies deutlicher als aus den spärlichen Berichten jener Zeit
aus dem Stande eines Verkehrs der Neuzeit, nämlich des orien-
talischen Reiseverkehrs vorstellen. Derselbe bildet in technischer
Hinsicht wie in Bezug auf die Sicherheit ein Pendant zu dem
eben skizzierten Verkehr: heute noch muss dort der Durch-
schnittsreisende, wegen der im Lande oft herrschenden Unsicher-
heit der Wege, sich stets einer grösseren Karawane anschliessen,
(die sich für einzelne weniger frequentierte Routen nur etwa
alle zwei bis drei Monate in erforderlicher Stärke zusammen-
findet). So wenig aber auf diesen orientalischen Strassen ein
regelmässiger Botendienst kursiert, so wenig ist dies für die

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[151/0167] komfort, ganz minimale Anforderungen. Das Mittelalter hatte für dergleichen Dinge noch keine Nerven. In Ländern, die keine Kanäle besassen, bildeten oft wenige Kilometer Land- transport eine absolute Absatzsperre, wie es noch gegenwärtig in vielen Teilen Spaniens, Indiens oder der Türkei der Fall ist. Von den süddeutschen Landstrassen waren nur drei internatio- nale Transitrouten nach unsern Begriffen fahrbar, und zwar die von Nürnberg nach Augsburg und Innsbruck-Brenner, die von Nürnberg über Ulm an den Bodensee und von da nach Genf und Südfrankreich, endlich die von Frankfurt nach Basel, Solothurn, Genf. (Gering, Handel und Industrie der Stadt Basel, 1886, S. 182). — Noch schlimmer aber als der Zustand der Fahrbahn war die Unsicherheit, unter welcher namentlich auch die Boten zu leiden hatten. Schon von vornherein waren sie als die un- schuldigen Repräsentanten des zunehmenden Verkehrs und da- mit einer neuen Zeit dem Adel ein Dorn im Auge. Manche Belege über ihre Existenz bestehen in Mitteilungen über ihre Beraubung und Ermordung, so bezgl. einiger Nürnberger Boten aus dem Jahre 1436 und 1468, bezgl. dreier Läufer von Danzig, Thorn und Brügge aus dem Jahre 1444 (Roth, Geschichte des Nürnbergischen Handels, 1801, IV. Bd. S. 176 und 240; Hirsch- feld, Danzigs Handels- und Gewerbsgeschichte, 1858, S. 221). Wenn wir uns nun alle diese Hemmnisse vergegenwärtigen, so werden wir eine Botenorganisation selbst für die Weltrouten nicht vor dem 14/15. Jahrhundert annehmen dürfen. Wir können uns dies deutlicher als aus den spärlichen Berichten jener Zeit aus dem Stande eines Verkehrs der Neuzeit, nämlich des orien- talischen Reiseverkehrs vorstellen. Derselbe bildet in technischer Hinsicht wie in Bezug auf die Sicherheit ein Pendant zu dem eben skizzierten Verkehr: heute noch muss dort der Durch- schnittsreisende, wegen der im Lande oft herrschenden Unsicher- heit der Wege, sich stets einer grösseren Karawane anschliessen, (die sich für einzelne weniger frequentierte Routen nur etwa alle zwei bis drei Monate in erforderlicher Stärke zusammen- findet). So wenig aber auf diesen orientalischen Strassen ein regelmässiger Botendienst kursiert, so wenig ist dies für die

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/167>, abgerufen am 30.04.2024.