Absicht, und wollen vielmehr ihrem Schmerz ein Denkmal setzen, als dem Todten. Mehr als ein- mal sah ich Denkmale, deren Erfindung edel und einfach zur Seele sprach, aber die Inschrift zog mich sogleich von den Höhen der Poesie wieder in das schwüle Erdenleben, und statt der Seele ins Empiräum zu folgen, bannte sie mich unter die Vettern und Baasen des Todten. -- Noch vor wenig Tagen sah ich den Entwurf eines Grab- steins für zween, in der Blüthe des Lebens gestor- bene Schwestern. Es war ein einfacher stehen- der Stein, ganz antik geformt, oben eine Verzie- rung von Mohnhäuptern, darunter zwei Sterne -- das Bild der Dioskuren, und dann Raum zur In- schrift. Wie besänftigend, wie erhebend! der Mohn, als wahrstes Bild des Todes, diese Ster- ne, das edelste Bild von den Todten, und für die Lebenden! -- Setzte man nun die Namen der Entschlafenen darunter, und deutete an, wer die- sen Stein ihnen weihte -- wie rührend für jedes Auge, das auf diesem Denkmal ruhte! Aber da soll nun mit vielen Worten stehen, wie, wer, und warum ein jeder Antheil an diesem Denkmal hat mit Namen und Karakter. Und ists nicht natür- lich? -- was bedarf denn eines Denkmahls, als
Abſicht, und wollen vielmehr ihrem Schmerz ein Denkmal ſetzen, als dem Todten. Mehr als ein- mal ſah ich Denkmale, deren Erfindung edel und einfach zur Seele ſprach, aber die Inſchrift zog mich ſogleich von den Hoͤhen der Poeſie wieder in das ſchwuͤle Erdenleben, und ſtatt der Seele ins Empiraͤum zu folgen, bannte ſie mich unter die Vettern und Baaſen des Todten. — Noch vor wenig Tagen ſah ich den Entwurf eines Grab- ſteins fuͤr zween, in der Bluͤthe des Lebens geſtor- bene Schweſtern. Es war ein einfacher ſtehen- der Stein, ganz antik geformt, oben eine Verzie- rung von Mohnhaͤuptern, darunter zwei Sterne — das Bild der Dioskuren, und dann Raum zur In- ſchrift. Wie beſaͤnftigend, wie erhebend! der Mohn, als wahrſtes Bild des Todes, dieſe Ster- ne, das edelſte Bild von den Todten, und fuͤr die Lebenden! — Setzte man nun die Namen der Entſchlafenen darunter, und deutete an, wer die- ſen Stein ihnen weihte — wie ruͤhrend fuͤr jedes Auge, das auf dieſem Denkmal ruhte! Aber da ſoll nun mit vielen Worten ſtehen, wie, wer, und warum ein jeder Antheil an dieſem Denkmal hat mit Namen und Karakter. Und iſts nicht natuͤr- lich? — was bedarf denn eines Denkmahls, als
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Abſicht, und wollen vielmehr ihrem Schmerz ein
Denkmal ſetzen, als dem Todten. Mehr als ein-
mal ſah ich Denkmale, deren Erfindung edel und
einfach zur Seele ſprach, aber die Inſchrift zog
mich ſogleich von den Hoͤhen der Poeſie wieder in
das ſchwuͤle Erdenleben, und ſtatt der Seele ins
Empiraͤum zu folgen, bannte ſie mich unter die
Vettern und Baaſen des Todten. — Noch vor
wenig Tagen ſah ich den Entwurf eines Grab-
ſteins fuͤr zween, in der Bluͤthe des Lebens geſtor-
bene Schweſtern. Es war ein einfacher ſtehen-
der Stein, ganz antik geformt, oben eine Verzie-
rung von Mohnhaͤuptern, darunter zwei Sterne —
das Bild der Dioskuren, und dann Raum zur In-
ſchrift. Wie beſaͤnftigend, wie erhebend! der
Mohn, als wahrſtes Bild des Todes, dieſe Ster-
ne, das edelſte Bild von den Todten, und fuͤr die
Lebenden! — Setzte man nun die Namen der
Entſchlafenen darunter, und deutete an, wer die-
ſen Stein ihnen weihte — wie ruͤhrend fuͤr jedes
Auge, das auf dieſem Denkmal ruhte! Aber da
ſoll nun mit vielen Worten ſtehen, wie, wer, und
warum ein jeder Antheil an dieſem Denkmal hat
mit Namen und Karakter. Und iſts nicht natuͤr-
lich? — was bedarf denn eines Denkmahls, als
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/366>, abgerufen am 24.11.2024.
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