Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Jch danke Dir für Deinen redlichen Willen, Deinen
treuen Sinn. Damit Du siehst, daß die arme Tiele-
tunke nicht hochmüthig ist, bei ihrem Stolze, will sie
eine Bitte an Dich richten. Du bist der einzige
Mensch auf Erden, den ich jemals um etwas bat. --
Jch bitte Dich, mir Deiner Großmutter Häuschen
zu schenken, -- vielmehr, es mir zu lassen, damit
ich es bewohne, bis ich sterbe! Gestern hätt' ich diese
Bitte nicht gewagt, denn gestern noch hattest Du
selbst nicht, wo Du Dein Haupt hinlegen konntest.
Heute hat sich das geändert. Du bewohnst die
Mauern, in denen ich aufwuchs; -- lasse mich da-
gegen die kleinen Räume bewohnen, die Deine schön-
sten Jahre umschlossen. -- Nein, Anton, das Glück
der Kindheit kehrt uns nie mehr wieder!

Und wenn's dem Herrn von Liebenau danach zu
Muthe ist, mag er seinen Weg manchmal nehmen
nach dem Hause der Mutter Goksch. Eine liebende
Großmutter wohnt nicht mehr darin, aber eine treue,
aufrichtige, uneigennützige Freundin wird er hier
finden, so lange die alte Jungfer lebt. Ja, auch
dann darf er mich besuchen, wenn er verheirathet ist.
Ach, mein Spiegel sagt mir wohl, daß eine junge
schöne Frau auf mich nicht eifersüchtig werden wird,

Jch danke Dir fuͤr Deinen redlichen Willen, Deinen
treuen Sinn. Damit Du ſiehſt, daß die arme Tiele-
tunke nicht hochmuͤthig iſt, bei ihrem Stolze, will ſie
eine Bitte an Dich richten. Du biſt der einzige
Menſch auf Erden, den ich jemals um etwas bat. —
Jch bitte Dich, mir Deiner Großmutter Haͤuschen
zu ſchenken, — vielmehr, es mir zu laſſen, damit
ich es bewohne, bis ich ſterbe! Geſtern haͤtt’ ich dieſe
Bitte nicht gewagt, denn geſtern noch hatteſt Du
ſelbſt nicht, wo Du Dein Haupt hinlegen konnteſt.
Heute hat ſich das geaͤndert. Du bewohnſt die
Mauern, in denen ich aufwuchs; — laſſe mich da-
gegen die kleinen Raͤume bewohnen, die Deine ſchoͤn-
ſten Jahre umſchloſſen. — Nein, Anton, das Gluͤck
der Kindheit kehrt uns nie mehr wieder!

Und wenn’s dem Herrn von Liebenau danach zu
Muthe iſt, mag er ſeinen Weg manchmal nehmen
nach dem Hauſe der Mutter Gokſch. Eine liebende
Großmutter wohnt nicht mehr darin, aber eine treue,
aufrichtige, uneigennuͤtzige Freundin wird er hier
finden, ſo lange die alte Jungfer lebt. Ja, auch
dann darf er mich beſuchen, wenn er verheirathet iſt.
Ach, mein Spiegel ſagt mir wohl, daß eine junge
ſchoͤne Frau auf mich nicht eiferſuͤchtig werden wird,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0128" n="124"/>
Jch danke Dir fu&#x0364;r Deinen redlichen Willen, Deinen<lb/>
treuen Sinn. Damit Du &#x017F;ieh&#x017F;t, daß die arme Tiele-<lb/>
tunke nicht hochmu&#x0364;thig i&#x017F;t, bei ihrem Stolze, will &#x017F;ie<lb/>
eine Bitte <hi rendition="#g">an Dich</hi> richten. Du bi&#x017F;t der einzige<lb/>
Men&#x017F;ch auf Erden, den ich jemals um etwas bat. &#x2014;<lb/>
Jch bitte Dich, mir Deiner Großmutter Ha&#x0364;uschen<lb/>
zu &#x017F;chenken, &#x2014; vielmehr, es mir zu la&#x017F;&#x017F;en, damit<lb/>
ich es bewohne, bis ich &#x017F;terbe! Ge&#x017F;tern ha&#x0364;tt&#x2019; ich die&#x017F;e<lb/>
Bitte nicht gewagt, denn ge&#x017F;tern noch hatte&#x017F;t Du<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t nicht, wo Du Dein Haupt hinlegen konnte&#x017F;t.<lb/>
Heute hat &#x017F;ich das gea&#x0364;ndert. <hi rendition="#g">Du</hi> bewohn&#x017F;t die<lb/>
Mauern, in denen ich aufwuchs; &#x2014; la&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#g">mich</hi> da-<lb/>
gegen die kleinen Ra&#x0364;ume bewohnen, die Deine &#x017F;cho&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;ten Jahre um&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; Nein, Anton, das Glu&#x0364;ck<lb/>
der Kindheit kehrt uns nie mehr wieder!</p><lb/>
        <p>Und wenn&#x2019;s dem Herrn von Liebenau danach zu<lb/>
Muthe i&#x017F;t, mag er &#x017F;einen Weg manchmal nehmen<lb/>
nach dem Hau&#x017F;e der Mutter Gok&#x017F;ch. Eine liebende<lb/>
Großmutter wohnt nicht mehr darin, aber eine treue,<lb/>
aufrichtige, uneigennu&#x0364;tzige Freundin wird er hier<lb/>
finden, &#x017F;o lange die alte Jungfer lebt. Ja, auch<lb/>
dann darf er mich be&#x017F;uchen, wenn er verheirathet i&#x017F;t.<lb/>
Ach, mein Spiegel &#x017F;agt mir wohl, daß eine junge<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;ne Frau auf mich nicht eifer&#x017F;u&#x0364;chtig werden wird,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[124/0128] Jch danke Dir fuͤr Deinen redlichen Willen, Deinen treuen Sinn. Damit Du ſiehſt, daß die arme Tiele- tunke nicht hochmuͤthig iſt, bei ihrem Stolze, will ſie eine Bitte an Dich richten. Du biſt der einzige Menſch auf Erden, den ich jemals um etwas bat. — Jch bitte Dich, mir Deiner Großmutter Haͤuschen zu ſchenken, — vielmehr, es mir zu laſſen, damit ich es bewohne, bis ich ſterbe! Geſtern haͤtt’ ich dieſe Bitte nicht gewagt, denn geſtern noch hatteſt Du ſelbſt nicht, wo Du Dein Haupt hinlegen konnteſt. Heute hat ſich das geaͤndert. Du bewohnſt die Mauern, in denen ich aufwuchs; — laſſe mich da- gegen die kleinen Raͤume bewohnen, die Deine ſchoͤn- ſten Jahre umſchloſſen. — Nein, Anton, das Gluͤck der Kindheit kehrt uns nie mehr wieder! Und wenn’s dem Herrn von Liebenau danach zu Muthe iſt, mag er ſeinen Weg manchmal nehmen nach dem Hauſe der Mutter Gokſch. Eine liebende Großmutter wohnt nicht mehr darin, aber eine treue, aufrichtige, uneigennuͤtzige Freundin wird er hier finden, ſo lange die alte Jungfer lebt. Ja, auch dann darf er mich beſuchen, wenn er verheirathet iſt. Ach, mein Spiegel ſagt mir wohl, daß eine junge ſchoͤne Frau auf mich nicht eiferſuͤchtig werden wird,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/128
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/128>, abgerufen am 03.05.2024.