Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

ist so erdrosselt, daß man denken sollte, der Au-
tor habe es nicht niedergeschrieben, sondern so,
wie die Schauspieler, gleich abgekreischt -- ge-
blökt ist der derb plattdeutsche Ausdruck -- da
ihm dann bei der letzten Scene der Odem gefehlt
habe. Im Winter ist auch italiänische Oper hier,
ich habe aber nichts von ihr erfahren, denn über
diesen Gegenstand wird man selten durch Fragen
klug. Die Antworten enthalten selten eine Dar-
stellung, sondern ein, durch die Laune des Augen-
blicks bestimmtes Urtheil.

Ein Spatziergang, für den man mich sehr aus-
lachte, weil er gar nicht glänzend war, für den
ich aber meinem Führer vielen Dank wußte, mach-
te ich einen Sonntag Abend vor dem Leidner Tho-
re, links in die Gärten hinein. Es war ein sanf-
ter, ein Bischen umwölkter Himmel, eine Luft,
eine Erleuchtung, die ich für die Sonntagabende
recht gerne habe, es drückt alles den Sabbat, den
Ruhetag aus. Ich ging neben Kanälen und
Windmühlen und bürgerlich bescheidenen Gärt-
chen, wo man in der Beschränktheit der Mittel
zum Genuß, noch Wahrheit im Genusse erwar-
ten konnte. Ueberall ist ein Ueberfluß an Bäu-
men und Büschen, und dazwischen immer Plätz-

iſt ſo erdroſſelt, daß man denken ſollte, der Au-
tor habe es nicht niedergeſchrieben, ſondern ſo,
wie die Schauſpieler, gleich abgekreiſcht — ge-
bloͤkt iſt der derb plattdeutſche Ausdruck — da
ihm dann bei der letzten Scene der Odem gefehlt
habe. Im Winter iſt auch italiaͤniſche Oper hier,
ich habe aber nichts von ihr erfahren, denn uͤber
dieſen Gegenſtand wird man ſelten durch Fragen
klug. Die Antworten enthalten ſelten eine Dar-
ſtellung, ſondern ein, durch die Laune des Augen-
blicks beſtimmtes Urtheil.

Ein Spatziergang, fuͤr den man mich ſehr aus-
lachte, weil er gar nicht glaͤnzend war, fuͤr den
ich aber meinem Fuͤhrer vielen Dank wußte, mach-
te ich einen Sonntag Abend vor dem Leidner Tho-
re, links in die Gaͤrten hinein. Es war ein ſanf-
ter, ein Bischen umwoͤlkter Himmel, eine Luft,
eine Erleuchtung, die ich fuͤr die Sonntagabende
recht gerne habe, es druͤckt alles den Sabbat, den
Ruhetag aus. Ich ging neben Kanaͤlen und
Windmuͤhlen und buͤrgerlich beſcheidenen Gaͤrt-
chen, wo man in der Beſchraͤnktheit der Mittel
zum Genuß, noch Wahrheit im Genuſſe erwar-
ten konnte. Ueberall iſt ein Ueberfluß an Baͤu-
men und Buͤſchen, und dazwiſchen immer Plaͤtz-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0235" n="221"/>
i&#x017F;t &#x017F;o erdro&#x017F;&#x017F;elt, daß man denken &#x017F;ollte, der Au-<lb/>
tor habe es nicht niederge&#x017F;chrieben, &#x017F;ondern &#x017F;o,<lb/>
wie die Schau&#x017F;pieler, gleich abgekrei&#x017F;cht &#x2014; ge-<lb/>
blo&#x0364;kt i&#x017F;t der derb plattdeut&#x017F;che Ausdruck &#x2014; da<lb/>
ihm dann bei der letzten Scene der Odem gefehlt<lb/>
habe. Im Winter i&#x017F;t auch italia&#x0364;ni&#x017F;che Oper hier,<lb/>
ich habe aber nichts von ihr erfahren, denn u&#x0364;ber<lb/>
die&#x017F;en Gegen&#x017F;tand wird man &#x017F;elten durch Fragen<lb/>
klug. Die Antworten enthalten &#x017F;elten eine Dar-<lb/>
&#x017F;tellung, &#x017F;ondern ein, durch die Laune des Augen-<lb/>
blicks be&#x017F;timmtes Urtheil.</p><lb/>
        <p>Ein Spatziergang, fu&#x0364;r den man mich &#x017F;ehr aus-<lb/>
lachte, weil er gar nicht gla&#x0364;nzend war, fu&#x0364;r den<lb/>
ich aber meinem Fu&#x0364;hrer vielen Dank wußte, mach-<lb/>
te ich einen Sonntag Abend vor dem Leidner Tho-<lb/>
re, links in die Ga&#x0364;rten hinein. Es war ein &#x017F;anf-<lb/>
ter, ein Bischen umwo&#x0364;lkter Himmel, eine Luft,<lb/>
eine Erleuchtung, die ich fu&#x0364;r die Sonntagabende<lb/>
recht gerne habe, es dru&#x0364;ckt alles den Sabbat, den<lb/>
Ruhetag aus. Ich ging neben Kana&#x0364;len und<lb/>
Windmu&#x0364;hlen und bu&#x0364;rgerlich be&#x017F;cheidenen Ga&#x0364;rt-<lb/>
chen, wo man in der Be&#x017F;chra&#x0364;nktheit der Mittel<lb/>
zum Genuß, noch Wahrheit im Genu&#x017F;&#x017F;e erwar-<lb/>
ten konnte. Ueberall i&#x017F;t ein Ueberfluß an Ba&#x0364;u-<lb/>
men und Bu&#x0364;&#x017F;chen, und dazwi&#x017F;chen immer Pla&#x0364;tz-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0235] iſt ſo erdroſſelt, daß man denken ſollte, der Au- tor habe es nicht niedergeſchrieben, ſondern ſo, wie die Schauſpieler, gleich abgekreiſcht — ge- bloͤkt iſt der derb plattdeutſche Ausdruck — da ihm dann bei der letzten Scene der Odem gefehlt habe. Im Winter iſt auch italiaͤniſche Oper hier, ich habe aber nichts von ihr erfahren, denn uͤber dieſen Gegenſtand wird man ſelten durch Fragen klug. Die Antworten enthalten ſelten eine Dar- ſtellung, ſondern ein, durch die Laune des Augen- blicks beſtimmtes Urtheil. Ein Spatziergang, fuͤr den man mich ſehr aus- lachte, weil er gar nicht glaͤnzend war, fuͤr den ich aber meinem Fuͤhrer vielen Dank wußte, mach- te ich einen Sonntag Abend vor dem Leidner Tho- re, links in die Gaͤrten hinein. Es war ein ſanf- ter, ein Bischen umwoͤlkter Himmel, eine Luft, eine Erleuchtung, die ich fuͤr die Sonntagabende recht gerne habe, es druͤckt alles den Sabbat, den Ruhetag aus. Ich ging neben Kanaͤlen und Windmuͤhlen und buͤrgerlich beſcheidenen Gaͤrt- chen, wo man in der Beſchraͤnktheit der Mittel zum Genuß, noch Wahrheit im Genuſſe erwar- ten konnte. Ueberall iſt ein Ueberfluß an Baͤu- men und Buͤſchen, und dazwiſchen immer Plaͤtz-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/235
Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/235>, abgerufen am 04.12.2024.