sanfte Menschlichkeit aus, am liebenswürdigsten wo das Gefühl ihn überrascht. Vielleicht läßt er sich sogar von ihm hinreißen. Ein Mann, dessen Karakter ihm nicht die Achtung der Rechtschaffnen verschafft hätte, den aber sein Rang und sein Vermögen wohl einen Platz in der Gesellschaft zu- sichert, ließ sich in Gegenwart des Königs, der ihn kannte, auf eine Weise aus, die sein morali- sches Gefühl mißbilligte. Der König der sich be- müht hat die holländische Sprache zu lernen, und so große Fortschritte darin machte, daß er sich ge- gen seine Unterthanen immer ihrer bedient, brauchte ein sehr strenges Wort, um die Denkart dieses Herrn im Fortgang des Gesprächs zu be- zeichnen. Erschrocken über eine Gradheit, die aus den Sälen der Könige verbannt ist, meinte einer der Anwesenden, es läg an dem Ausdruck, und machte dem Fürsten bemerken, es gäbe einen verschönernden, umwundenen. "Nein, nein, rief der König, und wiederholte das Wort, ich verstehe das Holländische genug, um hier den rechten Ausdruck zu gebrauchen." Ich kann den Menschen um der Strenge willen mit der er bei dieser Gelegenheit verfuhr, nur ehren, aber der König that vielleicht mehr indirekten Schaden,
ſanfte Menſchlichkeit aus, am liebenswuͤrdigſten wo das Gefuͤhl ihn uͤberraſcht. Vielleicht laͤßt er ſich ſogar von ihm hinreißen. Ein Mann, deſſen Karakter ihm nicht die Achtung der Rechtſchaffnen verſchafft haͤtte, den aber ſein Rang und ſein Vermoͤgen wohl einen Platz in der Geſellſchaft zu- ſichert, ließ ſich in Gegenwart des Koͤnigs, der ihn kannte, auf eine Weiſe aus, die ſein morali- ſches Gefuͤhl mißbilligte. Der Koͤnig der ſich be- muͤht hat die hollaͤndiſche Sprache zu lernen, und ſo große Fortſchritte darin machte, daß er ſich ge- gen ſeine Unterthanen immer ihrer bedient, brauchte ein ſehr ſtrenges Wort, um die Denkart dieſes Herrn im Fortgang des Geſpraͤchs zu be- zeichnen. Erſchrocken uͤber eine Gradheit, die aus den Saͤlen der Koͤnige verbannt iſt, meinte einer der Anweſenden, es laͤg an dem Ausdruck, und machte dem Fuͤrſten bemerken, es gaͤbe einen verſchoͤnernden, umwundenen. „Nein, nein, rief der Koͤnig, und wiederholte das Wort, ich verſtehe das Hollaͤndiſche genug, um hier den rechten Ausdruck zu gebrauchen.“ Ich kann den Menſchen um der Strenge willen mit der er bei dieſer Gelegenheit verfuhr, nur ehren, aber der Koͤnig that vielleicht mehr indirekten Schaden,
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ſanfte Menſchlichkeit aus, am liebenswuͤrdigſten
wo das Gefuͤhl ihn uͤberraſcht. Vielleicht laͤßt er
ſich ſogar von ihm hinreißen. Ein Mann, deſſen
Karakter ihm nicht die Achtung der Rechtſchaffnen
verſchafft haͤtte, den aber ſein Rang und ſein
Vermoͤgen wohl einen Platz in der Geſellſchaft zu-
ſichert, ließ ſich in Gegenwart des Koͤnigs, der
ihn kannte, auf eine Weiſe aus, die ſein morali-
ſches Gefuͤhl mißbilligte. Der Koͤnig der ſich be-
muͤht hat die hollaͤndiſche Sprache zu lernen, und
ſo große Fortſchritte darin machte, daß er ſich ge-
gen ſeine Unterthanen immer ihrer bedient,
brauchte ein ſehr ſtrenges Wort, um die Denkart
dieſes Herrn im Fortgang des Geſpraͤchs zu be-
zeichnen. Erſchrocken uͤber eine Gradheit, die
aus den Saͤlen der Koͤnige verbannt iſt, meinte
einer der Anweſenden, es laͤg an dem Ausdruck,
und machte dem Fuͤrſten bemerken, es gaͤbe einen
verſchoͤnernden, umwundenen. „Nein, nein,
rief der Koͤnig, und wiederholte das Wort, ich
verſtehe das Hollaͤndiſche genug, um hier den
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/96>, abgerufen am 24.11.2024.
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