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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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sich vor ihr dahin gerettet hatten, riefen ihrem
Heldenmuthe Beifall zu, indeß sie, unbekümmert
über den Ruhm ihrer That, der Mutter einen er-
träglichen Sitz zu machen suchte, und dann schwei-
gend den Hügel hinab in die Fluth zurück eilte.
Alles rief ihr zu, daß der Tod ihrer harre -- sie
deutete auf einen Damm, wo eine benachbarte Da-
me, mit der das fromme Mädchen weiter in keiner
Verbindung stand, sich mit ihren zwei Kindern
hingerettet hatte, und nun von einem Augenblick
zum andern von dem wach senden Wasser verschlun-
gen zu werden bedroht war. "Die will ich ret-
ten," rief Johanna, und strebte durch die Fluth.
Sie gelangte zu der verzweifelnden Mutter, aber
weiter vermochte ihr Muth nichts. -- Die Wogen
waren von Moment zu Moment gestiegen, die
Rückkehr, die Rettung war unmöglich. Sie be-
spülten schon den Boden, der die Todesopfer trug.
Die elende Mutter sah schaudernd in das nahende
Verderben, sah verzweifelnd auf ihre Hülfe flehen-
den Kinder, schlang ihr Gewand um beide, und
stürzte sich mit ihnen in die Fluth. Nun stand Jo-
hanna, die diese Scene schweigend mit angesehen
hatte, allein; man sah sie von der nahen Höhe,
wohin sie ihre Mutter gerettet hatte, still ihre ge-

ſich vor ihr dahin gerettet hatten, riefen ihrem
Heldenmuthe Beifall zu, indeß ſie, unbekuͤmmert
uͤber den Ruhm ihrer That, der Mutter einen er-
traͤglichen Sitz zu machen ſuchte, und dann ſchwei-
gend den Huͤgel hinab in die Fluth zuruͤck eilte.
Alles rief ihr zu, daß der Tod ihrer harre — ſie
deutete auf einen Damm, wo eine benachbarte Da-
me, mit der das fromme Maͤdchen weiter in keiner
Verbindung ſtand, ſich mit ihren zwei Kindern
hingerettet hatte, und nun von einem Augenblick
zum andern von dem wach ſenden Waſſer verſchlun-
gen zu werden bedroht war. „Die will ich ret-
ten,“ rief Johanna, und ſtrebte durch die Fluth.
Sie gelangte zu der verzweifelnden Mutter, aber
weiter vermochte ihr Muth nichts. — Die Wogen
waren von Moment zu Moment geſtiegen, die
Ruͤckkehr, die Rettung war unmoͤglich. Sie be-
ſpuͤlten ſchon den Boden, der die Todesopfer trug.
Die elende Mutter ſah ſchaudernd in das nahende
Verderben, ſah verzweifelnd auf ihre Huͤlfe flehen-
den Kinder, ſchlang ihr Gewand um beide, und
ſtuͤrzte ſich mit ihnen in die Fluth. Nun ſtand Jo-
hanna, die dieſe Scene ſchweigend mit angeſehen
hatte, allein; man ſah ſie von der nahen Hoͤhe,
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[386/0400] ſich vor ihr dahin gerettet hatten, riefen ihrem Heldenmuthe Beifall zu, indeß ſie, unbekuͤmmert uͤber den Ruhm ihrer That, der Mutter einen er- traͤglichen Sitz zu machen ſuchte, und dann ſchwei- gend den Huͤgel hinab in die Fluth zuruͤck eilte. Alles rief ihr zu, daß der Tod ihrer harre — ſie deutete auf einen Damm, wo eine benachbarte Da- me, mit der das fromme Maͤdchen weiter in keiner Verbindung ſtand, ſich mit ihren zwei Kindern hingerettet hatte, und nun von einem Augenblick zum andern von dem wach ſenden Waſſer verſchlun- gen zu werden bedroht war. „Die will ich ret- ten,“ rief Johanna, und ſtrebte durch die Fluth. Sie gelangte zu der verzweifelnden Mutter, aber weiter vermochte ihr Muth nichts. — Die Wogen waren von Moment zu Moment geſtiegen, die Ruͤckkehr, die Rettung war unmoͤglich. Sie be- ſpuͤlten ſchon den Boden, der die Todesopfer trug. Die elende Mutter ſah ſchaudernd in das nahende Verderben, ſah verzweifelnd auf ihre Huͤlfe flehen- den Kinder, ſchlang ihr Gewand um beide, und ſtuͤrzte ſich mit ihnen in die Fluth. Nun ſtand Jo- hanna, die dieſe Scene ſchweigend mit angeſehen hatte, allein; man ſah ſie von der nahen Hoͤhe, wohin ſie ihre Mutter gerettet hatte, ſtill ihre ge-

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/400>, abgerufen am 24.11.2024.