des heutigen Tages überstanden sind; die Glückwünsche und die Danksagungen. Denn ich befinde mich in der seltsamen Lage, Vormittags Gratulationen und Gaben für mich in Empfang zu nehmen, weil ich meinen Geburtstag begehe; Nachmittags dagegen liegt mir, als Familienhaupt, die Sorge ob, Andere zu begaben, weil wir den heiligen Christ-Abend feiern. Voriges Jahr gewährte es mir eitles Vergnügen, meine Beamten vor mir aufmarschiren zu sehen und mich von ihnen anwünschen zu lassen. O vanitas vanitatum! Diesmal hätt' ich sie lieber hinaus- geworfen, Alle, -- den guten Pastor-Puschel aus- genommen, den ich liebe, weil er ein täuschendes Ab- und Nachbild seines Vaters wird. Nachhaltiger wirkte die Lust am Beschenken der ärmeren Dorfleute. Ottilie und Hedwig hatten das prächtig hergerichtet und aufgebaut. Meine Frau benimmt sich dabei wie ein Engel, den man anbeten möchte.
Mitten in dem Jubel und im Schimmer der unzähligen Lichter fiel mir ein, daß ich vor zwei Jah- ren aus Kästners Haus im Gebirge wie ein begosse- ner Pudel fortlief, und wandernd, heimathlos, auf- gegeben, den Christ-Abend im tiefen Walde zubringen mußte. Und spürt' ich nicht heute, umgeben von
des heutigen Tages uͤberſtanden ſind; die Gluͤckwuͤnſche und die Dankſagungen. Denn ich befinde mich in der ſeltſamen Lage, Vormittags Gratulationen und Gaben fuͤr mich in Empfang zu nehmen, weil ich meinen Geburtstag begehe; Nachmittags dagegen liegt mir, als Familienhaupt, die Sorge ob, Andere zu begaben, weil wir den heiligen Chriſt-Abend feiern. Voriges Jahr gewaͤhrte es mir eitles Vergnuͤgen, meine Beamten vor mir aufmarſchiren zu ſehen und mich von ihnen anwuͤnſchen zu laſſen. O vanitas vanitatum! Diesmal haͤtt’ ich ſie lieber hinaus- geworfen, Alle, — den guten Paſtor-Puſchel aus- genommen, den ich liebe, weil er ein taͤuſchendes Ab- und Nachbild ſeines Vaters wird. Nachhaltiger wirkte die Luſt am Beſchenken der aͤrmeren Dorfleute. Ottilie und Hedwig hatten das praͤchtig hergerichtet und aufgebaut. Meine Frau benimmt ſich dabei wie ein Engel, den man anbeten moͤchte.
Mitten in dem Jubel und im Schimmer der unzaͤhligen Lichter fiel mir ein, daß ich vor zwei Jah- ren aus Kaͤſtners Haus im Gebirge wie ein begoſſe- ner Pudel fortlief, und wandernd, heimathlos, auf- gegeben, den Chriſt-Abend im tiefen Walde zubringen mußte. Und ſpuͤrt’ ich nicht heute, umgeben von
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des heutigen Tages uͤberſtanden ſind; die Gluͤckwuͤnſche
und die Dankſagungen. Denn ich befinde mich in
der ſeltſamen Lage, Vormittags Gratulationen und
Gaben fuͤr mich in Empfang zu nehmen, weil ich
meinen Geburtstag begehe; Nachmittags dagegen
liegt mir, als Familienhaupt, die Sorge ob, Andere zu
begaben, weil wir den heiligen Chriſt-Abend feiern.
Voriges Jahr gewaͤhrte es mir eitles Vergnuͤgen,
meine Beamten vor mir aufmarſchiren zu ſehen und
mich von ihnen anwuͤnſchen zu laſſen. O vanitas
vanitatum! Diesmal haͤtt’ ich ſie lieber hinaus-
geworfen, Alle, — den guten Paſtor-Puſchel aus-
genommen, den ich liebe, weil er ein taͤuſchendes Ab-
und Nachbild ſeines Vaters wird. Nachhaltiger
wirkte die Luſt am Beſchenken der aͤrmeren Dorfleute.
Ottilie und Hedwig hatten das praͤchtig hergerichtet
und aufgebaut. Meine Frau benimmt ſich dabei wie
ein Engel, den man anbeten moͤchte.
Mitten in dem Jubel und im Schimmer der
unzaͤhligen Lichter fiel mir ein, daß ich vor zwei Jah-
ren aus Kaͤſtners Haus im Gebirge wie ein begoſſe-
ner Pudel fortlief, und wandernd, heimathlos, auf-
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/188>, abgerufen am 26.07.2024.
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