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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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Schlüssen auf den der Postorganisation verwertet werden, wohl
aber indirekt, insofern er einen Gradmesser für die Intensität
des allgemeinen Verkehrs-Bedürfnisses abgibt.

In welcher Beschaffenheit der Zustand der mittelalterlichen
Fahrbahn, selbst frequenter Weltstrassen war, können wir als
bekannt voraussetzen 1). Geläufig sind ja die Hofgeschichten
über die Reisen fürstlicher Persönlichkeiten; noch Philipp II.
musste wegen des misslichen Zustandes der englischen Strassen
seine Hochzeitsreise, trotz des schlechtesten Wetters, zu Pferd
machen. Ueber die wichtigsten Alpenpässe führten nur Saum-
pfade. Häufig gab das Flussbett eine erwünschte Fahrstrasse
für die Frachtwagen ab. Bei dem bodenlosen Zustande mittel-
alterlicher Strassen, bei der Unsicherheit des Landverkehrs
übten die Wasserwege, zumal für die mühelose Thalfahrt eine
nahezu monopolische Anziehungskraft. An die Schiffbarkeit
eines Wassers aber stellte man, wie überhaupt an den Reise-

1) Solange die Technik noch nicht höher entwickelt war, und die An-
grenzer selbst nicht ein direktes Interesse an dem passierbaren Zustand der
Strasse hatten, konnte solche nicht besser sein. Erst mit Aufrichtung des
ewigen Landfriedens wurden die Landstrassen, welche bis dahin des Königs
Strasse waren, von den Landesherrn in den Kreis ihrer Aufgaben einbe-
zogen. Bekannt ist der Ausspruch des Landgrafen Philipp: "Man soll
einen Fürsten kennen bey einer Strasse (guter Müntze und Haltung be-
schehener Zusage")
. Vorher waren die einzigen Interessenten die transi-
tierenden Kaufleute, die auch wirklich für die Instandhaltung der Weltstrassen
werkthätig eintraten: beispielsweise liegen noch aus den Jahren 1351, 1352
und 1358 Beschlüsse der Nürnberger Kaufleute über Ausgaben für die
Alpenstrassen vor. Ein in Mones "Zeitschrift für die Geschichte des Ober-
rheins" (V. Bd. S. 18) mitgeteilter Beschluss bezieht sich darauf, dass die Strasse
von Venedig nach Brügge und Nürnberg nicht hergerichtet und nicht sicher
sei; "multa damna et expensa subtinuerunt mercatores Veneti, quia cami-
num de Norimbergo non est in aconcio". Im Jahre 1358 machen sich die
Grafen von Württemberg verbindlich, den Nürnberger Handel mit Geleit
zu schirmen, und allenfalls erlittenen Schaden zu ersetzen. Zu Anfang des
15. Jhh. trifft Nürnberg mit Genua und Mailand eine Verabredung, dahin
gehend: "Genua und Mailand sollen dafür Sicherheit und Vorkehrungen
treffen, dass dem Kaufmann sein Gut, seine Diener, Fuhrleute und Schiff-
leute mit Mord, Rauberei und andere Sachen nicht beschädigt, und dass
ihnen abgenommenes Gut und anderer Schaden widerkehret werde". (Jahres-
bericht des Histor. Vereins in Mittelfranken 1872, S. 101 und 106).

Schlüssen auf den der Postorganisation verwertet werden, wohl
aber indirekt, insofern er einen Gradmesser für die Intensität
des allgemeinen Verkehrs-Bedürfnisses abgibt.

In welcher Beschaffenheit der Zustand der mittelalterlichen
Fahrbahn, selbst frequenter Weltstrassen war, können wir als
bekannt voraussetzen 1). Geläufig sind ja die Hofgeschichten
über die Reisen fürstlicher Persönlichkeiten; noch Philipp II.
musste wegen des misslichen Zustandes der englischen Strassen
seine Hochzeitsreise, trotz des schlechtesten Wetters, zu Pferd
machen. Ueber die wichtigsten Alpenpässe führten nur Saum-
pfade. Häufig gab das Flussbett eine erwünschte Fahrstrasse
für die Frachtwagen ab. Bei dem bodenlosen Zustande mittel-
alterlicher Strassen, bei der Unsicherheit des Landverkehrs
übten die Wasserwege, zumal für die mühelose Thalfahrt eine
nahezu monopolische Anziehungskraft. An die Schiffbarkeit
eines Wassers aber stellte man, wie überhaupt an den Reise-

