Zeit nach seinem Tode, daß die Geschichte schon Zeit hatte, über ihn zu richten. Mir däucht, dieser Zeitraum spricht wenigstens so wahr, wie die hun- dert Jahre, die zwischen dem Tod und der Heilig- sprechung nach päpstlichem Ausspruch verflossen seyn müssen. Die Kirche ist ein schönes, großes Gebäude. Kahl, wie alle protestantische Kirchen, und eben so mit gemeinen Stühlen zum gemeinen Sitzort verstellt. Das große Chor ist durch ein Git- ter abgesondert, der Boden deckt lauter Grabge- wölbe, an den Mauern sind verschiedene Denk- mäler und in der Mitte befindet sich Wilhelms von Oranien Grabmal. Auf dem ersten Blick scheint es ein Tempel in dem Tempel. Es ruht in Ge- stalt eines länglichen Vierecks auf porphirnen Säu- len, die auf einen grau marmornen Grundstein gesetzt sind, und hat ein grau und weiß marmornes Gesims. An den vier abgestumpften Ecken stehen, zwischen zweien Säulen ziemlich unbequem einge- engt, vier bronzene Statüen von gleicher Höhe, wie die Säulen, vier christliche Tugenden vorstel- lend; an den vier Seiten des Gesimses, so wie auf dem Dom, befinden sich viel Genien und Basre- liefs, recht angenehm angebracht, aber sehr ent- behrlich für den Eindruck des Ganzen, oder ihn
Zeit nach ſeinem Tode, daß die Geſchichte ſchon Zeit hatte, uͤber ihn zu richten. Mir daͤucht, dieſer Zeitraum ſpricht wenigſtens ſo wahr, wie die hun- dert Jahre, die zwiſchen dem Tod und der Heilig- ſprechung nach paͤpſtlichem Ausſpruch verfloſſen ſeyn muͤſſen. Die Kirche iſt ein ſchoͤnes, großes Gebaͤude. Kahl, wie alle proteſtantiſche Kirchen, und eben ſo mit gemeinen Stuͤhlen zum gemeinen Sitzort verſtellt. Das große Chor iſt durch ein Git- ter abgeſondert, der Boden deckt lauter Grabge- woͤlbe, an den Mauern ſind verſchiedene Denk- maͤler und in der Mitte befindet ſich Wilhelms von Oranien Grabmal. Auf dem erſten Blick ſcheint es ein Tempel in dem Tempel. Es ruht in Ge- ſtalt eines laͤnglichen Vierecks auf porphirnen Saͤu- len, die auf einen grau marmornen Grundſtein geſetzt ſind, und hat ein grau und weiß marmornes Geſims. An den vier abgeſtumpften Ecken ſtehen, zwiſchen zweien Saͤulen ziemlich unbequem einge- engt, vier bronzene Statuͤen von gleicher Hoͤhe, wie die Saͤulen, vier chriſtliche Tugenden vorſtel- lend; an den vier Seiten des Geſimſes, ſo wie auf dem Dom, befinden ſich viel Genien und Basre- liefs, recht angenehm angebracht, aber ſehr ent- behrlich fuͤr den Eindruck des Ganzen, oder ihn
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Zeit nach ſeinem Tode, daß die Geſchichte ſchon Zeit
hatte, uͤber ihn zu richten. Mir daͤucht, dieſer
Zeitraum ſpricht wenigſtens ſo wahr, wie die hun-
dert Jahre, die zwiſchen dem Tod und der Heilig-
ſprechung nach paͤpſtlichem Ausſpruch verfloſſen
ſeyn muͤſſen. Die Kirche iſt ein ſchoͤnes, großes
Gebaͤude. Kahl, wie alle proteſtantiſche Kirchen,
und eben ſo mit gemeinen Stuͤhlen zum gemeinen
Sitzort verſtellt. Das große Chor iſt durch ein Git-
ter abgeſondert, der Boden deckt lauter Grabge-
woͤlbe, an den Mauern ſind verſchiedene Denk-
maͤler und in der Mitte befindet ſich Wilhelms von
Oranien Grabmal. Auf dem erſten Blick ſcheint
es ein Tempel in dem Tempel. Es ruht in Ge-
ſtalt eines laͤnglichen Vierecks auf porphirnen Saͤu-
len, die auf einen grau marmornen Grundſtein
geſetzt ſind, und hat ein grau und weiß marmornes
Geſims. An den vier abgeſtumpften Ecken ſtehen,
zwiſchen zweien Saͤulen ziemlich unbequem einge-
engt, vier bronzene Statuͤen von gleicher Hoͤhe,
wie die Saͤulen, vier chriſtliche Tugenden vorſtel-
lend; an den vier Seiten des Geſimſes, ſo wie auf
dem Dom, befinden ſich viel Genien und Basre-
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/368>, abgerufen am 24.11.2024.
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