Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

standen; die Gesellschaft saß auf der Terrasse und nahm den Kaffee. Das Gespräch ging so lebhaft, so rastlos voran, wie immer, wenn Donna Ersilia es leitete. Sie war natürlich die beredteste von Allen, aber sie machte auch die Andern beredt, indem sie sich wunderbar auf die Kunst verstand, einem Jeden sein Bestes zu entlocken. Selbst der Signor Germanico, so lieb ihm seine Wortträgheit war, durfte hier nicht stumm dasitzen, sondern mußte seine rauhen, dunkeln Kehllaute unter die hellen, "der Blüte der Lippen" entquellenden Tonperlen der Italiener mischen. Da plötzlich wurde die Unterhaltung gestört. Ein Diener kam und meldete dem Hausherrn, daß in einem Weggraben kaum einen Büchsenschuß von der Villa ein Verwundeter liege. Es scheine wieder einmal eine Rauferei zwischen dem Volke von Urballa und dem von Valtella gegeben zu haben. Sofort eilte Signor Baldo, von einigen der Herren begleitet, nach dem Orte, wo der Verwundete liegen sollte. Sie trafen auf ein paar Burschen aus Valtella, aus deren mit mehr Aufregung als Ordnung vorgebrachten Berichten zunächst nur das Eine zu entnehmen war, daß die Bosheit und Tücke derer von Urballa auf der Welt ihres Gleichen nicht habe. Aber als Signor Baldo ungeduldig näher tretend den Verwundeten betrachtete, der da im Graben lag, erkannte er zu seiner doppelten Betrübniß den armen Maso. Noch schien der Junge bewußtlos, seine Augen waren geschlossen, seine Brust arbeitete schwer und rasch, und unter dem blauen

standen; die Gesellschaft saß auf der Terrasse und nahm den Kaffee. Das Gespräch ging so lebhaft, so rastlos voran, wie immer, wenn Donna Ersilia es leitete. Sie war natürlich die beredteste von Allen, aber sie machte auch die Andern beredt, indem sie sich wunderbar auf die Kunst verstand, einem Jeden sein Bestes zu entlocken. Selbst der Signor Germanico, so lieb ihm seine Wortträgheit war, durfte hier nicht stumm dasitzen, sondern mußte seine rauhen, dunkeln Kehllaute unter die hellen, „der Blüte der Lippen“ entquellenden Tonperlen der Italiener mischen. Da plötzlich wurde die Unterhaltung gestört. Ein Diener kam und meldete dem Hausherrn, daß in einem Weggraben kaum einen Büchsenschuß von der Villa ein Verwundeter liege. Es scheine wieder einmal eine Rauferei zwischen dem Volke von Urballa und dem von Valtella gegeben zu haben. Sofort eilte Signor Baldo, von einigen der Herren begleitet, nach dem Orte, wo der Verwundete liegen sollte. Sie trafen auf ein paar Burschen aus Valtella, aus deren mit mehr Aufregung als Ordnung vorgebrachten Berichten zunächst nur das Eine zu entnehmen war, daß die Bosheit und Tücke derer von Urballa auf der Welt ihres Gleichen nicht habe. Aber als Signor Baldo ungeduldig näher tretend den Verwundeten betrachtete, der da im Graben lag, erkannte er zu seiner doppelten Betrübniß den armen Maso. Noch schien der Junge bewußtlos, seine Augen waren geschlossen, seine Brust arbeitete schwer und rasch, und unter dem blauen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0046"/>
standen; die Gesellschaft saß auf der Terrasse und      nahm den Kaffee. Das Gespräch ging so lebhaft, so rastlos voran, wie immer, wenn Donna Ersilia      es leitete. Sie war natürlich die beredteste von Allen, aber sie machte auch die Andern beredt,      indem sie sich wunderbar auf die Kunst verstand, einem Jeden sein Bestes zu entlocken. Selbst      der Signor Germanico, so lieb ihm seine Wortträgheit war, durfte hier nicht stumm dasitzen,      sondern mußte seine rauhen, dunkeln Kehllaute unter die hellen, &#x201E;der Blüte der Lippen&#x201C;      entquellenden Tonperlen der Italiener mischen. Da plötzlich wurde die Unterhaltung gestört. Ein      Diener kam und meldete dem Hausherrn, daß in einem Weggraben kaum einen Büchsenschuß von der      Villa ein Verwundeter liege. Es scheine wieder einmal eine Rauferei zwischen dem Volke von      Urballa und dem von Valtella gegeben zu haben. Sofort eilte Signor Baldo, von einigen der      Herren begleitet, nach dem Orte, wo der Verwundete liegen sollte. Sie trafen auf ein paar      Burschen aus Valtella, aus deren mit mehr Aufregung als Ordnung vorgebrachten Berichten      zunächst nur das Eine zu entnehmen war, daß die Bosheit und Tücke derer von Urballa auf der      Welt ihres Gleichen nicht habe. Aber als Signor Baldo ungeduldig näher tretend den Verwundeten      betrachtete, der da im Graben lag, erkannte er zu seiner doppelten Betrübniß den armen Maso.      Noch schien der Junge bewußtlos, seine Augen waren geschlossen, seine Brust arbeitete schwer      und rasch, und unter dem blauen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0046] standen; die Gesellschaft saß auf der Terrasse und nahm den Kaffee. Das Gespräch ging so lebhaft, so rastlos voran, wie immer, wenn Donna Ersilia es leitete. Sie war natürlich die beredteste von Allen, aber sie machte auch die Andern beredt, indem sie sich wunderbar auf die Kunst verstand, einem Jeden sein Bestes zu entlocken. Selbst der Signor Germanico, so lieb ihm seine Wortträgheit war, durfte hier nicht stumm dasitzen, sondern mußte seine rauhen, dunkeln Kehllaute unter die hellen, „der Blüte der Lippen“ entquellenden Tonperlen der Italiener mischen. Da plötzlich wurde die Unterhaltung gestört. Ein Diener kam und meldete dem Hausherrn, daß in einem Weggraben kaum einen Büchsenschuß von der Villa ein Verwundeter liege. Es scheine wieder einmal eine Rauferei zwischen dem Volke von Urballa und dem von Valtella gegeben zu haben. Sofort eilte Signor Baldo, von einigen der Herren begleitet, nach dem Orte, wo der Verwundete liegen sollte. Sie trafen auf ein paar Burschen aus Valtella, aus deren mit mehr Aufregung als Ordnung vorgebrachten Berichten zunächst nur das Eine zu entnehmen war, daß die Bosheit und Tücke derer von Urballa auf der Welt ihres Gleichen nicht habe. Aber als Signor Baldo ungeduldig näher tretend den Verwundeten betrachtete, der da im Graben lag, erkannte er zu seiner doppelten Betrübniß den armen Maso. Noch schien der Junge bewußtlos, seine Augen waren geschlossen, seine Brust arbeitete schwer und rasch, und unter dem blauen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:13:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:13:28Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/horner_saeugling_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/horner_saeugling_1910/46
Zitationshilfe: Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/horner_saeugling_1910/46>, abgerufen am 26.04.2024.