"Jch soll Sie vertreiben, Fräulein Ottilie? Nim- mermehr."
Närrischer Mensch, kann es denn anders sein? Euer Häuschen steht leer, der Gerichtshalter will es vermiethen, ich ziehe ein. Jhr kommt wieder, -- ich ziehe aus und mache dem Besitzer Platz. Reden wir nicht weiter davon. Heute geht in's Wirthshaus, schlaft auf frischem Heu ... und morgen nehmt Eure Sachen in Empfang.
"Ach, wenn ich nur nicht so arm wieder käme, ärmer als ich auszog, -- und wenn ich mir's nur getraute ... ich möchte wohl ... aber, Fräulein Tiele- tunke ... ich weiß halt nicht ...!"
Anton, gieb mir die Hand! Du bist ein gutes, ehrliches Herz. Damit genug! Geh' Deiner Wege, bis morgen. Suche den Herrn Kurator auf. Dein Vormund ist begraben. Morgen räum' ich Dein Haus! Kein Wort weiter. Geh'!
Sie hat mich verstanden, murmelte Anton im Gehen. Und ich verstand sie auch. Sie weiset meinen Antrag zurück, im Häuschen zu bleiben und mich wie- der ziehen zu lassen; sie will dies Opfer von mir nicht annehmen; ihr Stolz hat sie noch nicht verlassen, auch in ihrer Armuth nicht. Da bleibt für jetzt nichts
„Jch ſoll Sie vertreiben, Fraͤulein Ottilie? Nim- mermehr.“
Naͤrriſcher Menſch, kann es denn anders ſein? Euer Haͤuschen ſteht leer, der Gerichtshalter will es vermiethen, ich ziehe ein. Jhr kommt wieder, — ich ziehe aus und mache dem Beſitzer Platz. Reden wir nicht weiter davon. Heute geht in’s Wirthshaus, ſchlaft auf friſchem Heu ... und morgen nehmt Eure Sachen in Empfang.
„Ach, wenn ich nur nicht ſo arm wieder kaͤme, aͤrmer als ich auszog, — und wenn ich mir’s nur getraute ... ich moͤchte wohl ... aber, Fraͤulein Tiele- tunke ... ich weiß halt nicht ...!“
Anton, gieb mir die Hand! Du biſt ein gutes, ehrliches Herz. Damit genug! Geh’ Deiner Wege, bis morgen. Suche den Herrn Kurator auf. Dein Vormund iſt begraben. Morgen raͤum’ ich Dein Haus! Kein Wort weiter. Geh’!
Sie hat mich verſtanden, murmelte Anton im Gehen. Und ich verſtand ſie auch. Sie weiſet meinen Antrag zuruͤck, im Haͤuschen zu bleiben und mich wie- der ziehen zu laſſen; ſie will dies Opfer von mir nicht annehmen; ihr Stolz hat ſie noch nicht verlaſſen, auch in ihrer Armuth nicht. Da bleibt fuͤr jetzt nichts
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„Jch ſoll Sie vertreiben, Fraͤulein Ottilie? Nim-
mermehr.“
Naͤrriſcher Menſch, kann es denn anders ſein?
Euer Haͤuschen ſteht leer, der Gerichtshalter will es
vermiethen, ich ziehe ein. Jhr kommt wieder, — ich
ziehe aus und mache dem Beſitzer Platz. Reden wir
nicht weiter davon. Heute geht in’s Wirthshaus,
ſchlaft auf friſchem Heu ... und morgen nehmt Eure
Sachen in Empfang.
„Ach, wenn ich nur nicht ſo arm wieder kaͤme,
aͤrmer als ich auszog, — und wenn ich mir’s nur
getraute ... ich moͤchte wohl ... aber, Fraͤulein Tiele-
tunke ... ich weiß halt nicht ...!“
Anton, gieb mir die Hand! Du biſt ein gutes,
ehrliches Herz. Damit genug! Geh’ Deiner Wege,
bis morgen. Suche den Herrn Kurator auf. Dein
Vormund iſt begraben. Morgen raͤum’ ich Dein
Haus! Kein Wort weiter. Geh’!
Sie hat mich verſtanden, murmelte Anton im
Gehen. Und ich verſtand ſie auch. Sie weiſet meinen
Antrag zuruͤck, im Haͤuschen zu bleiben und mich wie-
der ziehen zu laſſen; ſie will dies Opfer von mir nicht
annehmen; ihr Stolz hat ſie noch nicht verlaſſen,
auch in ihrer Armuth nicht. Da bleibt fuͤr jetzt nichts
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/94>, abgerufen am 05.07.2024.
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