mein Gemahl ist todt -- ich stehe allein. Du bist des Verstorbenen Kind, bist das Kind eines unglück- lichen Weibes, welches sterbend Dich an mein Herz legte: Du bist mein Sohn. Als solcher mußt Du wissen, was geschehen ist, seitdem Du Deinen Vater zum Erstenmale -- zum Letztenmale gesehen; mußt wissen, welches furchtbare Geschick über uns herein- gebrochen; mußt Deinen Theil des Unglücks auf Dich nehmen und tragen, wie er Dir gebührt; mußt erfahren, warum ich der Welt und ihrem Geräusch entsagend, mich in tiefe Zurückgezogenheit begeben und dort nur Gott, mir und guten Werken leben will. Als Du Deinen Vater verlassen, brach zwi- schen ihm und seinem ehelichen, -- meinem Sohne, ein gräßlicher, unkindlicher Zwist aus. Graf Louis war ein ungerathener, ein herzloser Sohn. Jch, seine Mutter, sage das. Jndem ich es Dir sage, bricht mein Herz. Aber ich verschweige nichts, denn zwischen uns darf kein Geheimniß walten, Anton! Seines Vaters Nachsicht hatte ihn verdorben, ihn zum früh-gereiften, früh-verlorenen Knaben werden lassen. Meine Gegenwirkungen blieben ohne Kraft, ohne Erfolg. Doch wär' es unmöglich, daß irrege- leitete väterliche Liebe und Schwäche einen solchen
mein Gemahl iſt todt — ich ſtehe allein. Du biſt des Verſtorbenen Kind, biſt das Kind eines ungluͤck- lichen Weibes, welches ſterbend Dich an mein Herz legte: Du biſt mein Sohn. Als ſolcher mußt Du wiſſen, was geſchehen iſt, ſeitdem Du Deinen Vater zum Erſtenmale — zum Letztenmale geſehen; mußt wiſſen, welches furchtbare Geſchick uͤber uns herein- gebrochen; mußt Deinen Theil des Ungluͤcks auf Dich nehmen und tragen, wie er Dir gebuͤhrt; mußt erfahren, warum ich der Welt und ihrem Geraͤuſch entſagend, mich in tiefe Zuruͤckgezogenheit begeben und dort nur Gott, mir und guten Werken leben will. Als Du Deinen Vater verlaſſen, brach zwi- ſchen ihm und ſeinem ehelichen, — meinem Sohne, ein graͤßlicher, unkindlicher Zwiſt aus. Graf Louis war ein ungerathener, ein herzloſer Sohn. Jch, ſeine Mutter, ſage das. Jndem ich es Dir ſage, bricht mein Herz. Aber ich verſchweige nichts, denn zwiſchen uns darf kein Geheimniß walten, Anton! Seines Vaters Nachſicht hatte ihn verdorben, ihn zum fruͤh-gereiften, fruͤh-verlorenen Knaben werden laſſen. Meine Gegenwirkungen blieben ohne Kraft, ohne Erfolg. Doch waͤr’ es unmoͤglich, daß irrege- leitete vaͤterliche Liebe und Schwaͤche einen ſolchen
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mein Gemahl iſt todt — ich ſtehe allein. Du biſt
des Verſtorbenen Kind, biſt das Kind eines ungluͤck-
lichen Weibes, welches ſterbend Dich an mein Herz
legte: Du biſt mein Sohn. Als ſolcher mußt Du
wiſſen, was geſchehen iſt, ſeitdem Du Deinen Vater
zum Erſtenmale — zum Letztenmale geſehen; mußt
wiſſen, welches furchtbare Geſchick uͤber uns herein-
gebrochen; mußt Deinen Theil des Ungluͤcks auf
Dich nehmen und tragen, wie er Dir gebuͤhrt; mußt
erfahren, warum ich der Welt und ihrem Geraͤuſch
entſagend, mich in tiefe Zuruͤckgezogenheit begeben
und dort nur Gott, mir und guten Werken leben
will. Als Du Deinen Vater verlaſſen, brach zwi-
ſchen ihm und ſeinem ehelichen, — meinem Sohne,
ein graͤßlicher, unkindlicher Zwiſt aus. Graf Louis
war ein ungerathener, ein herzloſer Sohn. Jch,
ſeine Mutter, ſage das. Jndem ich es Dir ſage,
bricht mein Herz. Aber ich verſchweige nichts, denn
zwiſchen uns darf kein Geheimniß walten, Anton!
Seines Vaters Nachſicht hatte ihn verdorben, ihn
zum fruͤh-gereiften, fruͤh-verlorenen Knaben werden
laſſen. Meine Gegenwirkungen blieben ohne Kraft,
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 4. Breslau, 1852, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden04_1852/111>, abgerufen am 26.07.2024.
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