Und er schrieb unter "Charles Lipinski" die französischen Worte: "empfiehlt seinen jungen Freund Antonio der Güte des Maestro Nicolo Paganini."
Bei San Rossore unweit Pisa liegt eine Sand- fläche, von Eichen, Erlen, Brombeerhecken, Distel- gesträuchen so sparsam durchwachsen, daß sie im Ganzen ein recht artiges Bildchen arabischer Wüste- neien giebt. Dort werden seit Jahrhunderten Ka- meele erzogen. Und weil das Kameel, dem Schafe gleich, Vielweiberei treibt; weil für viele Frauen ein Gatte genügt, so verkauft man gern den jungen männlichen Nachwuchs, findet jedoch in der Umgegend selten Kauflustige, da kein Landmann sich danach sehnt, seine Baumanlagen durch diese sonst brauch- baren Thiere verwüsten zu lassen.
Von dort also haben die meisten Kameeltreiber ihre unglücklichen, gequälten Opfer abgeholt, die wir in unserer Kindheit, poetischer Ahnung voll, für Asiens oder Afrika's Kinder hielten, wenn wir sie nach dem dumpfen Schlag der Trommel, beim schril-
Die Vagabunden. III. 5.
„Das will ſagen hier zu Lande Antonio?“
Und er ſchrieb unter „Charles Lipinski“ die franzoͤſiſchen Worte: „empfiehlt ſeinen jungen Freund Antonio der Guͤte des Maëſtro Nicolo Paganini.“
Bei San Roſſore unweit Piſa liegt eine Sand- flaͤche, von Eichen, Erlen, Brombeerhecken, Diſtel- geſtraͤuchen ſo ſparſam durchwachſen, daß ſie im Ganzen ein recht artiges Bildchen arabiſcher Wuͤſte- neien giebt. Dort werden ſeit Jahrhunderten Ka- meele erzogen. Und weil das Kameel, dem Schafe gleich, Vielweiberei treibt; weil fuͤr viele Frauen ein Gatte genuͤgt, ſo verkauft man gern den jungen maͤnnlichen Nachwuchs, findet jedoch in der Umgegend ſelten Kaufluſtige, da kein Landmann ſich danach ſehnt, ſeine Baumanlagen durch dieſe ſonſt brauch- baren Thiere verwuͤſten zu laſſen.
Von dort alſo haben die meiſten Kameeltreiber ihre ungluͤcklichen, gequaͤlten Opfer abgeholt, die wir in unſerer Kindheit, poetiſcher Ahnung voll, fuͤr Aſiens oder Afrika’s Kinder hielten, wenn wir ſie nach dem dumpfen Schlag der Trommel, beim ſchril-
Die Vagabunden. III. 5.
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„Das will ſagen hier zu Lande Antonio?“
Und er ſchrieb unter „Charles Lipinski“ die
franzoͤſiſchen Worte: „empfiehlt ſeinen jungen Freund
Antonio der Guͤte des Maëſtro Nicolo Paganini.“
Bei San Roſſore unweit Piſa liegt eine Sand-
flaͤche, von Eichen, Erlen, Brombeerhecken, Diſtel-
geſtraͤuchen ſo ſparſam durchwachſen, daß ſie im
Ganzen ein recht artiges Bildchen arabiſcher Wuͤſte-
neien giebt. Dort werden ſeit Jahrhunderten Ka-
meele erzogen. Und weil das Kameel, dem Schafe
gleich, Vielweiberei treibt; weil fuͤr viele Frauen ein
Gatte genuͤgt, ſo verkauft man gern den jungen
maͤnnlichen Nachwuchs, findet jedoch in der Umgegend
ſelten Kaufluſtige, da kein Landmann ſich danach
ſehnt, ſeine Baumanlagen durch dieſe ſonſt brauch-
baren Thiere verwuͤſten zu laſſen.
Von dort alſo haben die meiſten Kameeltreiber
ihre ungluͤcklichen, gequaͤlten Opfer abgeholt, die wir
in unſerer Kindheit, poetiſcher Ahnung voll, fuͤr
Aſiens oder Afrika’s Kinder hielten, wenn wir ſie
nach dem dumpfen Schlag der Trommel, beim ſchril-
Die Vagabunden. III. 5.
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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/69>, abgerufen am 26.07.2024.
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