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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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res zu thun bliebe, als demuthsvoll in sich zu zerfallen
und vor aller Welt in den Staub heimzukehren, aus
dem es entstand. Er überschaute den Kreis, der sie
beide umgab, aus dem viele Blicke sich nach ihm rich-
teten, in Erwartung, den Namen eines Virtuosen von
hohem Range aus dem Munde zu vernehmen, welchem
Paganini's Lippen den weihenden Bruderkuß gegeben.

Dann sagte er, ohne Bitterkeit, ohne Ziererei,
ganz einfach und natürlich:

"Jch bin der Knecht des Kameeltreibers Gero-
nimo."

Ein lautes Gelächter folgte dieser Erklärung.
Nur Paganini blieb ernst.

Aber wie kamen Sie zu Lipinski?

"Er hörte mich geigen, -- bei Nacht, -- und ich
ihn; ich suchte ihn auf."

Und er empfiehlt Sie mir? Dahinter muß mehr
stecken; Sie müssen ihn entzückt haben. Da, spielen
Sie auf meiner Violine -- (er vergaß die zerrissenen
Saiten!) -- lassen Sie mich hören, was Sie können.
Wenn's danach ist, sollen Sie mein Schüler werden.

"Daß Gott mich davor behüte! Auch wenn ich
etwas mehr wäre, als ein Stümper, vor Jhnen, auf
diesem Jnstrument, müßt' ich doch als solcher erscheinen.

res zu thun bliebe, als demuthsvoll in ſich zu zerfallen
und vor aller Welt in den Staub heimzukehren, aus
dem es entſtand. Er uͤberſchaute den Kreis, der ſie
beide umgab, aus dem viele Blicke ſich nach ihm rich-
teten, in Erwartung, den Namen eines Virtuoſen von
hohem Range aus dem Munde zu vernehmen, welchem
Paganini’s Lippen den weihenden Bruderkuß gegeben.

Dann ſagte er, ohne Bitterkeit, ohne Ziererei,
ganz einfach und natuͤrlich:

„Jch bin der Knecht des Kameeltreibers Gero-
nimo.“

Ein lautes Gelaͤchter folgte dieſer Erklaͤrung.
Nur Paganini blieb ernſt.

Aber wie kamen Sie zu Lipinski?

„Er hoͤrte mich geigen, — bei Nacht, — und ich
ihn; ich ſuchte ihn auf.“

Und er empfiehlt Sie mir? Dahinter muß mehr
ſtecken; Sie muͤſſen ihn entzuͤckt haben. Da, ſpielen
Sie auf meiner Violine — (er vergaß die zerriſſenen
Saiten!) — laſſen Sie mich hoͤren, was Sie koͤnnen.
Wenn’s danach iſt, ſollen Sie mein Schuͤler werden.

„Daß Gott mich davor behuͤte! Auch wenn ich
etwas mehr waͤre, als ein Stuͤmper, vor Jhnen, auf
dieſem Jnſtrument, muͤßt’ ich doch als ſolcher erſcheinen.

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[82/0086] res zu thun bliebe, als demuthsvoll in ſich zu zerfallen und vor aller Welt in den Staub heimzukehren, aus dem es entſtand. Er uͤberſchaute den Kreis, der ſie beide umgab, aus dem viele Blicke ſich nach ihm rich- teten, in Erwartung, den Namen eines Virtuoſen von hohem Range aus dem Munde zu vernehmen, welchem Paganini’s Lippen den weihenden Bruderkuß gegeben. Dann ſagte er, ohne Bitterkeit, ohne Ziererei, ganz einfach und natuͤrlich: „Jch bin der Knecht des Kameeltreibers Gero- nimo.“ Ein lautes Gelaͤchter folgte dieſer Erklaͤrung. Nur Paganini blieb ernſt. Aber wie kamen Sie zu Lipinski? „Er hoͤrte mich geigen, — bei Nacht, — und ich ihn; ich ſuchte ihn auf.“ Und er empfiehlt Sie mir? Dahinter muß mehr ſtecken; Sie muͤſſen ihn entzuͤckt haben. Da, ſpielen Sie auf meiner Violine — (er vergaß die zerriſſenen Saiten!) — laſſen Sie mich hoͤren, was Sie koͤnnen. Wenn’s danach iſt, ſollen Sie mein Schuͤler werden. „Daß Gott mich davor behuͤte! Auch wenn ich etwas mehr waͤre, als ein Stuͤmper, vor Jhnen, auf dieſem Jnſtrument, muͤßt’ ich doch als ſolcher erſcheinen.

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/86>, abgerufen am 17.05.2024.