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Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.

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Natürlich ging das "noch einmal so gut",
-- Sieh hier das Lied: "Was man aus Liebe thut!"
Wir schmeckten, wechselnd prüfend, mit den Zungen
Und endlich war der große Wurf gelungen.
Zwar war das Tischzeug nur von grobem Zwilch,
Doch fehlte weder Zucker drauf noch Milch
Und dampfend füllten nun die braunen Massen
Die goldumränderten Geburtstagstassen.
Des Tränkleins Wirkung aber kommt und geht,
Bis sich das Zünglein wie ein Mühlrad dreht:
Was Stift und Tinte, Häkelzeug und Maschen!
Wir waren heut zwei rechte Plaudertaschen!
Du schwärmtest von dem neusten Ausverkauf,
Ich aber schlug ein kleines Büchlein auf
Und las dir Lieder vor von Lingg und Keller
Und übersah auch nicht den Kuchenteller.
So saßen wir, zwei große Kinder, da,
Bis roth der Abend durch die Scheiben sah
Und tappten dann hinab die dunklen Stiegen,
Um noch ein Stündlein vor das Thor zu fliegen.
Dort, wo das Wasser sich am Stadtwall bricht,
Lag bunt der Park im letzten Abendlicht
Und ließ die Wipfel sich in Purpur tränken
Und Kinder spielten auf den Rasenbänken.
Vom nahen Thorthurm kam das Spätgeläut,
Mir schien's, es klang noch nie so schön wie heut;
Natürlich ging das „noch einmal ſo gut“,
— Sieh hier das Lied: „Was man aus Liebe thut!“
Wir ſchmeckten, wechſelnd prüfend, mit den Zungen
Und endlich war der große Wurf gelungen.
Zwar war das Tiſchzeug nur von grobem Zwilch,
Doch fehlte weder Zucker drauf noch Milch
Und dampfend füllten nun die braunen Maſſen
Die goldumränderten Geburtstagstaſſen.
Des Tränkleins Wirkung aber kommt und geht,
Bis ſich das Zünglein wie ein Mühlrad dreht:
Was Stift und Tinte, Häkelzeug und Maſchen!
Wir waren heut zwei rechte Plaudertaſchen!
Du ſchwärmteſt von dem neuſten Ausverkauf,
Ich aber ſchlug ein kleines Büchlein auf
Und las dir Lieder vor von Lingg und Keller
Und überſah auch nicht den Kuchenteller.
So ſaßen wir, zwei große Kinder, da,
Bis roth der Abend durch die Scheiben ſah
Und tappten dann hinab die dunklen Stiegen,
Um noch ein Stündlein vor das Thor zu fliegen.
Dort, wo das Waſſer ſich am Stadtwall bricht,
Lag bunt der Park im letzten Abendlicht
Und ließ die Wipfel ſich in Purpur tränken
Und Kinder ſpielten auf den Raſenbänken.
Vom nahen Thorthurm kam das Spätgeläut,
Mir ſchien's, es klang noch nie ſo ſchön wie heut;
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[42/0064] Natürlich ging das „noch einmal ſo gut“, — Sieh hier das Lied: „Was man aus Liebe thut!“ Wir ſchmeckten, wechſelnd prüfend, mit den Zungen Und endlich war der große Wurf gelungen. Zwar war das Tiſchzeug nur von grobem Zwilch, Doch fehlte weder Zucker drauf noch Milch Und dampfend füllten nun die braunen Maſſen Die goldumränderten Geburtstagstaſſen. Des Tränkleins Wirkung aber kommt und geht, Bis ſich das Zünglein wie ein Mühlrad dreht: Was Stift und Tinte, Häkelzeug und Maſchen! Wir waren heut zwei rechte Plaudertaſchen! Du ſchwärmteſt von dem neuſten Ausverkauf, Ich aber ſchlug ein kleines Büchlein auf Und las dir Lieder vor von Lingg und Keller Und überſah auch nicht den Kuchenteller. So ſaßen wir, zwei große Kinder, da, Bis roth der Abend durch die Scheiben ſah Und tappten dann hinab die dunklen Stiegen, Um noch ein Stündlein vor das Thor zu fliegen. Dort, wo das Waſſer ſich am Stadtwall bricht, Lag bunt der Park im letzten Abendlicht Und ließ die Wipfel ſich in Purpur tränken Und Kinder ſpielten auf den Raſenbänken. Vom nahen Thorthurm kam das Spätgeläut, Mir ſchien's, es klang noch nie ſo ſchön wie heut;

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Zitationshilfe: Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/64>, abgerufen am 22.11.2024.