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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

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verglichen, das Jhrige Jhnen wie Glück erschei-
nen wird.

Als Sie mich in D. sahen, kann ich beinahe vier-
zehn Jahre alt gewesen sein. Das Jahr zuvor hatte
mein Vater mich an einen reichen Russen verkauft.
Jn diesen wenigen Worten ist die Geschichte meiner
Jugend enthalten. Jch fuhr fort, zu sündigen, nicht,
weil mich Leidenschaft oder Neigung trieb, sondern
nur aus Eitelkeit, aus Lust am Schlechten, Gemeinen,
Niedrigen. Es fehlte nicht an Verehrern, die ich,
Einen wie Alle, verhöhnte, denen ich Geschenke
abschwatzte und über die ich mich, je vornehmer und
reicher sie waren, desto lieber und ausgelassener lustig
machte in vertrautem Umgange irgend eines kecken
Schulknaben, eines Lehrjungen, eines Jokei's. Mit
sechszehn Jahren stand ich auf einer so niedrigen
Stufe der Verderbtheit, daß ich kaum noch tiefer hätte
sinken können. Dabei wurd' ich immer schöner. Es
scheint Naturen zu geben, die im Laster äußerlich
gedeihen und sich nur kräftiger blühend daraus ent-
falten, wie manche üppige Frucht am goldensten und
duftigsten aus Mist emporwächst. Jch ward ange-
staunt wie ein Wunder von Schönheit, Gewandtheit,
Körperkraft, Bravour auf dem Seile und Korruption.

verglichen, das Jhrige Jhnen wie Gluͤck erſchei-
nen wird.

Als Sie mich in D. ſahen, kann ich beinahe vier-
zehn Jahre alt geweſen ſein. Das Jahr zuvor hatte
mein Vater mich an einen reichen Ruſſen verkauft.
Jn dieſen wenigen Worten iſt die Geſchichte meiner
Jugend enthalten. Jch fuhr fort, zu ſuͤndigen, nicht,
weil mich Leidenſchaft oder Neigung trieb, ſondern
nur aus Eitelkeit, aus Luſt am Schlechten, Gemeinen,
Niedrigen. Es fehlte nicht an Verehrern, die ich,
Einen wie Alle, verhoͤhnte, denen ich Geſchenke
abſchwatzte und uͤber die ich mich, je vornehmer und
reicher ſie waren, deſto lieber und ausgelaſſener luſtig
machte in vertrautem Umgange irgend eines kecken
Schulknaben, eines Lehrjungen, eines Jokei’s. Mit
ſechszehn Jahren ſtand ich auf einer ſo niedrigen
Stufe der Verderbtheit, daß ich kaum noch tiefer haͤtte
ſinken koͤnnen. Dabei wurd’ ich immer ſchoͤner. Es
ſcheint Naturen zu geben, die im Laſter aͤußerlich
gedeihen und ſich nur kraͤftiger bluͤhend daraus ent-
falten, wie manche uͤppige Frucht am goldenſten und
duftigſten aus Miſt emporwaͤchst. Jch ward ange-
ſtaunt wie ein Wunder von Schoͤnheit, Gewandtheit,
Koͤrperkraft, Bravour auf dem Seile und Korruption.

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[14/0018] verglichen, das Jhrige Jhnen wie Gluͤck erſchei- nen wird. Als Sie mich in D. ſahen, kann ich beinahe vier- zehn Jahre alt geweſen ſein. Das Jahr zuvor hatte mein Vater mich an einen reichen Ruſſen verkauft. Jn dieſen wenigen Worten iſt die Geſchichte meiner Jugend enthalten. Jch fuhr fort, zu ſuͤndigen, nicht, weil mich Leidenſchaft oder Neigung trieb, ſondern nur aus Eitelkeit, aus Luſt am Schlechten, Gemeinen, Niedrigen. Es fehlte nicht an Verehrern, die ich, Einen wie Alle, verhoͤhnte, denen ich Geſchenke abſchwatzte und uͤber die ich mich, je vornehmer und reicher ſie waren, deſto lieber und ausgelaſſener luſtig machte in vertrautem Umgange irgend eines kecken Schulknaben, eines Lehrjungen, eines Jokei’s. Mit ſechszehn Jahren ſtand ich auf einer ſo niedrigen Stufe der Verderbtheit, daß ich kaum noch tiefer haͤtte ſinken koͤnnen. Dabei wurd’ ich immer ſchoͤner. Es ſcheint Naturen zu geben, die im Laſter aͤußerlich gedeihen und ſich nur kraͤftiger bluͤhend daraus ent- falten, wie manche uͤppige Frucht am goldenſten und duftigſten aus Miſt emporwaͤchst. Jch ward ange- ſtaunt wie ein Wunder von Schoͤnheit, Gewandtheit, Koͤrperkraft, Bravour auf dem Seile und Korruption.

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/18>, abgerufen am 29.03.2024.