Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holz, Arno; Schlaf, Johannes: Die Familie Selicke. Berlin, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite
Toni: Ich bitte Dich! -- Ich bitte Dich! --
Wendt (sie ansehend. Auf's tiefste erschüttert. Hat
ihre Hand ergriffen. Demüthig):
Toni! -- O, was
bin ich gegen Dich! -- Wie muss ich mich vor
Dir schämen! ...
Toni (abwehrend): Ach ... (Ernst.) Aber: wir
dürfen nicht! Nicht wahr?
Wendt (sich abwendend): Du hast recht! (Hat ihre
Hand wieder fallen lassen.)
... Ja! Du brauchst
mich nicht! -- Du bist gross und muthig und
stark und ich so klein, so feig und -- so selbst-
süchtig!
(Beschämt.) Ich -- Thor ich! ... Ja!
Du hast recht! --
(Seufzt tief auf.) Wir dürfen
nicht! ...
Toni (seine Hand ergreifend und ihm die ihre auf die
Schulter legend; sieht ihm in die Augen):
Nicht
wahr. Gustav? ... Wir dürfen doch nicht nur
an uns denken?!
Wendt (im tiefsten Schmerz. Ihre Hand drückend):
Ach! -- Mädchen! --
Toni: Du bist so gut gewesen! ... Du hast's so
gut mit uns gemeint! ...
Wendt (gequält): Ist denn nur keine, keine
Möglichkeit?! ... Herrgott!! ...
Toni (schmiegt sich an ihn): Siehst Du: ich muss
ja doch auch aushalten!
Wendt (schmerzlich): Toni! -- Toni! --
Toni (immer in derselben Stellung. Wieder mit einem
Lächeln):
Ach, wenn man so den Tag über ar-
beitet, weisst Du! ... Wenn man sonst gesund
ist und immer tüchtig arbeiten kann: da denkt
man an nichts! ... Da hat man keine Zeit, an
was zu denken! ... Und Du -- Du weisst so
viel! Du kannst so viel nützen ...
Wendt (düster): Ich? Nützen?

Toni: Ich bitte Dich! — Ich bitte Dich! —
Wendt (sie ansehend. Auf’s tiefste erschüttert. Hat
ihre Hand ergriffen. Demüthig):
Toni! — O, was
bin ich gegen Dich! — Wie muss ich mich vor
Dir schämen! …
Toni (abwehrend): Ach … (Ernst.) Aber: wir
dürfen nicht! Nicht wahr?
Wendt (sich abwendend): Du hast recht! (Hat ihre
Hand wieder fallen lassen.)
… Ja! Du brauchst
mich nicht! — Du bist gross und muthig und
stark und ich so klein, so feig und — so selbst-
süchtig!
(Beschämt.) Ich — Thor ich! … Ja!
Du hast recht! —
(Seufzt tief auf.) Wir dürfen
nicht! …
Toni (seine Hand ergreifend und ihm die ihre auf die
Schulter legend; sieht ihm in die Augen):
Nicht
wahr. Gustav? … Wir dürfen doch nicht nur
an uns denken?!
Wendt (im tiefsten Schmerz. Ihre Hand drückend):
Ach! — Mädchen! —
Toni: Du bist so gut gewesen! … Du hast’s so
gut mit uns gemeint! …
Wendt (gequält): Ist denn nur keine, keine
Möglichkeit?! … Herrgott!! …
Toni (schmiegt sich an ihn): Siehst Du: ich muss
ja doch auch aushalten!
Wendt (schmerzlich): Toni! — Toni! —
Toni (immer in derselben Stellung. Wieder mit einem
Lächeln):
Ach, wenn man so den Tag über ar-
beitet, weisst Du! … Wenn man sonst gesund
ist und immer tüchtig arbeiten kann: da denkt
man an nichts! … Da hat man keine Zeit, an
was zu denken! … Und Du — Du weisst so
viel! Du kannst so viel nützen …
Wendt (düster): Ich? Nützen?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0109" n="87"/>
        <sp who="#TON">
          <speaker><hi rendition="#g">Toni</hi>:</speaker>
          <p>Ich <hi rendition="#g">bitte</hi> Dich! &#x2014; Ich <hi rendition="#g">bitte</hi> Dich! &#x2014;</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#WEN">
          <speaker> <hi rendition="#g">Wendt</hi> </speaker>
          <stage>(sie ansehend. Auf&#x2019;s tiefste erschüttert. Hat<lb/>
ihre Hand ergriffen. Demüthig):</stage>
          <p>Toni! &#x2014; O, was<lb/>
bin ich gegen Dich! &#x2014; Wie muss ich mich vor<lb/>
Dir schämen! &#x2026;</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#TON">
          <speaker> <hi rendition="#g">Toni</hi> </speaker>
          <stage>(abwehrend):</stage>
          <p>Ach &#x2026;</p>
          <stage>(Ernst.)</stage>
          <p>Aber: wir<lb/>
dürfen nicht! Nicht wahr?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#WEN">
          <speaker> <hi rendition="#g">Wendt</hi> </speaker>
          <stage>(sich abwendend):</stage>
          <p>Du hast recht!</p>
          <stage>(Hat ihre<lb/>
Hand wieder fallen lassen.)</stage>
          <p>&#x2026; Ja! Du brauchst<lb/>
mich nicht! &#x2014; Du bist gross und muthig und<lb/>
stark und ich so klein, so feig und &#x2014; so selbst-<lb/>
