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Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Als Dame Ersilia und ihr Begleiter das Haus der Landi verlassen hatten, sagte sie: Ich begreife nicht, wie Sie Gigia schön finden können. Sie ist eine Capricciosa. Donna Ersilia schien ein wenig verstimmt: hatte sie vielleicht erwartet, daß Gigia wie Maso sie um ihren Beistand angehen würde? Hatte sie vielleicht sich schon einen Plan ausgedacht, wie man trotz der Jugend Maso's das Paar doch beglücken könnte?

Die zwei Augen aber, welche nicht wenig aufgerissen worden waren, als sie die Dame aus dem Bauernhaus heraustreten sahen, merkten nichts von dem leichten Schatten, der über dem gütigen Gesichte lag. Maso's Augen waren es. Nachdem er in der Frühe die Briefe nach der Stadt getragen, hatte er rasch den Weg zurückgemacht, um hierher nach Urballa zu eilen und aus einem Versteck hinter einem Zaune die Wohnung der Geliebten anzustarren. Er brach in einen triumphirenden Schrei aus. Die Padrona war bei den Landi gewesen, um für ihn zu sprechen. Seine Sache war gewonnen. Er hatte es ja gewußt, daß die Padrona sich seiner annehmen müsse. Daß sie's aber so schnell thun, daß sie selbst zu den Landi gehen würde, das hatte er nicht gehofft -- und doch: gerade so war sie ihm ja immer geschildert worden -- als die beste, die schleunigste Helferin. Wäre sie ein Mann, man hätte sie ganz gewiß schon zum Papst gemacht! sagte er zu sich und schaute ihr voll andächtiger Verehrung nach.

Er wußte nun, was er zu thun hatte. Ungedul-

Als Dame Ersilia und ihr Begleiter das Haus der Landi verlassen hatten, sagte sie: Ich begreife nicht, wie Sie Gigia schön finden können. Sie ist eine Capricciosa. Donna Ersilia schien ein wenig verstimmt: hatte sie vielleicht erwartet, daß Gigia wie Maso sie um ihren Beistand angehen würde? Hatte sie vielleicht sich schon einen Plan ausgedacht, wie man trotz der Jugend Maso's das Paar doch beglücken könnte?

Die zwei Augen aber, welche nicht wenig aufgerissen worden waren, als sie die Dame aus dem Bauernhaus heraustreten sahen, merkten nichts von dem leichten Schatten, der über dem gütigen Gesichte lag. Maso's Augen waren es. Nachdem er in der Frühe die Briefe nach der Stadt getragen, hatte er rasch den Weg zurückgemacht, um hierher nach Urballa zu eilen und aus einem Versteck hinter einem Zaune die Wohnung der Geliebten anzustarren. Er brach in einen triumphirenden Schrei aus. Die Padrona war bei den Landi gewesen, um für ihn zu sprechen. Seine Sache war gewonnen. Er hatte es ja gewußt, daß die Padrona sich seiner annehmen müsse. Daß sie's aber so schnell thun, daß sie selbst zu den Landi gehen würde, das hatte er nicht gehofft — und doch: gerade so war sie ihm ja immer geschildert worden — als die beste, die schleunigste Helferin. Wäre sie ein Mann, man hätte sie ganz gewiß schon zum Papst gemacht! sagte er zu sich und schaute ihr voll andächtiger Verehrung nach.

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[0028] Als Dame Ersilia und ihr Begleiter das Haus der Landi verlassen hatten, sagte sie: Ich begreife nicht, wie Sie Gigia schön finden können. Sie ist eine Capricciosa. Donna Ersilia schien ein wenig verstimmt: hatte sie vielleicht erwartet, daß Gigia wie Maso sie um ihren Beistand angehen würde? Hatte sie vielleicht sich schon einen Plan ausgedacht, wie man trotz der Jugend Maso's das Paar doch beglücken könnte? Die zwei Augen aber, welche nicht wenig aufgerissen worden waren, als sie die Dame aus dem Bauernhaus heraustreten sahen, merkten nichts von dem leichten Schatten, der über dem gütigen Gesichte lag. Maso's Augen waren es. Nachdem er in der Frühe die Briefe nach der Stadt getragen, hatte er rasch den Weg zurückgemacht, um hierher nach Urballa zu eilen und aus einem Versteck hinter einem Zaune die Wohnung der Geliebten anzustarren. Er brach in einen triumphirenden Schrei aus. Die Padrona war bei den Landi gewesen, um für ihn zu sprechen. Seine Sache war gewonnen. Er hatte es ja gewußt, daß die Padrona sich seiner annehmen müsse. Daß sie's aber so schnell thun, daß sie selbst zu den Landi gehen würde, das hatte er nicht gehofft — und doch: gerade so war sie ihm ja immer geschildert worden — als die beste, die schleunigste Helferin. Wäre sie ein Mann, man hätte sie ganz gewiß schon zum Papst gemacht! sagte er zu sich und schaute ihr voll andächtiger Verehrung nach. Er wußte nun, was er zu thun hatte. Ungedul-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:13:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:13:28Z)

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Zitationshilfe: Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/horner_saeugling_1910/28>, abgerufen am 28.03.2024.