Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite
Was hat man doch nicht alles schon verdaut!
Recht! Wahrheit! Ehre! Freiheit und so fort!
Doch ist gesetzlich mein Metier, der Mord,
Denn jeder König nennt mich "süße Braut"!
Doch bist du klug, dann geize nach Applaus
Und gieb's nicht weiter, was ich dir entdeckt,
Sonst wirst du sans facon ins Loch gesteckt
Und deine liebe Mitwelt lacht dich aus.
Im härenen Gewand seh ich dich stehn,
Dein Wappen ist ein weißes Todtenbein --
Du Thor, willst du denn einzig Büßer sein,
Indeß die Andern sich im Taumel drehn?
Zerbrich den Fetisch, den du selbst geschnitzt!
Die Welt ist eine große Illusion,
Drum küsse lachend dich auf ihren Thron,
Auf dem das Glück, die goldne Metze, sitzt!
Das bunte Traumbild deiner Phantasie,
Ich will ihm Fleisch und Blut und Leben leihn,
Nur stammle einmal: Mutter, ich bin dein!
Und wirf dich betend vor mir auf dein Knie!"
Was hat man doch nicht alles ſchon verdaut!
Recht! Wahrheit! Ehre! Freiheit und ſo fort!
Doch iſt geſetzlich mein Metier, der Mord,
Denn jeder König nennt mich „ſüße Braut“!
Doch biſt du klug, dann geize nach Applaus
Und gieb's nicht weiter, was ich dir entdeckt,
Sonſt wirſt du sans façon ins Loch geſteckt
Und deine liebe Mitwelt lacht dich aus.
Im härenen Gewand ſeh ich dich ſtehn,
Dein Wappen iſt ein weißes Todtenbein —
Du Thor, willſt du denn einzig Büßer ſein,
Indeß die Andern ſich im Taumel drehn?
Zerbrich den Fetiſch, den du ſelbſt geſchnitzt!
Die Welt iſt eine große Illuſion,
Drum küſſe lachend dich auf ihren Thron,
Auf dem das Glück, die goldne Metze, ſitzt!
Das bunte Traumbild deiner Phantaſie,
Ich will ihm Fleiſch und Blut und Leben leihn,
Nur ſtammle einmal: Mutter, ich bin dein!
Und wirf dich betend vor mir auf dein Knie!“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0448" n="426"/>
          <lg n="14">
            <l>Was hat man doch nicht alles &#x017F;chon verdaut!</l><lb/>
            <l>Recht! Wahrheit! Ehre! Freiheit und &#x017F;o fort!</l><lb/>
            <l>Doch i&#x017F;t <hi rendition="#g">ge&#x017F;etzlich</hi> mein Metier, der Mord,</l><lb/>
            <l>Denn jeder König nennt mich &#x201E;&#x017F;üße Braut&#x201C;!</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="15">
            <l>Doch bi&#x017F;t du klug, dann geize nach Applaus</l><lb/>
            <l>Und gieb's nicht weiter, was ich dir entdeckt,</l><lb/>
            <l>Son&#x017F;t wir&#x017F;t du <hi rendition="#aq">sans façon</hi> ins Loch ge&#x017F;teckt</l><lb/>
            <l>Und deine liebe Mitwelt lacht dich aus.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="16">
            <l>Im härenen Gewand &#x017F;eh ich dich &#x017F;tehn,</l><lb/>
            <l>Dein Wappen i&#x017F;t ein weißes Todtenbein &#x2014;</l><lb/>
            <l>Du Thor, will&#x017F;t du denn <hi rendition="#g">einzig</hi> Büßer &#x017F;ein,</l><lb/>
            <l>Indeß die Andern &#x017F;ich im Taumel drehn?</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="17">
            <l>Zerbrich den Feti&#x017F;ch, den du &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;chnitzt!</l><lb/>
            <l>Die Welt i&#x017F;t eine große Illu&#x017F;ion,</l><lb/>
            <l>Drum kü&#x017F;&#x017F;e lachend dich auf ihren Thron,</l><lb/>
            <l>Auf dem das Glück, die goldne Metze, &#x017F;itzt!</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="18">
            <l>Das bunte Traumbild deiner Phanta&#x017F;ie,</l><lb/>
            <l>Ich will ihm Flei&#x017F;ch und Blut und Leben leihn,</l><lb/>
            <l>Nur &#x017F;tammle einmal: Mutter, ich bin dein!</l><lb/>
            <l>Und wirf dich betend vor mir auf dein Knie!&#x201C;</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[426/0448] Was hat man doch nicht alles ſchon verdaut! Recht! Wahrheit! Ehre! Freiheit und ſo fort! Doch iſt geſetzlich mein Metier, der Mord, Denn jeder König nennt mich „ſüße Braut“! Doch biſt du klug, dann geize nach Applaus Und gieb's nicht weiter, was ich dir entdeckt, Sonſt wirſt du sans façon ins Loch geſteckt Und deine liebe Mitwelt lacht dich aus. Im härenen Gewand ſeh ich dich ſtehn, Dein Wappen iſt ein weißes Todtenbein — Du Thor, willſt du denn einzig Büßer ſein, Indeß die Andern ſich im Taumel drehn? Zerbrich den Fetiſch, den du ſelbſt geſchnitzt! Die Welt iſt eine große Illuſion, Drum küſſe lachend dich auf ihren Thron, Auf dem das Glück, die goldne Metze, ſitzt! Das bunte Traumbild deiner Phantaſie, Ich will ihm Fleiſch und Blut und Leben leihn, Nur ſtammle einmal: Mutter, ich bin dein! Und wirf dich betend vor mir auf dein Knie!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/448
Zitationshilfe: Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/448>, abgerufen am 22.11.2024.