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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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Die Professoren scheinen mir nicht so scharf
von den übrigen Ständen getrenut, wie auf deut-
schen Universitäten, besonders in kleinen Städten.
Das mag zum Theil daher kommen, daß der Pro-
fessor im Freistaat auch aktiver Bürger bleibt, noch
mehr, daß die Gelehrsamkeit nicht blos den Pro-
fessoren überlassen, sondern durch alle Stände ver-
breitet ist. Der Adel, der Handelstand, die Kir-
chenlehrer zählen Männer von seltnen Kenntnissen
unter ihren Mitgliedern, viele der größten hollän-
dischen Gelehrten bekleideten keinen Lehrstuhl, und
ohne gelehrt zu seyn sind einige Zweige von Kennt-
nissen unter alle Stände verbreitet. Ein Volk, dessen
historische Laufbahn der Holländer ihrer glich, kennt
seine Geschichte; und ein handelndes Volk nimmt
unwillkührlich eine Menge Nationen auf, die den
dämischen Lebensgange des gewöhnlichen Binnen-
länders fehlen.

Die Lehrstunden geben den hiesigen Professo-
ren nicht so viel Arbeit, wie einem Leipziger oder
Göttingschen Lehrer. Der Cursus ist jährig --
das heißt, er dauert 8 Monate, und die großen
Ferien drei, außerdem finden noch einige kürzere
statt, so daß gewiß vier Monat Freiheit heraus-
kommt. Dabei lesen die Herrn lange nicht so viel

Die Profeſſoren ſcheinen mir nicht ſo ſcharf
von den uͤbrigen Staͤnden getrenut, wie auf deut-
ſchen Univerſitaͤten, beſonders in kleinen Staͤdten.
Das mag zum Theil daher kommen, daß der Pro-
feſſor im Freiſtaat auch aktiver Buͤrger bleibt, noch
mehr, daß die Gelehrſamkeit nicht blos den Pro-
feſſoren uͤberlaſſen, ſondern durch alle Staͤnde ver-
breitet iſt. Der Adel, der Handelſtand, die Kir-
chenlehrer zaͤhlen Maͤnner von ſeltnen Kenntniſſen
unter ihren Mitgliedern, viele der groͤßten hollaͤn-
diſchen Gelehrten bekleideten keinen Lehrſtuhl, und
ohne gelehrt zu ſeyn ſind einige Zweige von Kennt-
niſſen unter alle Staͤnde verbreitet. Ein Volk, deſſen
hiſtoriſche Laufbahn der Hollaͤnder ihrer glich, kennt
ſeine Geſchichte; und ein handelndes Volk nimmt
unwillkuͤhrlich eine Menge Nationen auf, die den
daͤmiſchen Lebensgange des gewoͤhnlichen Binnen-
laͤnders fehlen.

Die Lehrſtunden geben den hieſigen Profeſſo-
ren nicht ſo viel Arbeit, wie einem Leipziger oder
Goͤttingſchen Lehrer. Der Curſus iſt jaͤhrig —
das heißt, er dauert 8 Monate, und die großen
Ferien drei, außerdem finden noch einige kuͤrzere
ſtatt, ſo daß gewiß vier Monat Freiheit heraus-
kommt. Dabei leſen die Herrn lange nicht ſo viel

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[118/0132] Die Profeſſoren ſcheinen mir nicht ſo ſcharf von den uͤbrigen Staͤnden getrenut, wie auf deut- ſchen Univerſitaͤten, beſonders in kleinen Staͤdten. Das mag zum Theil daher kommen, daß der Pro- feſſor im Freiſtaat auch aktiver Buͤrger bleibt, noch mehr, daß die Gelehrſamkeit nicht blos den Pro- feſſoren uͤberlaſſen, ſondern durch alle Staͤnde ver- breitet iſt. Der Adel, der Handelſtand, die Kir- chenlehrer zaͤhlen Maͤnner von ſeltnen Kenntniſſen unter ihren Mitgliedern, viele der groͤßten hollaͤn- diſchen Gelehrten bekleideten keinen Lehrſtuhl, und ohne gelehrt zu ſeyn ſind einige Zweige von Kennt- niſſen unter alle Staͤnde verbreitet. Ein Volk, deſſen hiſtoriſche Laufbahn der Hollaͤnder ihrer glich, kennt ſeine Geſchichte; und ein handelndes Volk nimmt unwillkuͤhrlich eine Menge Nationen auf, die den daͤmiſchen Lebensgange des gewoͤhnlichen Binnen- laͤnders fehlen. Die Lehrſtunden geben den hieſigen Profeſſo- ren nicht ſo viel Arbeit, wie einem Leipziger oder Goͤttingſchen Lehrer. Der Curſus iſt jaͤhrig — das heißt, er dauert 8 Monate, und die großen Ferien drei, außerdem finden noch einige kuͤrzere ſtatt, ſo daß gewiß vier Monat Freiheit heraus- kommt. Dabei leſen die Herrn lange nicht ſo viel

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/132>, abgerufen am 24.11.2024.