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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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Dinge klagen, die mir die Anekdote der Französin
ins Gedächtniß rief, die in London bitterlich über
die Unmöglichkeit daselbst froh zu leben klagte, und
zum Beweise im geläufigen Pariser Ton ausrief:
es ist nicht erhört, wie weit der Engländer Bar-
barei geht! die gemeinsten Dinge wissen sie nicht
zu bezeichnen -- pour demander du pain ils Vous
disent: donnez moi du bread! du bread! grand
dieu quel peuple!
-- Der ehemalige Ruhm ihrer
hohen Schule ist den Utrechtern noch frisch im
Gedächtniß, sie halten die hiesigen Anstalten zur
vollen Ausbildung eines Jünglings für vollkom-
men hinlänglich, so daß ich junge Leute, die hier
geboren waren, von ihrer Bestimmung hier ihren
Vätern in ihrer gelehrten Laufbahn zu folgen, mit
der heitersten Zuversicht sprechen hörte, und auf
meine Frage: ob sie denn nicht eine auswärtige
Universität besuchen, nicht fremde Länder sehen
wollten? versicherten sie mir, daß Utrecht alles in
sich schlösse, was die Bildung eines Gelehrten an-
fange und vollende.

Ich hatte einen Moment von komischer Demü-
thigung für meinen deutschen Nationalstolz --
wie ich mit einem Utrechter über die Straße ging,
begegnete ich drei jungen Männern, deren ganzes

Dinge klagen, die mir die Anekdote der Franzoͤſin
ins Gedaͤchtniß rief, die in London bitterlich uͤber
die Unmoͤglichkeit daſelbſt froh zu leben klagte, und
zum Beweiſe im gelaͤufigen Pariſer Ton ausrief:
es iſt nicht erhoͤrt, wie weit der Englaͤnder Bar-
barei geht! die gemeinſten Dinge wiſſen ſie nicht
zu bezeichnen — pour demander du pain ils Vous
disent: donnez moi du bréad! du bréad! grand
dieu quel peuple!
— Der ehemalige Ruhm ihrer
hohen Schule iſt den Utrechtern noch friſch im
Gedaͤchtniß, ſie halten die hieſigen Anſtalten zur
vollen Ausbildung eines Juͤnglings fuͤr vollkom-
men hinlaͤnglich, ſo daß ich junge Leute, die hier
geboren waren, von ihrer Beſtimmung hier ihren
Vaͤtern in ihrer gelehrten Laufbahn zu folgen, mit
der heiterſten Zuverſicht ſprechen hoͤrte, und auf
meine Frage: ob ſie denn nicht eine auswaͤrtige
Univerſitaͤt beſuchen, nicht fremde Laͤnder ſehen
wollten? verſicherten ſie mir, daß Utrecht alles in
ſich ſchloͤſſe, was die Bildung eines Gelehrten an-
fange und vollende.

Ich hatte einen Moment von komiſcher Demuͤ-
thigung fuͤr meinen deutſchen Nationalſtolz —
wie ich mit einem Utrechter uͤber die Straße ging,
begegnete ich drei jungen Maͤnnern, deren ganzes

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[120/0134] Dinge klagen, die mir die Anekdote der Franzoͤſin ins Gedaͤchtniß rief, die in London bitterlich uͤber die Unmoͤglichkeit daſelbſt froh zu leben klagte, und zum Beweiſe im gelaͤufigen Pariſer Ton ausrief: es iſt nicht erhoͤrt, wie weit der Englaͤnder Bar- barei geht! die gemeinſten Dinge wiſſen ſie nicht zu bezeichnen — pour demander du pain ils Vous disent: donnez moi du bréad! du bréad! grand dieu quel peuple! — Der ehemalige Ruhm ihrer hohen Schule iſt den Utrechtern noch friſch im Gedaͤchtniß, ſie halten die hieſigen Anſtalten zur vollen Ausbildung eines Juͤnglings fuͤr vollkom- men hinlaͤnglich, ſo daß ich junge Leute, die hier geboren waren, von ihrer Beſtimmung hier ihren Vaͤtern in ihrer gelehrten Laufbahn zu folgen, mit der heiterſten Zuverſicht ſprechen hoͤrte, und auf meine Frage: ob ſie denn nicht eine auswaͤrtige Univerſitaͤt beſuchen, nicht fremde Laͤnder ſehen wollten? verſicherten ſie mir, daß Utrecht alles in ſich ſchloͤſſe, was die Bildung eines Gelehrten an- fange und vollende. Ich hatte einen Moment von komiſcher Demuͤ- thigung fuͤr meinen deutſchen Nationalſtolz — wie ich mit einem Utrechter uͤber die Straße ging, begegnete ich drei jungen Maͤnnern, deren ganzes

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/134>, abgerufen am 24.11.2024.