ser, aber doch sehr schlecht war. Es ist ein mat- tes, geistloses Getränk. Ja geistlos! mögen doch die Weintrinker lachen! Wer unter einem Kranz hoher Kastanien im heiligen Dunkel ihres Laubes, aus sechs starken Röhren das perlende Wasser in das große Steinbecken stürzen zu sehen gewohnt war, wie dann die Sonne hie und da einen Spalt fand, um auf den hellen Kristall die Farben des Regenbogens zu mahlen, und alles rund umher Leben athmete in dem feuchten Duft -- der ge- noß mit langen Zügen das Geistige eines lebendi- gen Quells.
Daß die Winterkälte in diesen Gegenden einen ganz andern Karakter als bei uns haben muß, be- merkte ich schon bei andern Gelegenheiten. Die Kanäle frieren hier zwar alle Winter zu, so, daß der Wassertransport gewisse Monate im Jahr ganz aufgehoben ist, und dennoch erfrieren die so häufig an den Landhäusern gepflanzten Weinreben nicht, deren Holz vier bis sechs Zoll im Durchmesser hat. An den Bauerhütten, denen es selten an dieser lieblichen Zierde fehlt, trägt der Weinstock keine Früchte, er wird aber auch gar nicht vor dem Fro- ste geschützt. In B. ward er im Winter einge- bunden, soll auch in andern Jahren recht eßbare
ſer, aber doch ſehr ſchlecht war. Es iſt ein mat- tes, geiſtloſes Getraͤnk. Ja geiſtlos! moͤgen doch die Weintrinker lachen! Wer unter einem Kranz hoher Kaſtanien im heiligen Dunkel ihres Laubes, aus ſechs ſtarken Roͤhren das perlende Waſſer in das große Steinbecken ſtuͤrzen zu ſehen gewohnt war, wie dann die Sonne hie und da einen Spalt fand, um auf den hellen Kriſtall die Farben des Regenbogens zu mahlen, und alles rund umher Leben athmete in dem feuchten Duft — der ge- noß mit langen Zuͤgen das Geiſtige eines lebendi- gen Quells.
Daß die Winterkaͤlte in dieſen Gegenden einen ganz andern Karakter als bei uns haben muß, be- merkte ich ſchon bei andern Gelegenheiten. Die Kanaͤle frieren hier zwar alle Winter zu, ſo, daß der Waſſertransport gewiſſe Monate im Jahr ganz aufgehoben iſt, und dennoch erfrieren die ſo haͤufig an den Landhaͤuſern gepflanzten Weinreben nicht, deren Holz vier bis ſechs Zoll im Durchmeſſer hat. An den Bauerhuͤtten, denen es ſelten an dieſer lieblichen Zierde fehlt, traͤgt der Weinſtock keine Fruͤchte, er wird aber auch gar nicht vor dem Fro- ſte geſchuͤtzt. In B. ward er im Winter einge- bunden, ſoll auch in andern Jahren recht eßbare
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0248"n="234"/>ſer, aber doch ſehr ſchlecht war. Es iſt ein mat-<lb/>
tes, geiſtloſes Getraͤnk. Ja geiſtlos! moͤgen doch<lb/>
die Weintrinker lachen! Wer unter einem Kranz<lb/>
hoher Kaſtanien im heiligen Dunkel ihres Laubes,<lb/>
aus ſechs ſtarken Roͤhren das perlende Waſſer in<lb/>
das große Steinbecken ſtuͤrzen zu ſehen gewohnt<lb/>
war, wie dann die Sonne hie und da einen Spalt<lb/>
fand, um auf den hellen Kriſtall die Farben des<lb/>
Regenbogens zu mahlen, und alles rund umher<lb/>
Leben athmete in dem feuchten Duft — der ge-<lb/>
noß mit langen Zuͤgen das Geiſtige eines lebendi-<lb/>
gen Quells.</p><lb/><p>Daß die Winterkaͤlte in dieſen Gegenden einen<lb/>
ganz andern Karakter als bei <choice><sic>uus</sic><corr>uns</corr></choice> haben muß, be-<lb/>
merkte ich ſchon bei andern Gelegenheiten. Die<lb/>
Kanaͤle frieren hier zwar alle Winter zu, ſo, daß<lb/>
der Waſſertransport gewiſſe Monate im Jahr ganz<lb/>
aufgehoben iſt, und dennoch erfrieren die ſo haͤufig<lb/>
an den Landhaͤuſern gepflanzten Weinreben nicht,<lb/>
deren Holz vier bis ſechs Zoll im Durchmeſſer hat.<lb/>
An den Bauerhuͤtten, denen es ſelten an dieſer<lb/>
lieblichen Zierde fehlt, traͤgt der Weinſtock keine<lb/>
Fruͤchte, er wird aber auch gar nicht vor dem Fro-<lb/>ſte geſchuͤtzt. In B. ward er im Winter einge-<lb/>
bunden, ſoll auch in andern Jahren recht eßbare<lb/></p></div></body></text></TEI>
[234/0248]
ſer, aber doch ſehr ſchlecht war. Es iſt ein mat-
tes, geiſtloſes Getraͤnk. Ja geiſtlos! moͤgen doch
die Weintrinker lachen! Wer unter einem Kranz
hoher Kaſtanien im heiligen Dunkel ihres Laubes,
aus ſechs ſtarken Roͤhren das perlende Waſſer in
das große Steinbecken ſtuͤrzen zu ſehen gewohnt
war, wie dann die Sonne hie und da einen Spalt
fand, um auf den hellen Kriſtall die Farben des
Regenbogens zu mahlen, und alles rund umher
Leben athmete in dem feuchten Duft — der ge-
noß mit langen Zuͤgen das Geiſtige eines lebendi-
gen Quells.
Daß die Winterkaͤlte in dieſen Gegenden einen
ganz andern Karakter als bei uns haben muß, be-
merkte ich ſchon bei andern Gelegenheiten. Die
Kanaͤle frieren hier zwar alle Winter zu, ſo, daß
der Waſſertransport gewiſſe Monate im Jahr ganz
aufgehoben iſt, und dennoch erfrieren die ſo haͤufig
an den Landhaͤuſern gepflanzten Weinreben nicht,
deren Holz vier bis ſechs Zoll im Durchmeſſer hat.
An den Bauerhuͤtten, denen es ſelten an dieſer
lieblichen Zierde fehlt, traͤgt der Weinſtock keine
Fruͤchte, er wird aber auch gar nicht vor dem Fro-
ſte geſchuͤtzt. In B. ward er im Winter einge-
bunden, ſoll auch in andern Jahren recht eßbare
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/248>, abgerufen am 11.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.