Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

ihnen vorgestern drüben an der Landstraße begegnet.
Cara memoria! Da, seh'n Sie nur.

Zwei Bären, drei Affen, eine reichgeputzte Ziege,
ein galoppirendes Stachelschwein*) und ein Esel, wel-
cher die hölzerne, inwendig mit Eisenblech ausgefüt-
terte Behausung des besagten "Eisenferkels" zu tra-
gen verdammt war, versammelten Liebenau's schau-
lustige Einwohnerschaft in jubelndem Kreise um ihre
unfreiwilligen Uebungen. Als wir uns näherten,
öffnete sich der Kreis; Anton, von Alt und Jung
herzlich begrüßt, redete den alten Jtaliener an und
fragte, von wannen er stamme?

Aus Parma, Excellenza! antwortete der Mann.

Anton reichte ihm einen Thaler, dann ergriff er
hastig meinen Arm und zog mich fort.

"Was mag aus meinem armen Geronimo gewor-
den sein?" murmelte er im Gehen.

*) Es ist eine alte, unbegründete Sage, daß dieses Thier
(Hystrix cristata) von feindlichen anderen Thieren verfolgt,
seine Stacheln als Waffen gegen jene schleudere! Wie gesagt,
das ist ein Mährchen. Wahrheit aber ist, daß ich mit einem
Kästchen wundervoll geschnittener Federkiele, einen solchen
zum Griffel dienenden Stachel, von meiner berühmten
Freundin, Luise Neumann, als Geschenk empfangen, und mit
selbigem dies ganze Buch, folglich auch diese Zeilen geschrie-
ben habe. H.

ihnen vorgeſtern druͤben an der Landſtraße begegnet.
Cara memoria! Da, ſeh’n Sie nur.

Zwei Baͤren, drei Affen, eine reichgeputzte Ziege,
ein galoppirendes Stachelſchwein*) und ein Eſel, wel-
cher die hoͤlzerne, inwendig mit Eiſenblech ausgefuͤt-
terte Behauſung des beſagten „Eiſenferkels“ zu tra-
gen verdammt war, verſammelten Liebenau’s ſchau-
luſtige Einwohnerſchaft in jubelndem Kreiſe um ihre
unfreiwilligen Uebungen. Als wir uns naͤherten,
oͤffnete ſich der Kreis; Anton, von Alt und Jung
herzlich begruͤßt, redete den alten Jtaliener an und
fragte, von wannen er ſtamme?

Aus Parma, Excellenza! antwortete der Mann.

Anton reichte ihm einen Thaler, dann ergriff er
haſtig meinen Arm und zog mich fort.

„Was mag aus meinem armen Geronimo gewor-
den ſein?“ murmelte er im Gehen.

