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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

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und Mäusen, dem Verderben geweiht, seiner mystischen
Todesurtheile harreten. Anton aber war der Mei-
nung, daß dieser Vorwand eben nur ein Vorwand
sei, durch welchen der gutmüthige Riese ferneren Dank-
sagungen, vorzüglich jedoch der ihm zugedachten Ent-
schädigung, oder Belohnung habe entgehen wollen.
"Ein zartfühlender, großmüthiger Rattenfänger!
Vielleicht kann ich's ihm doch dereinst vergelten, was
er für mich gethan? Vielleicht sucht er mein Häus-
chen auf, um darin zu sterben!"

Der Förster und seine Burschen begleiteten Anton
bis an ihres Waldes Grenzen. Seit den letzten
Tagen wollt' es ihn bedünken, wie wenn sein Gast-
freund ein anderes Wesen gegen ihn angenommen
hätte, als derselbe während der verflossenen zwei
Monate an den Tag gelegt. Und jetzt, auf dem
Wege durch den Wald trat diese Veränderung unver-
kennbar hervor. Die derbe, treuherzige Freundlich-
keit eines von eigener Amtswürde überzeugten Beam-
ten war verschwunden, an ihre Stelle eine fast ver-
legene Artigkeit getreten, die sich, bei wiederholten
Ausbrüchen von Anton's Dankgefühl, nicht mehr an
grobe Zurückweisung desselben wagte, sondern ein
verbindlich-ablehnendes Schweigen entgegenstellte.

und Maͤuſen, dem Verderben geweiht, ſeiner myſtiſchen
Todesurtheile harreten. Anton aber war der Mei-
nung, daß dieſer Vorwand eben nur ein Vorwand
ſei, durch welchen der gutmuͤthige Rieſe ferneren Dank-
ſagungen, vorzuͤglich jedoch der ihm zugedachten Ent-
ſchaͤdigung, oder Belohnung habe entgehen wollen.
„Ein zartfuͤhlender, großmuͤthiger Rattenfaͤnger!
Vielleicht kann ich’s ihm doch dereinſt vergelten, was
er fuͤr mich gethan? Vielleicht ſucht er mein Haͤus-
chen auf, um darin zu ſterben!“

Der Foͤrſter und ſeine Burſchen begleiteten Anton
bis an ihres Waldes Grenzen. Seit den letzten
Tagen wollt’ es ihn beduͤnken, wie wenn ſein Gaſt-
freund ein anderes Weſen gegen ihn angenommen
haͤtte, als derſelbe waͤhrend der verfloſſenen zwei
Monate an den Tag gelegt. Und jetzt, auf dem
Wege durch den Wald trat dieſe Veraͤnderung unver-
kennbar hervor. Die derbe, treuherzige Freundlich-
keit eines von eigener Amtswuͤrde uͤberzeugten Beam-
ten war verſchwunden, an ihre Stelle eine faſt ver-
legene Artigkeit getreten, die ſich, bei wiederholten
Ausbruͤchen von Anton’s Dankgefuͤhl, nicht mehr an
grobe Zuruͤckweiſung deſſelben wagte, ſondern ein
verbindlich-ablehnendes Schweigen entgegenſtellte.

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[64/0068] und Maͤuſen, dem Verderben geweiht, ſeiner myſtiſchen Todesurtheile harreten. Anton aber war der Mei- nung, daß dieſer Vorwand eben nur ein Vorwand ſei, durch welchen der gutmuͤthige Rieſe ferneren Dank- ſagungen, vorzuͤglich jedoch der ihm zugedachten Ent- ſchaͤdigung, oder Belohnung habe entgehen wollen. „Ein zartfuͤhlender, großmuͤthiger Rattenfaͤnger! Vielleicht kann ich’s ihm doch dereinſt vergelten, was er fuͤr mich gethan? Vielleicht ſucht er mein Haͤus- chen auf, um darin zu ſterben!“ Der Foͤrſter und ſeine Burſchen begleiteten Anton bis an ihres Waldes Grenzen. Seit den letzten Tagen wollt’ es ihn beduͤnken, wie wenn ſein Gaſt- freund ein anderes Weſen gegen ihn angenommen haͤtte, als derſelbe waͤhrend der verfloſſenen zwei Monate an den Tag gelegt. Und jetzt, auf dem Wege durch den Wald trat dieſe Veraͤnderung unver- kennbar hervor. Die derbe, treuherzige Freundlich- keit eines von eigener Amtswuͤrde uͤberzeugten Beam- ten war verſchwunden, an ihre Stelle eine faſt ver- legene Artigkeit getreten, die ſich, bei wiederholten Ausbruͤchen von Anton’s Dankgefuͤhl, nicht mehr an grobe Zuruͤckweiſung deſſelben wagte, ſondern ein verbindlich-ablehnendes Schweigen entgegenſtellte.

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/68>, abgerufen am 28.04.2024.