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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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ich antwortete ihnen aber immer wie Dantes Teu-
fel: schlechtes Wetter, schlechtes Wetter! Denn
damit hoffte ich sie unten zu halten in ihrem
Schwefelpfuhl. Nach und nach ward ich doch
mit ihnen bekannt, ohne selbst aus meiner Stumm-
heit herauszugehen. Die Mercuriussöhne mach-
ten sich besonders bemerklich, denn das ist ein
gar zuversichtliches Geschlecht, das sich, so lange
es Dütchen macht und Ballen bindet, sehr sorgen-
los über die Welthändel und zufrieden mit seiner
Miniatur-Individualität umher bewegt. Das
leichte junge Blut erzählte sich von den Frankfurter
schönen Damen, las sich endlich gar Verse von ihnen
vor und schrieb sie sehr mühselig ab -- ich denke ihre
Handelsbriefe schreiben sie schneller, sonst hätten
ihre Herrn Prinzipale klagen müssen. Wie die
Sonne heraus kam, krochen die französischen Sol-
daten auf das Verdeck, sie waren alle verwundet,
und gingen in ihr Depot, die Verstümmelten in
ihre Heimath zurück. Der eine erregte wehmüthi-
ge Empfindungen in mir. Ich bezeigte ihm mei-
ne Theilnahme wegen seinen lahmen Fuß. "Das
ist nichts, antwortete er bitter, Ermüdung zu
tragen und Wunden, das ist leicht, aber Verach-
tung, das thut weh. Auf meine Antwort, die ihr

ich antwortete ihnen aber immer wie Dantes Teu-
fel: ſchlechtes Wetter, ſchlechtes Wetter! Denn
damit hoffte ich ſie unten zu halten in ihrem
Schwefelpfuhl. Nach und nach ward ich doch
mit ihnen bekannt, ohne ſelbſt aus meiner Stumm-
heit herauszugehen. Die Mercuriusſoͤhne mach-
ten ſich beſonders bemerklich, denn das iſt ein
gar zuverſichtliches Geſchlecht, das ſich, ſo lange
es Duͤtchen macht und Ballen bindet, ſehr ſorgen-
los uͤber die Welthaͤndel und zufrieden mit ſeiner
Miniatur-Individualitaͤt umher bewegt. Das
leichte junge Blut erzaͤhlte ſich von den Frankfurter
ſchoͤnen Damen, las ſich endlich gar Verſe von ihnen
vor und ſchrieb ſie ſehr muͤhſelig ab — ich denke ihre
Handelsbriefe ſchreiben ſie ſchneller, ſonſt haͤtten
ihre Herrn Prinzipale klagen muͤſſen. Wie die
Sonne heraus kam, krochen die franzoͤſiſchen Sol-
daten auf das Verdeck, ſie waren alle verwundet,
und gingen in ihr Depot, die Verſtuͤmmelten in
ihre Heimath zuruͤck. Der eine erregte wehmuͤthi-
ge Empfindungen in mir. Ich bezeigte ihm mei-
ne Theilnahme wegen ſeinen lahmen Fuß. „Das
iſt nichts, antwortete er bitter, Ermuͤdung zu
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[44/0058] ich antwortete ihnen aber immer wie Dantes Teu- fel: ſchlechtes Wetter, ſchlechtes Wetter! Denn damit hoffte ich ſie unten zu halten in ihrem Schwefelpfuhl. Nach und nach ward ich doch mit ihnen bekannt, ohne ſelbſt aus meiner Stumm- heit herauszugehen. Die Mercuriusſoͤhne mach- ten ſich beſonders bemerklich, denn das iſt ein gar zuverſichtliches Geſchlecht, das ſich, ſo lange es Duͤtchen macht und Ballen bindet, ſehr ſorgen- los uͤber die Welthaͤndel und zufrieden mit ſeiner Miniatur-Individualitaͤt umher bewegt. Das leichte junge Blut erzaͤhlte ſich von den Frankfurter ſchoͤnen Damen, las ſich endlich gar Verſe von ihnen vor und ſchrieb ſie ſehr muͤhſelig ab — ich denke ihre Handelsbriefe ſchreiben ſie ſchneller, ſonſt haͤtten ihre Herrn Prinzipale klagen muͤſſen. Wie die Sonne heraus kam, krochen die franzoͤſiſchen Sol- daten auf das Verdeck, ſie waren alle verwundet, und gingen in ihr Depot, die Verſtuͤmmelten in ihre Heimath zuruͤck. Der eine erregte wehmuͤthi- ge Empfindungen in mir. Ich bezeigte ihm mei- ne Theilnahme wegen ſeinen lahmen Fuß. „Das iſt nichts, antwortete er bitter, Ermuͤdung zu tragen und Wunden, das iſt leicht, aber Verach- tung, das thut weh. Auf meine Antwort, die ihr

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/58>, abgerufen am 24.11.2024.