*) Es iſt eine alte, unbegründete Sage, daß dieſes Thier
(Hystrix cristata) von feindlichen anderen Thieren verfolgt,
ſeine Stacheln als Waffen gegen jene ſchleudere! Wie geſagt,
das iſt ein Mährchen. Wahrheit aber iſt, daß ich mit einem
Käſtchen wundervoll geſchnittener Federkiele, einen ſolchen
zum Griffel dienenden Stachel, von meiner berühmten
Freundin, Luiſe Neumann, als Geſchenk empfangen, und mit
ſelbigem dies ganze Buch, folglich auch dieſe Zeilen geſchrie-
ben habe. H.
<TEI>
  <text>
    <back>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0221" n="217"/>
ihnen vorge&#x017F;tern dru&#x0364;ben an der Land&#x017F;traße begegnet.<lb/><hi rendition="#aq">Cara memoria!</hi> Da, &#x017F;eh&#x2019;n Sie nur.</p><lb/>
            <p>Zwei Ba&#x0364;ren, drei Affen, eine reichgeputzte Ziege,<lb/>
ein galoppirendes Stachel&#x017F;chwein<note place="foot" n="*)">Es i&#x017F;t eine alte, unbegründete Sage, daß die&#x017F;es Thier<lb/><hi rendition="#aq">(Hystrix cristata)</hi> von feindlichen anderen Thieren verfolgt,<lb/>
&#x017F;eine Stacheln als Waffen gegen jene &#x017F;chleudere! Wie ge&#x017F;agt,<lb/>
das i&#x017F;t ein Mährchen. Wahrheit aber i&#x017F;t, daß ich mit einem<lb/>&#x017F;tchen wundervoll ge&#x017F;chnittener Federkiele, einen &#x017F;olchen<lb/>
zum Griffel dienenden Stachel, von meiner berühmten<lb/>
Freundin, Lui&#x017F;e Neumann, als Ge&#x017F;chenk empfangen, und mit<lb/>
&#x017F;elbigem dies ganze Buch, folglich auch die&#x017F;e Zeilen ge&#x017F;chrie-<lb/>
ben habe. <hi rendition="#et">H.</hi></note> und ein E&#x017F;el, wel-<lb/>
cher die ho&#x0364;lzerne, inwendig mit Ei&#x017F;enblech ausgefu&#x0364;t-<lb/>
terte Behau&#x017F;ung des be&#x017F;agten &#x201E;Ei&#x017F;enferkels&#x201C; zu tra-<lb/>
gen verdammt war, ver&#x017F;ammelten Liebenau&#x2019;s &#x017F;chau-<lb/>
lu&#x017F;tige Einwohner&#x017F;chaft in jubelndem Krei&#x017F;e um ihre<lb/>
unfreiwilligen Uebungen. Als wir uns na&#x0364;herten,<lb/>
o&#x0364;ffnete &#x017F;ich der Kreis; Anton, von Alt und Jung<lb/>
herzlich begru&#x0364;ßt, redete den alten Jtaliener an und<lb/>
fragte, von wannen er &#x017F;tamme?</p><lb/>
            <p>Aus Parma, Excellenza! antwortete der Mann.</p><lb/>
            <p>Anton reichte ihm einen Thaler, dann ergriff er<lb/>
ha&#x017F;tig meinen Arm und zog mich fort.</p><lb/>
            <p>&#x201E;Was mag aus meinem armen Geronimo gewor-<lb/>
den &#x017F;ein?&#x201C; murmelte er im Gehen.</p>
          </div><lb/>
        </div>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[217/0221] ihnen vorgeſtern druͤben an der Landſtraße begegnet. Cara memoria! Da, ſeh’n Sie nur. Zwei Baͤren, drei Affen, eine reichgeputzte Ziege, ein galoppirendes Stachelſchwein *) und ein Eſel, wel- cher die hoͤlzerne, inwendig mit Eiſenblech ausgefuͤt- terte Behauſung des beſagten „Eiſenferkels“ zu tra- gen verdammt war, verſammelten Liebenau’s ſchau- luſtige Einwohnerſchaft in jubelndem Kreiſe um ihre unfreiwilligen Uebungen. Als wir uns naͤherten, oͤffnete ſich der Kreis; Anton, von Alt und Jung herzlich begruͤßt, redete den alten Jtaliener an und fragte, von wannen er ſtamme? Aus Parma, Excellenza! antwortete der Mann. Anton reichte ihm einen Thaler, dann ergriff er haſtig meinen Arm und zog mich fort. „Was mag aus meinem armen Geronimo gewor- den ſein?“ murmelte er im Gehen. *) Es iſt eine alte, unbegründete Sage, daß dieſes Thier (Hystrix cristata) von feindlichen anderen Thieren verfolgt, ſeine Stacheln als Waffen gegen jene ſchleudere! Wie geſagt, das iſt ein Mährchen. Wahrheit aber iſt, daß ich mit einem Käſtchen wundervoll geſchnittener Federkiele, einen ſolchen zum Griffel dienenden Stachel, von meiner berühmten Freundin, Luiſe Neumann, als Geſchenk empfangen, und mit ſelbigem dies ganze Buch, folglich auch dieſe Zeilen geſchrie- ben habe. H.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/221
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/221>, abgerufen am 28.11.2024.