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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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bel des Kriegers, der zuerst die Mauer erstieg,
zeigt den Helm des Anführers, den der feindliche
Hieb spaltete, nennt den Namen vor dem Volke,
und ist sein Enkel und der letzte seines Namens in
der Versammlung, so mögen aller Augen ihn su-
chen, und er mag um sich blicken und ahnden:
das thät ich auch. Auch die Weiber unsers
Jahrzehends sind noch die Mütter von Helden.
Kämpften, bluteten denn nicht die Einzelnen alle,
geweiht der Pflicht und dem Tode, wie die Män-
ner der Vergangenheit es thaten? Lehret ihnen den
großen Namen wieder, der ihr Blut fordert --
sie werden ihn verstehen -- so wie ihre Väter
ihn verstanden.

Oudewater wird hier für ein ärmliches Städt-
chen gehalten, wirklich hat es auch nicht das
wohlhabende Ansehen von einigen andern gleicher
Größe, aber dennoch eine große Kirche, einen
Markt mit hohen unverstümmelten Buchen be-
pflanzt, und ein paar Straßen von niedlichen
freundlichen Häusern gebildet. Ich besuchte hier
zufällig einen Advokaten, mit dem mein Freund
* * in Geschäftsverhältnissen steht, ein Mensch,
der auch ein kleines Stadtamt bekleidete, und sein
Haus, so wie das eines Arztes in dem benachbar-

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bel des Kriegers, der zuerſt die Mauer erſtieg,
zeigt den Helm des Anfuͤhrers, den der feindliche
Hieb ſpaltete, nennt den Namen vor dem Volke,
und iſt ſein Enkel und der letzte ſeines Namens in
der Verſammlung, ſo moͤgen aller Augen ihn ſu-
chen, und er mag um ſich blicken und ahnden:
das thaͤt ich auch. Auch die Weiber unſers
Jahrzehends ſind noch die Muͤtter von Helden.
Kaͤmpften, bluteten denn nicht die Einzelnen alle,
geweiht der Pflicht und dem Tode, wie die Maͤn-
ner der Vergangenheit es thaten? Lehret ihnen den
großen Namen wieder, der ihr Blut fordert —
ſie werden ihn verſtehen — ſo wie ihre Vaͤter
ihn verſtanden.

Oudewater wird hier fuͤr ein aͤrmliches Staͤdt-
chen gehalten, wirklich hat es auch nicht das
wohlhabende Anſehen von einigen andern gleicher
Groͤße, aber dennoch eine große Kirche, einen
Markt mit hohen unverſtuͤmmelten Buchen be-
pflanzt, und ein paar Straßen von niedlichen
freundlichen Haͤuſern gebildet. Ich beſuchte hier
zufaͤllig einen Advokaten, mit dem mein Freund
* * in Geſchaͤftsverhaͤltniſſen ſteht, ein Menſch,
der auch ein kleines Stadtamt bekleidete, und ſein
Haus, ſo wie das eines Arztes in dem benachbar-

S 2
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[275/0289] bel des Kriegers, der zuerſt die Mauer erſtieg, zeigt den Helm des Anfuͤhrers, den der feindliche Hieb ſpaltete, nennt den Namen vor dem Volke, und iſt ſein Enkel und der letzte ſeines Namens in der Verſammlung, ſo moͤgen aller Augen ihn ſu- chen, und er mag um ſich blicken und ahnden: das thaͤt ich auch. Auch die Weiber unſers Jahrzehends ſind noch die Muͤtter von Helden. Kaͤmpften, bluteten denn nicht die Einzelnen alle, geweiht der Pflicht und dem Tode, wie die Maͤn- ner der Vergangenheit es thaten? Lehret ihnen den großen Namen wieder, der ihr Blut fordert — ſie werden ihn verſtehen — ſo wie ihre Vaͤter ihn verſtanden. Oudewater wird hier fuͤr ein aͤrmliches Staͤdt- chen gehalten, wirklich hat es auch nicht das wohlhabende Anſehen von einigen andern gleicher Groͤße, aber dennoch eine große Kirche, einen Markt mit hohen unverſtuͤmmelten Buchen be- pflanzt, und ein paar Straßen von niedlichen freundlichen Haͤuſern gebildet. Ich beſuchte hier zufaͤllig einen Advokaten, mit dem mein Freund * * in Geſchaͤftsverhaͤltniſſen ſteht, ein Menſch, der auch ein kleines Stadtamt bekleidete, und ſein Haus, ſo wie das eines Arztes in dem benachbar- S 2

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/289>, abgerufen am 24.11.2024.