Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite
Und die also Entthronten,
Aus ihrer wahnwitzigen Selbstherrlichkeit
Jählings aufgeschreckt, bäumten sich auf
Und aus den Kehlen
Der Wehgefolterten, Qualverzerrten,
Rang sich, schauerlich gurgelnd,
Der wilde Angstruf:
"Das jüngste Gericht",
Millionenfach!
Auf der rauchenden Brandstatt
Verkohlter, sündiger Paläste
Schlang sich fluchend
Um seinen pestgeschwollenen Leichnam
Der letzte Bettler den letzten Purpur,
Blutgefärbt;
Und von dem braunen,
Gluthgeborstenen Stein von Golgatha
Warf sich vernichtungstoll
Kopfüber hinab
Ins bodenlose, gähnende Nichts
Das wurmzerfressene, hölzerne Kreuz,
Dornenumwunden.
Und niemand kannte den Rabbi von Nazareth!
Der Mond verdunkelte sich,
Durch den schwarzen Abgrund des Raums,
Hin und her wie ein Windlicht,
Und die alſo Entthronten,
Aus ihrer wahnwitzigen Selbſtherrlichkeit
Jählings aufgeſchreckt, bäumten ſich auf
Und aus den Kehlen
Der Wehgefolterten, Qualverzerrten,
Rang ſich, ſchauerlich gurgelnd,
Der wilde Angſtruf:
„Das jüngſte Gericht“,
Millionenfach!
Auf der rauchenden Brandſtatt
Verkohlter, ſündiger Paläſte
Schlang ſich fluchend
Um ſeinen peſtgeſchwollenen Leichnam
Der letzte Bettler den letzten Purpur,
Blutgefärbt;
Und von dem braunen,
Gluthgeborſtenen Stein von Golgatha
Warf ſich vernichtungstoll
Kopfüber hinab
Ins bodenloſe, gähnende Nichts
Das wurmzerfreſſene, hölzerne Kreuz,
Dornenumwunden.
Und niemand kannte den Rabbi von Nazareth!
Der Mond verdunkelte ſich,
Durch den ſchwarzen Abgrund des Raums,
Hin und her wie ein Windlicht,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0286" n="264"/>
          <lg n="6">
            <l>Und die al&#x017F;o Entthronten,</l><lb/>
            <l>Aus ihrer wahnwitzigen Selb&#x017F;therrlichkeit</l><lb/>
            <l>Jählings aufge&#x017F;chreckt, bäumten &#x017F;ich auf</l><lb/>
            <l>Und aus den Kehlen</l><lb/>
            <l>Der Wehgefolterten, Qualverzerrten,</l><lb/>
            <l>Rang &#x017F;ich, &#x017F;chauerlich gurgelnd,</l><lb/>
            <l>Der wilde Ang&#x017F;truf:</l><lb/>
            <l>&#x201E;Das jüng&#x017F;te Gericht&#x201C;,</l><lb/>
            <l>Millionenfach!</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="7">
            <l>Auf der rauchenden Brand&#x017F;tatt</l><lb/>
            <l>Verkohlter, &#x017F;ündiger Palä&#x017F;te</l><lb/>
            <l>Schlang &#x017F;ich fluchend</l><lb/>
            <l>Um &#x017F;einen pe&#x017F;tge&#x017F;chwollenen Leichnam</l><lb/>
            <l>Der letzte Bettler den letzten Purpur,</l><lb/>
            <l>Blutgefärbt;</l><lb/>
            <l>Und von dem braunen,</l><lb/>
            <l>Gluthgebor&#x017F;tenen Stein von Golgatha</l><lb/>
            <l>Warf &#x017F;ich vernichtungstoll</l><lb/>
            <l>Kopfüber hinab</l><lb/>
            <l>Ins bodenlo&#x017F;e, gähnende Nichts</l><lb/>
            <l>Das wurmzerfre&#x017F;&#x017F;ene, hölzerne Kreuz,</l><lb/>
            <l>Dornenumwunden.</l><lb/>
            <l>Und niemand kannte den Rabbi von Nazareth!</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="8">
            <l>Der Mond verdunkelte &#x017F;ich,</l><lb/>
            <l>Durch den &#x017F;chwarzen Abgrund des Raums,</l><lb/>
            <l>Hin und her wie ein Windlicht,</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0286] Und die alſo Entthronten, Aus ihrer wahnwitzigen Selbſtherrlichkeit Jählings aufgeſchreckt, bäumten ſich auf Und aus den Kehlen Der Wehgefolterten, Qualverzerrten, Rang ſich, ſchauerlich gurgelnd, Der wilde Angſtruf: „Das jüngſte Gericht“, Millionenfach! Auf der rauchenden Brandſtatt Verkohlter, ſündiger Paläſte Schlang ſich fluchend Um ſeinen peſtgeſchwollenen Leichnam Der letzte Bettler den letzten Purpur, Blutgefärbt; Und von dem braunen, Gluthgeborſtenen Stein von Golgatha Warf ſich vernichtungstoll Kopfüber hinab Ins bodenloſe, gähnende Nichts Das wurmzerfreſſene, hölzerne Kreuz, Dornenumwunden. Und niemand kannte den Rabbi von Nazareth! Der Mond verdunkelte ſich, Durch den ſchwarzen Abgrund des Raums, Hin und her wie ein Windlicht,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/286
Zitationshilfe: Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/286>, abgerufen am 12.05.2024.