nicht gefragt wer wir waren, und ich that keinen Schritt, mich von ihren Namen zu unterrichten, ich fand es so schön, daß wir nur als Menschen, ohne alle Persönlichkeit mit einander handelten. Jetzt reut es mich, denn ich wünschte, daß keiner ihrer Freunde durch unsern Wohnort käm, ohne Gastrecht bei uns zu fordern. Der Männer Be- tragen freute mich um so mehr, weil es nichts vom Weltton, sondern etwas nationelles hatte, sie handelten rein weg als brave Männer gegen unbe- schützte Weiber, und ich bin überzeugt, wir hät- ten uralt, und grundhäßlich seyn können, aber so gesittet wie sie uns fanden, so hätten sie uns die- selben Dienste erzeigt.
Außer diesen zween wackern Männern, die unsre Reisegefährten in der Diligence wurden, war ein Herr in Cleve aufgestiegen, der, wenn mich alle Anzeigen nicht trügen, auf Freiers Füßen nach Nimwegen reiste. Es war so ein gestand- ner Herr, wie man in Schwaben sagt, ganz un- zweifelhaft, bis jetzt ein Hagestolz -- von Kopf zu Fuß neu gekleidet, Stiefelchen mit goldnen Quästchen, zwei neue Uhrbänder, eine schöne neue Weste, von welcher die Streifen queer über den stattlichen Bauch liefen, steif gefältelte Wä-
nicht gefragt wer wir waren, und ich that keinen Schritt, mich von ihren Namen zu unterrichten, ich fand es ſo ſchoͤn, daß wir nur als Menſchen, ohne alle Perſoͤnlichkeit mit einander handelten. Jetzt reut es mich, denn ich wuͤnſchte, daß keiner ihrer Freunde durch unſern Wohnort kaͤm, ohne Gaſtrecht bei uns zu fordern. Der Maͤnner Be- tragen freute mich um ſo mehr, weil es nichts vom Weltton, ſondern etwas nationelles hatte, ſie handelten rein weg als brave Maͤnner gegen unbe- ſchuͤtzte Weiber, und ich bin uͤberzeugt, wir haͤt- ten uralt, und grundhaͤßlich ſeyn koͤnnen, aber ſo geſittet wie ſie uns fanden, ſo haͤtten ſie uns die- ſelben Dienſte erzeigt.
Außer dieſen zween wackern Maͤnnern, die unſre Reiſegefaͤhrten in der Diligence wurden, war ein Herr in Cleve aufgeſtiegen, der, wenn mich alle Anzeigen nicht truͤgen, auf Freiers Fuͤßen nach Nimwegen reiſte. Es war ſo ein geſtand- ner Herr, wie man in Schwaben ſagt, ganz un- zweifelhaft, bis jetzt ein Hageſtolz — von Kopf zu Fuß neu gekleidet, Stiefelchen mit goldnen Quaͤſtchen, zwei neue Uhrbaͤnder, eine ſchoͤne neue Weſte, von welcher die Streifen queer uͤber den ſtattlichen Bauch liefen, ſteif gefaͤltelte Waͤ-
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nicht gefragt wer wir waren, und ich that keinen
Schritt, mich von ihren Namen zu unterrichten,
ich fand es ſo ſchoͤn, daß wir nur als Menſchen,
ohne alle Perſoͤnlichkeit mit einander handelten.
Jetzt reut es mich, denn ich wuͤnſchte, daß keiner
ihrer Freunde durch unſern Wohnort kaͤm, ohne
Gaſtrecht bei uns zu fordern. Der Maͤnner Be-
tragen freute mich um ſo mehr, weil es nichts vom
Weltton, ſondern etwas nationelles hatte, ſie
handelten rein weg als brave Maͤnner gegen unbe-
ſchuͤtzte Weiber, und ich bin uͤberzeugt, wir haͤt-
ten uralt, und grundhaͤßlich ſeyn koͤnnen, aber ſo
geſittet wie ſie uns fanden, ſo haͤtten ſie uns die-
ſelben Dienſte erzeigt.
Außer dieſen zween wackern Maͤnnern, die
unſre Reiſegefaͤhrten in der Diligence wurden, war
ein Herr in Cleve aufgeſtiegen, der, wenn mich
alle Anzeigen nicht truͤgen, auf Freiers Fuͤßen
nach Nimwegen reiſte. Es war ſo ein geſtand-
ner Herr, wie man in Schwaben ſagt, ganz un-
zweifelhaft, bis jetzt ein Hageſtolz — von Kopf
zu Fuß neu gekleidet, Stiefelchen mit goldnen
Quaͤſtchen, zwei neue Uhrbaͤnder, eine ſchoͤne
neue Weſte, von welcher die Streifen queer uͤber
den ſtattlichen Bauch liefen, ſteif gefaͤltelte Waͤ-
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/107>, abgerufen am 26.11.2024.
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