Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite
Hier war's ein Eisenwagen, dort ein Schiff,
Der Schornstein rauchte und der Dampfhahn pfiff,
Die Räder rollten ewig um die Kreise
Und alles drehte sich im alten Gleise.
Nur du und ich, wir beide waren frei
Und wußten nichts von Werktagssclaverei;
Wir jauchzten auf, die Noth in uns begrabend,
Und machten schon Nachmittags Feierabend.
Denn hatte jeder nicht mit Lust und Kraft
Die Woche über pflichtgetreu geschafft?
Die Nähmaschine hattest du getrieben
Und ich gedacht, gedichtet und geschrieben.
Doch nun war ich des "trocknen Tones satt"
Und schrieb energisch: "Punkt!" aufs letzte Blatt
Und stieg dann flink, mir selber zur Belohnung,
In deine zierliche Mansardenwohnung.
Ich klopfte an -- ein neckisches: Herein!
Und durch das Fenster brach der Sonnenschein;
Ein Lichtmeer war's, drin Welle schwamm auf Welle,
Ich aber stand geblendet auf der Schwelle.
O immer, trat ich in dein trautes Heim,
Schrieb's mir ins Herz sich wie ein neuer Reim;
Doch war's mit seinen farbigen Gardinen
So hell und freundlich mir noch nie erschienen.
Zum Schmaus gedeckt war schon dein kleiner Tisch,
Grau hinterm Spiegel stak ein Flederwisch
Hier war's ein Eiſenwagen, dort ein Schiff,
Der Schornſtein rauchte und der Dampfhahn pfiff,
Die Räder rollten ewig um die Kreiſe
Und alles drehte ſich im alten Gleiſe.
Nur du und ich, wir beide waren frei
Und wußten nichts von Werktagsſclaverei;
Wir jauchzten auf, die Noth in uns begrabend,
Und machten ſchon Nachmittags Feierabend.
Denn hatte jeder nicht mit Luſt und Kraft
Die Woche über pflichtgetreu geſchafft?
Die Nähmaſchine hatteſt du getrieben
Und ich gedacht, gedichtet und geſchrieben.
Doch nun war ich des „trocknen Tones ſatt“
Und ſchrieb energiſch: „Punkt!“ aufs letzte Blatt
Und ſtieg dann flink, mir ſelber zur Belohnung,
In deine zierliche Manſardenwohnung.
Ich klopfte an — ein neckiſches: Herein!
Und durch das Fenſter brach der Sonnenſchein;
Ein Lichtmeer war's, drin Welle ſchwamm auf Welle,
Ich aber ſtand geblendet auf der Schwelle.
O immer, trat ich in dein trautes Heim,
Schrieb's mir ins Herz ſich wie ein neuer Reim;
Doch war's mit ſeinen farbigen Gardinen
So hell und freundlich mir noch nie erſchienen.
Zum Schmaus gedeckt war ſchon dein kleiner Tiſch,
Grau hinterm Spiegel ſtak ein Flederwiſch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0062" n="40"/>
          <lg n="3">
            <l>Hier war's ein Ei&#x017F;enwagen, dort ein Schiff,</l><lb/>
            <l>Der Schorn&#x017F;tein rauchte und der Dampfhahn pfiff,</l><lb/>
            <l>Die Räder rollten ewig um die Krei&#x017F;e</l><lb/>
            <l>Und alles drehte &#x017F;ich im alten Glei&#x017F;e.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="4">
            <l>Nur du und ich, wir beide waren frei</l><lb/>
            <l>Und wußten nichts von Werktags&#x017F;claverei;</l><lb/>
            <l>Wir jauchzten auf, die Noth in uns begrabend,</l><lb/>
            <l>Und machten &#x017F;chon Nachmittags Feierabend.</l><lb/>
            <l>Denn hatte jeder nicht mit Lu&#x017F;t und Kraft</l><lb/>
            <l>Die Woche über pflichtgetreu ge&#x017F;chafft?</l><lb/>
            <l>Die Nähma&#x017F;chine hatte&#x017F;t <hi rendition="#g">du</hi> getrieben</l><lb/>
            <l>Und <hi rendition="#g">ich</hi> gedacht, gedichtet und ge&#x017F;chrieben.</l><lb/>
            <l>Doch nun war ich des &#x201E;trocknen Tones &#x017F;att&#x201C;</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;chrieb energi&#x017F;ch: &#x201E;Punkt!&#x201C; aufs letzte Blatt</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;tieg dann flink, mir &#x017F;elber zur Belohnung,</l><lb/>
            <l>In deine zierliche Man&#x017F;ardenwohnung.</l><lb/>
            <l>Ich klopfte an &#x2014; ein necki&#x017F;ches: Herein!</l><lb/>
            <l>Und durch das Fen&#x017F;ter brach der Sonnen&#x017F;chein;</l><lb/>
            <l>Ein Lichtmeer war's, drin Welle &#x017F;chwamm auf Welle,</l><lb/>
            <l>Ich aber &#x017F;tand geblendet auf der Schwelle.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="5">
            <l>O immer, trat ich in dein trautes Heim,</l><lb/>
            <l>Schrieb's mir ins Herz &#x017F;ich wie ein neuer Reim;</l><lb/>
            <l>Doch war's mit &#x017F;einen farbigen Gardinen</l><lb/>
            <l>So hell und freundlich mir noch nie er&#x017F;chienen.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="6">
            <l>Zum Schmaus gedeckt war &#x017F;chon dein kleiner Ti&#x017F;ch,</l><lb/>
            <l>Grau hinterm Spiegel &#x017F;tak ein Flederwi&#x017F;ch</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0062] Hier war's ein Eiſenwagen, dort ein Schiff, Der Schornſtein rauchte und der Dampfhahn pfiff, Die Räder rollten ewig um die Kreiſe Und alles drehte ſich im alten Gleiſe. Nur du und ich, wir beide waren frei Und wußten nichts von Werktagsſclaverei; Wir jauchzten auf, die Noth in uns begrabend, Und machten ſchon Nachmittags Feierabend. Denn hatte jeder nicht mit Luſt und Kraft Die Woche über pflichtgetreu geſchafft? Die Nähmaſchine hatteſt du getrieben Und ich gedacht, gedichtet und geſchrieben. Doch nun war ich des „trocknen Tones ſatt“ Und ſchrieb energiſch: „Punkt!“ aufs letzte Blatt Und ſtieg dann flink, mir ſelber zur Belohnung, In deine zierliche Manſardenwohnung. Ich klopfte an — ein neckiſches: Herein! Und durch das Fenſter brach der Sonnenſchein; Ein Lichtmeer war's, drin Welle ſchwamm auf Welle, Ich aber ſtand geblendet auf der Schwelle. O immer, trat ich in dein trautes Heim, Schrieb's mir ins Herz ſich wie ein neuer Reim; Doch war's mit ſeinen farbigen Gardinen So hell und freundlich mir noch nie erſchienen. Zum Schmaus gedeckt war ſchon dein kleiner Tiſch, Grau hinterm Spiegel ſtak ein Flederwiſch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/62
Zitationshilfe: Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/62>, abgerufen am 22.11.2024.