1) Solange die Technik noch nicht höher entwickelt war, und die An-
grenzer selbst nicht ein direktes Interesse an dem passierbaren Zustand der
Strasse hatten, konnte solche nicht besser sein. Erst mit Aufrichtung des
ewigen Landfriedens wurden die Landstrassen, welche bis dahin des Königs
Strasse waren, von den Landesherrn in den Kreis ihrer Aufgaben einbe-
zogen. Bekannt ist der Ausspruch des Landgrafen Philipp: »Man soll
einen Fürsten kennen bey einer Strasse (guter Müntze und Haltung be-
schehener Zusage«)
. Vorher waren die einzigen Interessenten die transi-
tierenden Kaufleute, die auch wirklich für die Instandhaltung der Weltstrassen
werkthätig eintraten: beispielsweise liegen noch aus den Jahren 1351, 1352
und 1358 Beschlüsse der Nürnberger Kaufleute über Ausgaben für die
Alpenstrassen vor. Ein in Mones »Zeitschrift für die Geschichte des Ober-
rheins« (V. Bd. S. 18) mitgeteilter Beschluss bezieht sich darauf, dass die Strasse
von Venedig nach Brügge und Nürnberg nicht hergerichtet und nicht sicher
sei; »multa damna et expensa subtinuerunt mercatores Veneti, quia cami-
num de Norimbergo non est in aconcio«. Im Jahre 1358 machen sich die
Grafen von Württemberg verbindlich, den Nürnberger Handel mit Geleit
zu schirmen, und allenfalls erlittenen Schaden zu ersetzen. Zu Anfang des
15. Jhh. trifft Nürnberg mit Genua und Mailand eine Verabredung, dahin
gehend: »Genua und Mailand sollen dafür Sicherheit und Vorkehrungen
treffen, dass dem Kaufmann sein Gut, seine Diener, Fuhrleute und Schiff-
leute mit Mord, Rauberei und andere Sachen nicht beschädigt, und dass
ihnen abgenommenes Gut und anderer Schaden widerkehret werde«. (Jahres-
bericht des Histor. Vereins in Mittelfranken 1872, S. 101 und 106).
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[150/0166] Schlüssen auf den der Postorganisation verwertet werden, wohl aber indirekt, insofern er einen Gradmesser für die Intensität des allgemeinen Verkehrs-Bedürfnisses abgibt. In welcher Beschaffenheit der Zustand der mittelalterlichen Fahrbahn, selbst frequenter Weltstrassen war, können wir als bekannt voraussetzen 1). Geläufig sind ja die Hofgeschichten über die Reisen fürstlicher Persönlichkeiten; noch Philipp II. musste wegen des misslichen Zustandes der englischen Strassen seine Hochzeitsreise, trotz des schlechtesten Wetters, zu Pferd machen. Ueber die wichtigsten Alpenpässe führten nur Saum- pfade. Häufig gab das Flussbett eine erwünschte Fahrstrasse für die Frachtwagen ab. Bei dem bodenlosen Zustande mittel- alterlicher Strassen, bei der Unsicherheit des Landverkehrs übten die Wasserwege, zumal für die mühelose Thalfahrt eine nahezu monopolische Anziehungskraft. An die Schiffbarkeit eines Wassers aber stellte man, wie überhaupt an den Reise- 1) Solange die Technik noch nicht höher entwickelt war, und die An- grenzer selbst nicht ein direktes Interesse an dem passierbaren Zustand der Strasse hatten, konnte solche nicht besser sein. Erst mit Aufrichtung des ewigen Landfriedens wurden die Landstrassen, welche bis dahin des Königs Strasse waren, von den Landesherrn in den Kreis ihrer Aufgaben einbe- zogen. Bekannt ist der Ausspruch des Landgrafen Philipp: »Man soll einen Fürsten kennen bey einer Strasse (guter Müntze und Haltung be- schehener Zusage«). Vorher waren die einzigen Interessenten die transi- tierenden Kaufleute, die auch wirklich für die Instandhaltung der Weltstrassen werkthätig eintraten: beispielsweise liegen noch aus den Jahren 1351, 1352 und 1358 Beschlüsse der Nürnberger Kaufleute über Ausgaben für die Alpenstrassen vor. Ein in Mones »Zeitschrift für die Geschichte des Ober- rheins« (V. Bd. S. 18) mitgeteilter Beschluss bezieht sich darauf, dass die Strasse von Venedig nach Brügge und Nürnberg nicht hergerichtet und nicht sicher sei; »multa damna et expensa subtinuerunt mercatores Veneti, quia cami- num de Norimbergo non est in aconcio«. Im Jahre 1358 machen sich die Grafen von Württemberg verbindlich, den Nürnberger Handel mit Geleit zu schirmen, und allenfalls erlittenen Schaden zu ersetzen. Zu Anfang des 15. Jhh. trifft Nürnberg mit Genua und Mailand eine Verabredung, dahin gehend: »Genua und Mailand sollen dafür Sicherheit und Vorkehrungen treffen, dass dem Kaufmann sein Gut, seine Diener, Fuhrleute und Schiff- leute mit Mord, Rauberei und andere Sachen nicht beschädigt, und dass ihnen abgenommenes Gut und anderer Schaden widerkehret werde«. (Jahres- bericht des Histor. Vereins in Mittelfranken 1872, S. 101 und 106).

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/166>, abgerufen am 30.04.2024.