Geronimo, Anton und der philharmonische Vor- städter begaben sich mit einander nach dem Konzerte. Der Vorstädter hatte seinen Bratenrock angelegt. Geronimo sah aus, wie ein Handwerksmann von gröberem Zuschnitt, -- so zwischen Schmied und Zimmermann, -- der sich sonntäglich geputzt. Anton dagegen wie ein vornehmer junger Herr im Reisekleid.
Dem scharf geübten Auge Geronimo's entging dieser Unterschied nicht. Er machte den Vorstädter aufmerksam darauf, während dieser an seiner Seite hinter dem ungeduldig voranlaufenden Anton her- keuchte:
"Was meint Jhr zu meinem Burschen? habt Jhr dergleichen schon gesehen in unserem Gewerbe? Für was haltet Jhr ihn?"
Jch halte ihn, erwiederte der Vorstädter, für einen Engländer; was sie einen Lord nennen, der die Wette einging, so und so lange als Knecht bei einem Kameel- treiber zu dienen. Wenn die Zeit um ist und er hat seine Wette gewonnen, treffen die Equipagen ein, und Diener mit Haarbeuteln, und er ist wieder ein Lord. Man müßte sie nicht kennen, diese Engländer! Sie sind alle toll.
"Aber er ist kein Engländer; er ist ein Deutscher."
Geronimo, Anton und der philharmoniſche Vor- ſtaͤdter begaben ſich mit einander nach dem Konzerte. Der Vorſtaͤdter hatte ſeinen Bratenrock angelegt. Geronimo ſah aus, wie ein Handwerksmann von groͤberem Zuſchnitt, — ſo zwiſchen Schmied und Zimmermann, — der ſich ſonntaͤglich geputzt. Anton dagegen wie ein vornehmer junger Herr im Reiſekleid.
Dem ſcharf geuͤbten Auge Geronimo’s entging dieſer Unterſchied nicht. Er machte den Vorſtaͤdter aufmerkſam darauf, waͤhrend dieſer an ſeiner Seite hinter dem ungeduldig voranlaufenden Anton her- keuchte:
„Was meint Jhr zu meinem Burſchen? habt Jhr dergleichen ſchon geſehen in unſerem Gewerbe? Fuͤr was haltet Jhr ihn?“
Jch halte ihn, erwiederte der Vorſtaͤdter, fuͤr einen Englaͤnder; was ſie einen Lord nennen, der die Wette einging, ſo und ſo lange als Knecht bei einem Kameel- treiber zu dienen. Wenn die Zeit um iſt und er hat ſeine Wette gewonnen, treffen die Equipagen ein, und Diener mit Haarbeuteln, und er iſt wieder ein Lord. Man muͤßte ſie nicht kennen, dieſe Englaͤnder! Sie ſind alle toll.
„Aber er iſt kein Englaͤnder; er iſt ein Deutſcher.“
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0077"n="73"/><p>Geronimo, Anton und der philharmoniſche Vor-<lb/>ſtaͤdter begaben ſich mit einander nach dem Konzerte.<lb/>
Der Vorſtaͤdter hatte ſeinen Bratenrock angelegt.<lb/>
Geronimo ſah aus, wie ein Handwerksmann von<lb/>
groͤberem Zuſchnitt, —ſo zwiſchen Schmied und<lb/>
Zimmermann, — der ſich ſonntaͤglich geputzt. Anton<lb/>
dagegen wie ein vornehmer junger Herr im Reiſekleid.</p><lb/><p>Dem ſcharf geuͤbten Auge Geronimo’s entging<lb/>
dieſer Unterſchied nicht. Er machte den Vorſtaͤdter<lb/>
aufmerkſam darauf, waͤhrend dieſer an ſeiner Seite<lb/>
hinter dem ungeduldig voranlaufenden Anton her-<lb/>
keuchte:</p><lb/><p>„Was meint Jhr zu meinem Burſchen? habt Jhr<lb/>
dergleichen ſchon geſehen in unſerem Gewerbe? Fuͤr<lb/>
was haltet Jhr ihn?“</p><lb/><p>Jch halte ihn, erwiederte der Vorſtaͤdter, fuͤr einen<lb/>
Englaͤnder; was ſie einen Lord nennen, der die Wette<lb/>
einging, ſo und ſo lange als Knecht bei einem Kameel-<lb/>
treiber zu dienen. Wenn die Zeit um iſt und er hat<lb/>ſeine Wette gewonnen, treffen die Equipagen ein,<lb/>
und Diener mit Haarbeuteln, und er iſt wieder ein<lb/>
Lord. Man muͤßte ſie nicht kennen, dieſe Englaͤnder!<lb/>
Sie ſind alle toll.</p><lb/><p>„Aber er iſt kein Englaͤnder; er iſt ein Deutſcher.“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[73/0077]
Geronimo, Anton und der philharmoniſche Vor-
ſtaͤdter begaben ſich mit einander nach dem Konzerte.
Der Vorſtaͤdter hatte ſeinen Bratenrock angelegt.
Geronimo ſah aus, wie ein Handwerksmann von
groͤberem Zuſchnitt, — ſo zwiſchen Schmied und
Zimmermann, — der ſich ſonntaͤglich geputzt. Anton
dagegen wie ein vornehmer junger Herr im Reiſekleid.
Dem ſcharf geuͤbten Auge Geronimo’s entging
dieſer Unterſchied nicht. Er machte den Vorſtaͤdter
aufmerkſam darauf, waͤhrend dieſer an ſeiner Seite
hinter dem ungeduldig voranlaufenden Anton her-
keuchte:
„Was meint Jhr zu meinem Burſchen? habt Jhr
dergleichen ſchon geſehen in unſerem Gewerbe? Fuͤr
was haltet Jhr ihn?“
Jch halte ihn, erwiederte der Vorſtaͤdter, fuͤr einen
Englaͤnder; was ſie einen Lord nennen, der die Wette
einging, ſo und ſo lange als Knecht bei einem Kameel-
treiber zu dienen. Wenn die Zeit um iſt und er hat
ſeine Wette gewonnen, treffen die Equipagen ein,
und Diener mit Haarbeuteln, und er iſt wieder ein
Lord. Man muͤßte ſie nicht kennen, dieſe Englaͤnder!
Sie ſind alle toll.
„Aber er iſt kein Englaͤnder; er iſt ein Deutſcher.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/77>, abgerufen am 26.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.