Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Du willst etwas von mir, mein Sohn? fragte die Dame, indem sie den Jungen mit ihren großen, guten Augen freundlich anblickte. Wenn Eure Signoria mir erlaubte -- -- begann Maso. Das milde Lächeln seiner Herrin benahm ihm jede Scheu, -- wenn nur der fremde Hörer nicht gewesen wäre! Voran, voran! in diesem kurzen Leben haben wir keine Zeit zu verlieren! Eure Signoria spricht Gold! Eben weil ich keine Zeit verlieren mag -- Maso stockte wieder und warf einen mißtrauischen Blick auf den Fremden. Sprich immerhin vor diesem Herrn; der ist ein deutscher Doctor und also sehr zerstreut; der giebt nicht Acht auf deine Worte, und wenn er Acht giebt, so behält er sie nicht. Maso nahm seinen Muth zusammen und sagte: Ich habe immer sagen hören, daß die Padrona allmächtig sei -- Allmächtig! schämst du dich nicht, mein Sohn, so etwas auszusprechen? Nur Gott der Herr ist allmächtig, -- weißt du den Katechismus nicht mehr? Gott der Herr wird noch allmächtiger sein, aber Jedermann sagt, daß die Padrona Alles fertig bringe, was sie fertig bringen will, und daß für sie kein Knäuel so verworren sei, daß sie das rechte Ende nicht fände, und daß, wenn sie rede, Niemand etwas einzuwenden habe. Und wer darum in Florenz oder sonstwo etwas Du willst etwas von mir, mein Sohn? fragte die Dame, indem sie den Jungen mit ihren großen, guten Augen freundlich anblickte. Wenn Eure Signoria mir erlaubte — — begann Maso. Das milde Lächeln seiner Herrin benahm ihm jede Scheu, — wenn nur der fremde Hörer nicht gewesen wäre! Voran, voran! in diesem kurzen Leben haben wir keine Zeit zu verlieren! Eure Signoria spricht Gold! Eben weil ich keine Zeit verlieren mag — Maso stockte wieder und warf einen mißtrauischen Blick auf den Fremden. Sprich immerhin vor diesem Herrn; der ist ein deutscher Doctor und also sehr zerstreut; der giebt nicht Acht auf deine Worte, und wenn er Acht giebt, so behält er sie nicht. Maso nahm seinen Muth zusammen und sagte: Ich habe immer sagen hören, daß die Padrona allmächtig sei — Allmächtig! schämst du dich nicht, mein Sohn, so etwas auszusprechen? Nur Gott der Herr ist allmächtig, — weißt du den Katechismus nicht mehr? Gott der Herr wird noch allmächtiger sein, aber Jedermann sagt, daß die Padrona Alles fertig bringe, was sie fertig bringen will, und daß für sie kein Knäuel so verworren sei, daß sie das rechte Ende nicht fände, und daß, wenn sie rede, Niemand etwas einzuwenden habe. Und wer darum in Florenz oder sonstwo etwas <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0019"/> <p>Du willst etwas von mir, mein Sohn? fragte die Dame, indem sie den Jungen mit ihren großen, guten Augen freundlich anblickte.</p><lb/> <p>Wenn Eure Signoria mir erlaubte — — begann Maso. Das milde Lächeln seiner Herrin benahm ihm jede Scheu, — wenn nur der fremde Hörer nicht gewesen wäre!</p><lb/> <p>Voran, voran! in diesem kurzen Leben haben wir keine Zeit zu verlieren!</p><lb/> <p>Eure Signoria spricht Gold! Eben weil ich keine Zeit verlieren mag — Maso stockte wieder und warf einen mißtrauischen Blick auf den Fremden.</p><lb/> <p>Sprich immerhin vor diesem Herrn; der ist ein deutscher Doctor und also sehr zerstreut; der giebt nicht Acht auf deine Worte, und wenn er Acht giebt, so behält er sie nicht.</p><lb/> <p>Maso nahm seinen Muth zusammen und sagte: Ich habe immer sagen hören, daß die Padrona allmächtig sei —</p><lb/> <p>Allmächtig! schämst du dich nicht, mein Sohn, so etwas auszusprechen? Nur Gott der Herr ist allmächtig, — weißt du den Katechismus nicht mehr?</p><lb/> <p>Gott der Herr wird noch allmächtiger sein, aber Jedermann sagt, daß die Padrona Alles fertig bringe, was sie fertig bringen will, und daß für sie kein Knäuel so verworren sei, daß sie das rechte Ende nicht fände, und daß, wenn sie rede, Niemand etwas einzuwenden habe. Und wer darum in Florenz oder sonstwo etwas<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0019]
Du willst etwas von mir, mein Sohn? fragte die Dame, indem sie den Jungen mit ihren großen, guten Augen freundlich anblickte.
Wenn Eure Signoria mir erlaubte — — begann Maso. Das milde Lächeln seiner Herrin benahm ihm jede Scheu, — wenn nur der fremde Hörer nicht gewesen wäre!
Voran, voran! in diesem kurzen Leben haben wir keine Zeit zu verlieren!
Eure Signoria spricht Gold! Eben weil ich keine Zeit verlieren mag — Maso stockte wieder und warf einen mißtrauischen Blick auf den Fremden.
Sprich immerhin vor diesem Herrn; der ist ein deutscher Doctor und also sehr zerstreut; der giebt nicht Acht auf deine Worte, und wenn er Acht giebt, so behält er sie nicht.
Maso nahm seinen Muth zusammen und sagte: Ich habe immer sagen hören, daß die Padrona allmächtig sei —
Allmächtig! schämst du dich nicht, mein Sohn, so etwas auszusprechen? Nur Gott der Herr ist allmächtig, — weißt du den Katechismus nicht mehr?
Gott der Herr wird noch allmächtiger sein, aber Jedermann sagt, daß die Padrona Alles fertig bringe, was sie fertig bringen will, und daß für sie kein Knäuel so verworren sei, daß sie das rechte Ende nicht fände, und daß, wenn sie rede, Niemand etwas einzuwenden habe. Und wer darum in Florenz oder sonstwo etwas
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Zitationshilfe: | Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/horner_saeugling_1910/19>, abgerufen am 16.02.2025. |