Aufgangs zu sehen? so habt ihr sehr recht, denn das Ideal fehlt mir noch. -- Wahrlich ohne den Krieg könnte das weniger Ueberredung bedürfen, so machte ich einen Abstecher nach den Pelew-In- seln -- wohin ich wahrscheinlich auch zu spät käm, um eine Unschuldswelt da zu finden, denn fänd' ich sie nicht
Alle an Schwachheit sich gleich, Alle dem Tode geweiht? --
Doch in welche Ordnung reihe ich diese ver- schiednen Grade der Kultur, die ich sah? Vielleicht wüßte das ein Klügerer besser zu entscheiden, wie ich. Mir haben die verschiedenen Ziele, die man der Menschheit gesetzt hat, das Urtheilen benom- men. Heißt das Zeit-Beschränktheit, oder Ent- wickelung? Hat Rousseau oder Condorcet recht? -- Auf alle Fälle sind wir von der Herrlichkeit der Waldmenschen so weit entfernt, daß wir förder- samst wohl lieber nach dem Andern streben müs- sen. Also ists Entwickelung? aber freilich wohl eine Entwickelung, die uns wieder zu dem Wald- menschen zurückführte -- nämlich zu seinem Ideal, das ins goldne Zeitalter gehört. Großer Gott! dürfen wir hoffen den Kreis zu beschließen? Vor
Aufgangs zu ſehen? ſo habt ihr ſehr recht, denn das Ideal fehlt mir noch. — Wahrlich ohne den Krieg koͤnnte das weniger Ueberredung beduͤrfen, ſo machte ich einen Abſtecher nach den Pelew-In- ſeln — wohin ich wahrſcheinlich auch zu ſpaͤt kaͤm, um eine Unſchuldswelt da zu finden, denn faͤnd’ ich ſie nicht
Alle an Schwachheit ſich gleich, Alle dem Tode geweiht? —
Doch in welche Ordnung reihe ich dieſe ver- ſchiednen Grade der Kultur, die ich ſah? Vielleicht wuͤßte das ein Kluͤgerer beſſer zu entſcheiden, wie ich. Mir haben die verſchiedenen Ziele, die man der Menſchheit geſetzt hat, das Urtheilen benom- men. Heißt das Zeit-Beſchraͤnktheit, oder Ent- wickelung? Hat Rouſſeau oder Condorcet recht? — Auf alle Faͤlle ſind wir von der Herrlichkeit der Waldmenſchen ſo weit entfernt, daß wir foͤrder- ſamſt wohl lieber nach dem Andern ſtreben muͤſ- ſen. Alſo iſts Entwickelung? aber freilich wohl eine Entwickelung, die uns wieder zu dem Wald- menſchen zuruͤckfuͤhrte — naͤmlich zu ſeinem Ideal, das ins goldne Zeitalter gehoͤrt. Großer Gott! duͤrfen wir hoffen den Kreis zu beſchließen? Vor
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Aufgangs zu ſehen? ſo habt ihr ſehr recht, denn
das Ideal fehlt mir noch. — Wahrlich ohne den
Krieg koͤnnte das weniger Ueberredung beduͤrfen,
ſo machte ich einen Abſtecher nach den Pelew-In-
ſeln — wohin ich wahrſcheinlich auch zu ſpaͤt kaͤm,
um eine Unſchuldswelt da zu finden, denn faͤnd’
ich ſie nicht
Alle an Schwachheit ſich gleich,
Alle dem Tode geweiht? —
Doch in welche Ordnung reihe ich dieſe ver-
ſchiednen Grade der Kultur, die ich ſah? Vielleicht
wuͤßte das ein Kluͤgerer beſſer zu entſcheiden, wie
ich. Mir haben die verſchiedenen Ziele, die man
der Menſchheit geſetzt hat, das Urtheilen benom-
men. Heißt das Zeit-Beſchraͤnktheit, oder Ent-
wickelung? Hat Rouſſeau oder Condorcet recht? —
Auf alle Faͤlle ſind wir von der Herrlichkeit der
Waldmenſchen ſo weit entfernt, daß wir foͤrder-
ſamſt wohl lieber nach dem Andern ſtreben muͤſ-
ſen. Alſo iſts Entwickelung? aber freilich wohl
eine Entwickelung, die uns wieder zu dem Wald-
menſchen zuruͤckfuͤhrte — naͤmlich zu ſeinem Ideal,
das ins goldne Zeitalter gehoͤrt. Großer Gott!
duͤrfen wir hoffen den Kreis zu beſchließen? Vor
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/269>, abgerufen am 24.11.2024.
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