sterben lassen, wie der Gottbegeisterte Oedipus im Heiligthum der Eumeniden stirbt. Mit dem reich- sten Feierkleide geschmückt, mit Jugendgluth um- geben, entschwindet ihr Leben. Nie sah ich eine sol- che Färbung der Blätter, der Stauden! Auf den Gi- pfel der Hügel waren ganze Strecken, wo die Bäume noch in dem jugendlichsten Grün prangten, daneben Birkenwäldchen, deren Blätter in ihrem sanften, ein- fachen Gelb das Bedürfniß nach Ruhe, nach Schlaf im Erdenschoosse aussprachen. Sie hatten den lan- gen Sommer gelispelt in den sanften Lüften, gezit- tert bei ihrem Wehen, gerauscht im Sturme; nun wollten sie ruhen an der Mutter Brust. Dicht neben ihnen, zwischen ihnen, heben große, brennendrothe Gipfel ihr Haupt auf -- Thaue zitterten an den En- den ihrer Zweige, und wie das Auge sich bewegte, malte sich der Iris Bild tausendfach in dem klaren Spiegel. Und dann am Fuße des Hügels kleine Wiesenstücke, deren smaragdenes Grün einen neuen Frühling hinzauberte, indeß das sanftgefärbte Col- chicum mit seinem bedeutenden deutschen Namen sie mir zu einem Sinnbild machte, daß in diesem an- scheinenden Todesgepräng der Natur nur ewig wiederkehrendes Leben gefeiert sey.
Leset in irgend einer Reisebeschreibung die Namen der Orte und wie sie einander folgen, St. Quar und
ſterben laſſen, wie der Gottbegeiſterte Oedipus im Heiligthum der Eumeniden ſtirbt. Mit dem reich- ſten Feierkleide geſchmuͤckt, mit Jugendgluth um- geben, entſchwindet ihr Leben. Nie ſah ich eine ſol- che Faͤrbung der Blaͤtter, der Stauden! Auf den Gi- pfel der Huͤgel waren ganze Strecken, wo die Baͤume noch in dem jugendlichſten Gruͤn prangten, daneben Birkenwaͤldchen, deren Blaͤtter in ihrem ſanften, ein- fachen Gelb das Beduͤrfniß nach Ruhe, nach Schlaf im Erdenſchooſſe ausſprachen. Sie hatten den lan- gen Sommer geliſpelt in den ſanften Luͤften, gezit- tert bei ihrem Wehen, gerauſcht im Sturme; nun wollten ſie ruhen an der Mutter Bruſt. Dicht neben ihnen, zwiſchen ihnen, heben große, brennendrothe Gipfel ihr Haupt auf — Thaue zitterten an den En- den ihrer Zweige, und wie das Auge ſich bewegte, malte ſich der Iris Bild tauſendfach in dem klaren Spiegel. Und dann am Fuße des Huͤgels kleine Wieſenſtuͤcke, deren ſmaragdenes Gruͤn einen neuen Fruͤhling hinzauberte, indeß das ſanftgefaͤrbte Col- chicum mit ſeinem bedeutenden deutſchen Namen ſie mir zu einem Sinnbild machte, daß in dieſem an- ſcheinenden Todesgepraͤng der Natur nur ewig wiederkehrendes Leben gefeiert ſey.
Leſet in irgend einer Reiſebeſchreibung die Namen der Orte und wie ſie einander folgen, St. Quar und
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ſterben laſſen, wie der Gottbegeiſterte Oedipus im
Heiligthum der Eumeniden ſtirbt. Mit dem reich-
ſten Feierkleide geſchmuͤckt, mit Jugendgluth um-
geben, entſchwindet ihr Leben. Nie ſah ich eine ſol-
che Faͤrbung der Blaͤtter, der Stauden! Auf den Gi-
pfel der Huͤgel waren ganze Strecken, wo die Baͤume
noch in dem jugendlichſten Gruͤn prangten, daneben
Birkenwaͤldchen, deren Blaͤtter in ihrem ſanften, ein-
fachen Gelb das Beduͤrfniß nach Ruhe, nach Schlaf
im Erdenſchooſſe ausſprachen. Sie hatten den lan-
gen Sommer geliſpelt in den ſanften Luͤften, gezit-
tert bei ihrem Wehen, gerauſcht im Sturme; nun
wollten ſie ruhen an der Mutter Bruſt. Dicht neben
ihnen, zwiſchen ihnen, heben große, brennendrothe
Gipfel ihr Haupt auf — Thaue zitterten an den En-
den ihrer Zweige, und wie das Auge ſich bewegte,
malte ſich der Iris Bild tauſendfach in dem klaren
Spiegel. Und dann am Fuße des Huͤgels kleine
Wieſenſtuͤcke, deren ſmaragdenes Gruͤn einen neuen
Fruͤhling hinzauberte, indeß das ſanftgefaͤrbte Col-
chicum mit ſeinem bedeutenden deutſchen Namen ſie
mir zu einem Sinnbild machte, daß in dieſem an-
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wiederkehrendes Leben gefeiert ſey.
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/408>, abgerufen am 28.11.2024.
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