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Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Maso eilte hinein. Sora Maria hatte sich noch nicht von ihrem Erstaunen erholt. Den willst du nehmen, Gigia, -- den-- den Säugling?!

Warum nicht, wenn Ihr nichts dagegen habt. Er ist so jung und so einfältig -- er wird mir weniger zu schaffen machen, als irgend ein Anderer. --

Der deutsche Doctor blieb meist vom Samstag bis zum Montag als Gast auf der Villa und kehrte erst am Montag Morgen mit Signor Baldo nach Florenz zurück, sei es in dessen eigenem Wagen, sei es in der rothblauen Kutsche des rothbraunen Giannino. Die immer bereite, immer bewegliche Donna Ersilia gab dann wohl dem Gaste das Geleite bis zur Landstraße, wo auf Signor Baldo gewartet und die Wartestunde lebhaft verplaudert wurde. Signor Baldo nämlich, nicht minder rührig als seine Gattin, pflegte schon in aller Frühe aufzubrechen und, bevor er in die Stadt ging, nach seinen Kalkbrennereien auf Montepilli zu schauen.

Ich habe meinem Manne gesagt, erzählte sie dem Gaste, daß Maso die Gigia heirathen wolle, und ihn gefragt, ob er glaube, daß die Beiden für einander paßten. Es würde ihm leid sein um den guten Jungen, hat er geantwortet, Gigia stehe im Rufe eines launischen, eigenwilligen Dinges. Sie sehen, die ganze Welt urtheilt wie ich, Niemand findet sie schön. Wenn ich nur schon wüßte, was ich für den armen Jungen thun könnte!

Maso eilte hinein. Sora Maria hatte sich noch nicht von ihrem Erstaunen erholt. Den willst du nehmen, Gigia, — den— den Säugling?!

Warum nicht, wenn Ihr nichts dagegen habt. Er ist so jung und so einfältig — er wird mir weniger zu schaffen machen, als irgend ein Anderer. —

Der deutsche Doctor blieb meist vom Samstag bis zum Montag als Gast auf der Villa und kehrte erst am Montag Morgen mit Signor Baldo nach Florenz zurück, sei es in dessen eigenem Wagen, sei es in der rothblauen Kutsche des rothbraunen Giannino. Die immer bereite, immer bewegliche Donna Ersilia gab dann wohl dem Gaste das Geleite bis zur Landstraße, wo auf Signor Baldo gewartet und die Wartestunde lebhaft verplaudert wurde. Signor Baldo nämlich, nicht minder rührig als seine Gattin, pflegte schon in aller Frühe aufzubrechen und, bevor er in die Stadt ging, nach seinen Kalkbrennereien auf Montepilli zu schauen.

Ich habe meinem Manne gesagt, erzählte sie dem Gaste, daß Maso die Gigia heirathen wolle, und ihn gefragt, ob er glaube, daß die Beiden für einander paßten. Es würde ihm leid sein um den guten Jungen, hat er geantwortet, Gigia stehe im Rufe eines launischen, eigenwilligen Dinges. Sie sehen, die ganze Welt urtheilt wie ich, Niemand findet sie schön. Wenn ich nur schon wüßte, was ich für den armen Jungen thun könnte!

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[0031] Maso eilte hinein. Sora Maria hatte sich noch nicht von ihrem Erstaunen erholt. Den willst du nehmen, Gigia, — den— den Säugling?! Warum nicht, wenn Ihr nichts dagegen habt. Er ist so jung und so einfältig — er wird mir weniger zu schaffen machen, als irgend ein Anderer. — Der deutsche Doctor blieb meist vom Samstag bis zum Montag als Gast auf der Villa und kehrte erst am Montag Morgen mit Signor Baldo nach Florenz zurück, sei es in dessen eigenem Wagen, sei es in der rothblauen Kutsche des rothbraunen Giannino. Die immer bereite, immer bewegliche Donna Ersilia gab dann wohl dem Gaste das Geleite bis zur Landstraße, wo auf Signor Baldo gewartet und die Wartestunde lebhaft verplaudert wurde. Signor Baldo nämlich, nicht minder rührig als seine Gattin, pflegte schon in aller Frühe aufzubrechen und, bevor er in die Stadt ging, nach seinen Kalkbrennereien auf Montepilli zu schauen. Ich habe meinem Manne gesagt, erzählte sie dem Gaste, daß Maso die Gigia heirathen wolle, und ihn gefragt, ob er glaube, daß die Beiden für einander paßten. Es würde ihm leid sein um den guten Jungen, hat er geantwortet, Gigia stehe im Rufe eines launischen, eigenwilligen Dinges. Sie sehen, die ganze Welt urtheilt wie ich, Niemand findet sie schön. Wenn ich nur schon wüßte, was ich für den armen Jungen thun könnte!

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:13:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:13:28Z)

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Zitationshilfe: Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/horner_saeugling_1910/31>, abgerufen am 23.11.2024.