Dingen erlauben Sie mir die Frage: lebt "Tiele- tunke" noch?"
Ob sie lebt! Das will ich hoffen. Meine Kinder kratzen Jhnen die Augen aus, wenn sie in Jhnen einen Frevler ahnen, der am Dasein der geliebten "Tante Tieletunke" zweifeln konnte. Ja, dem Him- mel sei Dank, sie lebt; und was noch mehr ist: wir wollen gehen, sie zu besuchen. Jch hab' ohnedies einige nothwendige Gänge in's Feld zu machen, und wenn Sie gut zu Fuße sind --
"So lange und so viel Sie wollen; wo möglich auch in den Fuchswinkel."
Auch das. Aber wir müssen eilen!
Anton bestellte, daß erst um vier Uhr die Suppe aufgetragen werde und wir begaben uns nach Otti- liens Häuschen.
Sie machte mir ganz den Eindruck, den ich erwar- tet: scheinbar kalt, mehr zurückstoßend, als anziehend. Und doch sprach aus der beinahe fünfzigjährigen alten Jungfrau ein ungewöhnlicher Zauber.
Anton entdeckte ihr, daß ich sein Journal gelesen und zu welchem Zweck. Er fügte bei: Fräulein Ottilie werde auch nicht geschont werden.
Jch will wünschen, äußerte sie, daß der Herr das
Dingen erlauben Sie mir die Frage: lebt „Tiele- tunke“ noch?“
Ob ſie lebt! Das will ich hoffen. Meine Kinder kratzen Jhnen die Augen aus, wenn ſie in Jhnen einen Frevler ahnen, der am Daſein der geliebten „Tante Tieletunke“ zweifeln konnte. Ja, dem Him- mel ſei Dank, ſie lebt; und was noch mehr iſt: wir wollen gehen, ſie zu beſuchen. Jch hab’ ohnedies einige nothwendige Gaͤnge in’s Feld zu machen, und wenn Sie gut zu Fuße ſind —
„So lange und ſo viel Sie wollen; wo moͤglich auch in den Fuchswinkel.“
Auch das. Aber wir muͤſſen eilen!
Anton beſtellte, daß erſt um vier Uhr die Suppe aufgetragen werde und wir begaben uns nach Otti- liens Haͤuschen.
Sie machte mir ganz den Eindruck, den ich erwar- tet: ſcheinbar kalt, mehr zuruͤckſtoßend, als anziehend. Und doch ſprach aus der beinahe fuͤnfzigjaͤhrigen alten Jungfrau ein ungewoͤhnlicher Zauber.
Anton entdeckte ihr, daß ich ſein Journal geleſen und zu welchem Zweck. Er fuͤgte bei: Fraͤulein Ottilie werde auch nicht geſchont werden.
Jch will wuͤnſchen, aͤußerte ſie, daß der Herr das
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Dingen erlauben Sie mir die Frage: lebt „Tiele-
tunke“ noch?“
Ob ſie lebt! Das will ich hoffen. Meine Kinder
kratzen Jhnen die Augen aus, wenn ſie in Jhnen
einen Frevler ahnen, der am Daſein der geliebten
„Tante Tieletunke“ zweifeln konnte. Ja, dem Him-
mel ſei Dank, ſie lebt; und was noch mehr iſt: wir
wollen gehen, ſie zu beſuchen. Jch hab’ ohnedies
einige nothwendige Gaͤnge in’s Feld zu machen, und
wenn Sie gut zu Fuße ſind —
„So lange und ſo viel Sie wollen; wo moͤglich
auch in den Fuchswinkel.“
Auch das. Aber wir muͤſſen eilen!
Anton beſtellte, daß erſt um vier Uhr die Suppe
aufgetragen werde und wir begaben uns nach Otti-
liens Haͤuschen.
Sie machte mir ganz den Eindruck, den ich erwar-
tet: ſcheinbar kalt, mehr zuruͤckſtoßend, als anziehend.
Und doch ſprach aus der beinahe fuͤnfzigjaͤhrigen alten
Jungfrau ein ungewoͤhnlicher Zauber.
Anton entdeckte ihr, daß ich ſein Journal geleſen
und zu welchem Zweck. Er fuͤgte bei: Fraͤulein
Ottilie werde auch nicht geſchont werden.
Jch will wuͤnſchen, aͤußerte ſie, daß der Herr das
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/219>, abgerufen am 05.07.2024.
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