Physiker, Chemiker, Techniker zu vollenden, wonach er eine Stellung in Brüssel, oder gar Paris zu finden dachte. Er sah mich und faßte für mich jene glühende Passion, die mit verderblicher Gewalt sich bisweilen eines jungen Mannes um so furchtbarer bemächtiget, wenn er selbst noch ganz unverdorben ist. Da er keinen Begriff haben konnte von meiner Schlechtig- keit, weil er überhaupt nicht zu ahnen vermochte, daß es Teufel meiner Gattung in dieser Gestalt und in so zarter Jugend auf Erden gebe, ließ er kein Mittel unversucht, sich mir zunähern. Jch, seine Schüch- ternheit durchschauend, kam ihm sittsam entgegen, war schlau genug, ihn über mich und meine Eigen- schaften zu täuschen, spielte die Vorwurfsfreie, die nur aus Liebe für ihn sich schwach zeige und schloß auf diese Art ein Bündniß, welches ihn beglückte, welches er für ein unauflösliches betrachtete. Dies that ich, weil ein solches Spiel mir neu war; anfäng- lich ohne tiefere Empfindung. Ja, ich verspottete seine Leichtgläubigkeit, indem ich ihm Treue schwur. Aber das dauerte nicht lange. Der wahren, aufrich- tigen Feuergluth heißer Liebe widersteht fühllose Härte zuletzt doch auch nicht. Während ich noch wähnte, dies Verhältniß zu beherrschen und ihn von mir zu
Phyſiker, Chemiker, Techniker zu vollenden, wonach er eine Stellung in Bruͤſſel, oder gar Paris zu finden dachte. Er ſah mich und faßte fuͤr mich jene gluͤhende Paſſion, die mit verderblicher Gewalt ſich bisweilen eines jungen Mannes um ſo furchtbarer bemaͤchtiget, wenn er ſelbſt noch ganz unverdorben iſt. Da er keinen Begriff haben konnte von meiner Schlechtig- keit, weil er uͤberhaupt nicht zu ahnen vermochte, daß es Teufel meiner Gattung in dieſer Geſtalt und in ſo zarter Jugend auf Erden gebe, ließ er kein Mittel unverſucht, ſich mir zunaͤhern. Jch, ſeine Schuͤch- ternheit durchſchauend, kam ihm ſittſam entgegen, war ſchlau genug, ihn uͤber mich und meine Eigen- ſchaften zu taͤuſchen, ſpielte die Vorwurfsfreie, die nur aus Liebe fuͤr ihn ſich ſchwach zeige und ſchloß auf dieſe Art ein Buͤndniß, welches ihn begluͤckte, welches er fuͤr ein unaufloͤsliches betrachtete. Dies that ich, weil ein ſolches Spiel mir neu war; anfaͤng- lich ohne tiefere Empfindung. Ja, ich verſpottete ſeine Leichtglaͤubigkeit, indem ich ihm Treue ſchwur. Aber das dauerte nicht lange. Der wahren, aufrich- tigen Feuergluth heißer Liebe widerſteht fuͤhlloſe Haͤrte zuletzt doch auch nicht. Waͤhrend ich noch waͤhnte, dies Verhaͤltniß zu beherrſchen und ihn von mir zu
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[16/0020]
Phyſiker, Chemiker, Techniker zu vollenden, wonach
er eine Stellung in Bruͤſſel, oder gar Paris zu finden
dachte. Er ſah mich und faßte fuͤr mich jene gluͤhende
Paſſion, die mit verderblicher Gewalt ſich bisweilen
eines jungen Mannes um ſo furchtbarer bemaͤchtiget,
wenn er ſelbſt noch ganz unverdorben iſt. Da er
keinen Begriff haben konnte von meiner Schlechtig-
keit, weil er uͤberhaupt nicht zu ahnen vermochte, daß
es Teufel meiner Gattung in dieſer Geſtalt und in ſo
zarter Jugend auf Erden gebe, ließ er kein Mittel
unverſucht, ſich mir zunaͤhern. Jch, ſeine Schuͤch-
ternheit durchſchauend, kam ihm ſittſam entgegen,
war ſchlau genug, ihn uͤber mich und meine Eigen-
ſchaften zu taͤuſchen, ſpielte die Vorwurfsfreie, die
nur aus Liebe fuͤr ihn ſich ſchwach zeige und ſchloß
auf dieſe Art ein Buͤndniß, welches ihn begluͤckte,
welches er fuͤr ein unaufloͤsliches betrachtete. Dies
that ich, weil ein ſolches Spiel mir neu war; anfaͤng-
lich ohne tiefere Empfindung. Ja, ich verſpottete
ſeine Leichtglaͤubigkeit, indem ich ihm Treue ſchwur.
Aber das dauerte nicht lange. Der wahren, aufrich-
tigen Feuergluth heißer Liebe widerſteht fuͤhlloſe Haͤrte
zuletzt doch auch nicht. Waͤhrend ich noch waͤhnte,
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/20>, abgerufen am 16.02.2025.
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