Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.1. Meine Nachbarschaft. Mein Fenster schaut auf einen düstern Hof, Auf schmutzge Dächer und auf rußge Mauern, Doch wer wie ich ein Stückchen Philosoph, Läßt darum sich noch lange nicht bedauern. Ein wenig Luft, ein wenig Sonnenlicht Dringt schließlich auch durch seine trüben Scheiben, Zu hungern und zu frieren brauch ich nicht Und all mein Thun ist nur ein wenig Schreiben. Ein wenig Schreiben, wenn ich stundenlang
Mich einlas in die Wunderwelt der Alten, Bis endlich, endlich es auch mir gelang, Was ich gefühlt, zum Wohllaut zu gestalten. Dann fließt es um mich wie ein Heilgenschein Und mir im Herzen bauen sich Altäre; So könnt' ich glücklich und zufrieden sein, Wenn ach, nur meine Nachbarschaft nicht wäre! 1. Meine Nachbarſchaft. Mein Fenſter ſchaut auf einen düſtern Hof, Auf ſchmutzge Dächer und auf rußge Mauern, Doch wer wie ich ein Stückchen Philoſoph, Läßt darum ſich noch lange nicht bedauern. Ein wenig Luft, ein wenig Sonnenlicht Dringt ſchließlich auch durch ſeine trüben Scheiben, Zu hungern und zu frieren brauch ich nicht Und all mein Thun iſt nur ein wenig Schreiben. Ein wenig Schreiben, wenn ich ſtundenlang
Mich einlas in die Wunderwelt der Alten, Bis endlich, endlich es auch mir gelang, Was ich gefühlt, zum Wohllaut zu geſtalten. Dann fließt es um mich wie ein Heilgenſchein Und mir im Herzen bauen ſich Altäre; So könnt' ich glücklich und zufrieden ſein, Wenn ach, nur meine Nachbarſchaft nicht wäre! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0107" n="85"/> <div n="2"> <head>1.<lb/><hi rendition="#b">Meine Nachbarſchaft.</hi><lb/></head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">M</hi>ein Fenſter ſchaut auf einen düſtern Hof,</l><lb/> <l>Auf ſchmutzge Dächer und auf rußge Mauern,</l><lb/> <l>Doch wer wie ich ein Stückchen Philoſoph,</l><lb/> <l>Läßt darum ſich noch lange nicht bedauern.</l><lb/> <l>Ein wenig Luft, ein wenig Sonnenlicht</l><lb/> <l>Dringt ſchließlich auch durch <hi rendition="#g">ſeine</hi> trüben Scheiben,</l><lb/> <l>Zu hungern und zu frieren brauch ich nicht</l><lb/> <l>Und all mein Thun iſt nur ein wenig Schreiben.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Ein wenig Schreiben, wenn ich ſtundenlang</l><lb/> <l>Mich einlas in die Wunderwelt der Alten,</l><lb/> <l>Bis endlich, endlich es auch mir gelang,</l><lb/> <l>Was ich gefühlt, zum Wohllaut zu geſtalten.</l><lb/> <l>Dann fließt es um mich wie ein Heilgenſchein</l><lb/> <l>Und mir im Herzen bauen ſich Altäre;</l><lb/> <l>So könnt' ich glücklich und zufrieden ſein,</l><lb/> <l>Wenn ach, nur meine Nachbarſchaft nicht wäre!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [85/0107]
1.
Meine Nachbarſchaft.
Mein Fenſter ſchaut auf einen düſtern Hof,
Auf ſchmutzge Dächer und auf rußge Mauern,
Doch wer wie ich ein Stückchen Philoſoph,
Läßt darum ſich noch lange nicht bedauern.
Ein wenig Luft, ein wenig Sonnenlicht
Dringt ſchließlich auch durch ſeine trüben Scheiben,
Zu hungern und zu frieren brauch ich nicht
Und all mein Thun iſt nur ein wenig Schreiben.
Ein wenig Schreiben, wenn ich ſtundenlang
Mich einlas in die Wunderwelt der Alten,
Bis endlich, endlich es auch mir gelang,
Was ich gefühlt, zum Wohllaut zu geſtalten.
Dann fließt es um mich wie ein Heilgenſchein
Und mir im Herzen bauen ſich Altäre;
So könnt' ich glücklich und zufrieden ſein,
Wenn ach, nur meine Nachbarſchaft nicht wäre!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |