Noch einmal wendete Guido einen bittenden Blick auf Anton, der so viel sagen sollte, als: recht- fertige Dich!
Dieser nahm das Wort:
Herr Graf, ich habe nur die Befehle meiner ster- benden Mutter ausgeführt, da ich hier, mit innerli- chem Widerstreben eindrang. Sie haben mich liebe- voll aufgenommen, ich danke Jhnen für die väterlich- edlen Absichten, die Sie mir kund gethan; ich nehme, scheidend, Achtung und kindliche Verehrung für Sie in meinem Herzen mit mir fort; aber ich muß schei- den. Jch kann und darf mich zwischen Sie und Jhren Sohn nicht drängen. Die Theilnahme, die Sie mir, nah oder fern gönnen wollten, müßte ewigen Zwiespalt herbeiführen. Von Versöhnung zwischen ihm und mir kann niemals die Rede sein. Er haßt mich auf Leben und Tod; er weiß, warum er es thut; er hat Recht mich zu hassen. Jch geb' es ihm von ganzer Seele zurück. Doch er ist Jhr Sohn, er ist der Sohn der Gräfin Julia, und ich weiche ihm. Leben Sie wohl mein -- mein Herr Graf!
"Anton, bleibe, bleibe bei mir! Er liebt uns nicht. Du hättest mich geliebt und ich Dich. Rei-
Noch einmal wendete Guido einen bittenden Blick auf Anton, der ſo viel ſagen ſollte, als: recht- fertige Dich!
Dieſer nahm das Wort:
Herr Graf, ich habe nur die Befehle meiner ſter- benden Mutter ausgefuͤhrt, da ich hier, mit innerli- chem Widerſtreben eindrang. Sie haben mich liebe- voll aufgenommen, ich danke Jhnen fuͤr die vaͤterlich- edlen Abſichten, die Sie mir kund gethan; ich nehme, ſcheidend, Achtung und kindliche Verehrung fuͤr Sie in meinem Herzen mit mir fort; aber ich muß ſchei- den. Jch kann und darf mich zwiſchen Sie und Jhren Sohn nicht draͤngen. Die Theilnahme, die Sie mir, nah oder fern goͤnnen wollten, muͤßte ewigen Zwieſpalt herbeifuͤhren. Von Verſoͤhnung zwiſchen ihm und mir kann niemals die Rede ſein. Er haßt mich auf Leben und Tod; er weiß, warum er es thut; er hat Recht mich zu haſſen. Jch geb’ es ihm von ganzer Seele zuruͤck. Doch er iſt Jhr Sohn, er iſt der Sohn der Graͤfin Julia, und ich weiche ihm. Leben Sie wohl mein — mein Herr Graf!
„Anton, bleibe, bleibe bei mir! Er liebt uns nicht. Du haͤtteſt mich geliebt und ich Dich. Rei-
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Noch einmal wendete Guido einen bittenden
Blick auf Anton, der ſo viel ſagen ſollte, als: recht-
fertige Dich!
Dieſer nahm das Wort:
Herr Graf, ich habe nur die Befehle meiner ſter-
benden Mutter ausgefuͤhrt, da ich hier, mit innerli-
chem Widerſtreben eindrang. Sie haben mich liebe-
voll aufgenommen, ich danke Jhnen fuͤr die vaͤterlich-
edlen Abſichten, die Sie mir kund gethan; ich nehme,
ſcheidend, Achtung und kindliche Verehrung fuͤr Sie
in meinem Herzen mit mir fort; aber ich muß ſchei-
den. Jch kann und darf mich zwiſchen Sie und
Jhren Sohn nicht draͤngen. Die Theilnahme, die Sie
mir, nah oder fern goͤnnen wollten, muͤßte ewigen
Zwieſpalt herbeifuͤhren. Von Verſoͤhnung zwiſchen
ihm und mir kann niemals die Rede ſein. Er haßt
mich auf Leben und Tod; er weiß, warum er es thut;
er hat Recht mich zu haſſen. Jch geb’ es ihm von
ganzer Seele zuruͤck. Doch er iſt Jhr Sohn, er iſt
der Sohn der Graͤfin Julia, und ich weiche ihm.
Leben Sie wohl mein — mein Herr Graf!
„Anton, bleibe, bleibe bei mir! Er liebt uns
nicht. Du haͤtteſt mich geliebt und ich Dich. Rei-
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/40>, abgerufen am 05.07.2024.
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