süchtig!</p>
          <stage>(Beschämt.)</stage>
          <p>Ich &#x2014; Thor ich! &#x2026; Ja!<lb/>
Du hast recht! &#x2014;</p>
          <stage>(Seufzt tief auf.)</stage>
          <p>Wir <hi rendition="#g">dürfen</hi><lb/>
nicht! &#x2026;</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#TON">
          <speaker> <hi rendition="#g">Toni</hi> </speaker>
          <stage>(seine Hand ergreifend und ihm die ihre auf die<lb/>
Schulter legend; sieht ihm in die Augen):</stage>
          <p>Nicht<lb/><hi rendition="#g">wahr</hi>. Gustav? &#x2026; Wir dürfen doch nicht nur<lb/>
an uns denken?!</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#WEN">
          <speaker> <hi rendition="#g">Wendt</hi> </speaker>
          <stage>(im tiefsten Schmerz. Ihre Hand drückend):</stage><lb/>
          <p>Ach! &#x2014; Mädchen! &#x2014;</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#TON">
          <speaker><hi rendition="#g">Toni</hi>:</speaker>
          <p>Du bist so gut gewesen! &#x2026; Du hast&#x2019;s so<lb/>
gut mit uns gemeint! &#x2026;</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#WEN">
          <speaker> <hi rendition="#g">Wendt</hi> </speaker>
          <stage>(gequält):</stage>
          <p>Ist denn nur <hi rendition="#g">keine, keine</hi><lb/>
Möglichkeit?! &#x2026; Herrgott!! &#x2026;</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#TON">
          <speaker> <hi rendition="#g">Toni</hi> </speaker>
          <stage>(schmiegt sich an ihn):</stage>
          <p>Siehst Du: ich muss<lb/>
ja doch auch aushalten!</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#WEN">
          <speaker> <hi rendition="#g">Wendt</hi> </speaker>
          <stage>(schmerzlich):</stage>
          <p>Toni! &#x2014; Toni! &#x2014;</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#TON">
          <speaker> <hi rendition="#g">Toni</hi> </speaker>
          <stage>(immer in derselben Stellung. Wieder mit einem<lb/>
Lächeln):</stage>
          <p>Ach, wenn man so den Tag über ar-<lb/>
beitet, weisst Du! &#x2026; Wenn man sonst gesund<lb/>
ist und immer tüchtig arbeiten kann: da denkt<lb/>
man an nichts! &#x2026; Da hat man keine Zeit, an<lb/>
was zu denken! &#x2026; Und Du &#x2014; Du weisst so<lb/>
viel! Du kannst so viel nützen &#x2026;</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#WEN">
          <speaker> <hi rendition="#g">Wendt</hi> </speaker>
          <stage>(düster):</stage>
          <p>Ich? Nützen?</p>
        </sp><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0109] Toni: Ich bitte Dich! — Ich bitte Dich! — Wendt (sie ansehend. Auf’s tiefste erschüttert. Hat ihre Hand ergriffen. Demüthig): Toni! — O, was bin ich gegen Dich! — Wie muss ich mich vor Dir schämen! … Toni (abwehrend): Ach … (Ernst.) Aber: wir dürfen nicht! Nicht wahr? Wendt (sich abwendend): Du hast recht! (Hat ihre Hand wieder fallen lassen.) … Ja! Du brauchst mich nicht! — Du bist gross und muthig und stark und ich so klein, so feig und — so selbst- süchtig! (Beschämt.) Ich — Thor ich! … Ja! Du hast recht! — (Seufzt tief auf.) Wir dürfen nicht! … Toni (seine Hand ergreifend und ihm die ihre auf die Schulter legend; sieht ihm in die Augen): Nicht wahr. Gustav? … Wir dürfen doch nicht nur an uns denken?! Wendt (im tiefsten Schmerz. Ihre Hand drückend): Ach! — Mädchen! — Toni: Du bist so gut gewesen! … Du hast’s so gut mit uns gemeint! … Wendt (gequält): Ist denn nur keine, keine Möglichkeit?! … Herrgott!! … Toni (schmiegt sich an ihn): Siehst Du: ich muss ja doch auch aushalten! Wendt (schmerzlich): Toni! — Toni! — Toni (immer in derselben Stellung. Wieder mit einem Lächeln): Ach, wenn man so den Tag über ar- beitet, weisst Du! … Wenn man sonst gesund ist und immer tüchtig arbeiten kann: da denkt man an nichts! … Da hat man keine Zeit, an was zu denken! … Und Du — Du weisst so viel! Du kannst so viel nützen … Wendt (düster): Ich? Nützen?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_selicke_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_selicke_1890/109
Zitationshilfe: Holz, Arno; Schlaf, Johannes: Die Familie Selicke. Berlin, 1890, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_selicke_1890/109>, abgerufen am 24.11.2024.