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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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weit nützlicher zu finden, daß man den Lebendigen --
(das heißt ihnen) -- zuwende, was dem Todten
gewiß gleichgültig sei. Und so wurde denn der um
seine schönsten Hoffnungen abermals betrogene Anton
durch den Tod seines neuerworbenen Gönners in
peinigende Noth und Entbehrung versetzt, anstatt,
wie der Sterbende beabsichtiget, durch ihn zum wohl-
habenden Gutsbesitzer zu werden. Daß er die dünne
Börse für Theodor's Sarg und Grabstätte leeren
müssen, schmerzte ihn nicht; vielmehr gab es ihm eine
fromme Beruhigung, dies Opfer der jüngst geschlos-
senen Versöhnung mit einem unglücklichen Gegner
gebracht zu haben. Daß er aber dadurch die Mög-
lichkeit verloren sah, der Carina nachzueilen, das
erfüllte seine Seele mit Gram.

"Jetzt ist es wohl vorbei, sprach er, mit jeder
günstigen Aussicht für mich! Diese letzte Täuschung
war die grausamste. Sie scheint über mich verhängt
als Strafe für meine Pariser Verirrungen und
Schlechtigkeiten. Verdient mag sie sein, aber hart
ist sie nicht minder. Ja sie ist grausam. Züchtige
Deinen Sünder, ewige Macht; lasse ihn das schwerste
Gewicht Deines Rächerarmes fühlen, ... aber locke
ihn nicht erst spöttisch auf heitere Hügel von denen

weit nuͤtzlicher zu finden, daß man den Lebendigen —
(das heißt ihnen) — zuwende, was dem Todten
gewiß gleichguͤltig ſei. Und ſo wurde denn der um
ſeine ſchoͤnſten Hoffnungen abermals betrogene Anton
durch den Tod ſeines neuerworbenen Goͤnners in
peinigende Noth und Entbehrung verſetzt, anſtatt,
wie der Sterbende beabſichtiget, durch ihn zum wohl-
habenden Gutsbeſitzer zu werden. Daß er die duͤnne
Boͤrſe fuͤr Theodor’s Sarg und Grabſtaͤtte leeren
muͤſſen, ſchmerzte ihn nicht; vielmehr gab es ihm eine
fromme Beruhigung, dies Opfer der juͤngſt geſchloſ-
ſenen Verſoͤhnung mit einem ungluͤcklichen Gegner
gebracht zu haben. Daß er aber dadurch die Moͤg-
lichkeit verloren ſah, der Carina nachzueilen, das
erfuͤllte ſeine Seele mit Gram.

„Jetzt iſt es wohl vorbei, ſprach er, mit jeder
guͤnſtigen Ausſicht fuͤr mich! Dieſe letzte Taͤuſchung
war die grauſamſte. Sie ſcheint uͤber mich verhaͤngt
als Strafe fuͤr meine Pariſer Verirrungen und
Schlechtigkeiten. Verdient mag ſie ſein, aber hart
iſt ſie nicht minder. Ja ſie iſt grauſam. Zuͤchtige
Deinen Suͤnder, ewige Macht; laſſe ihn das ſchwerſte
Gewicht Deines Raͤcherarmes fuͤhlen, ... aber locke
ihn nicht erſt ſpoͤttiſch auf heitere Huͤgel von denen

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[57/0061] weit nuͤtzlicher zu finden, daß man den Lebendigen — (das heißt ihnen) — zuwende, was dem Todten gewiß gleichguͤltig ſei. Und ſo wurde denn der um ſeine ſchoͤnſten Hoffnungen abermals betrogene Anton durch den Tod ſeines neuerworbenen Goͤnners in peinigende Noth und Entbehrung verſetzt, anſtatt, wie der Sterbende beabſichtiget, durch ihn zum wohl- habenden Gutsbeſitzer zu werden. Daß er die duͤnne Boͤrſe fuͤr Theodor’s Sarg und Grabſtaͤtte leeren muͤſſen, ſchmerzte ihn nicht; vielmehr gab es ihm eine fromme Beruhigung, dies Opfer der juͤngſt geſchloſ- ſenen Verſoͤhnung mit einem ungluͤcklichen Gegner gebracht zu haben. Daß er aber dadurch die Moͤg- lichkeit verloren ſah, der Carina nachzueilen, das erfuͤllte ſeine Seele mit Gram. „Jetzt iſt es wohl vorbei, ſprach er, mit jeder guͤnſtigen Ausſicht fuͤr mich! Dieſe letzte Taͤuſchung war die grauſamſte. Sie ſcheint uͤber mich verhaͤngt als Strafe fuͤr meine Pariſer Verirrungen und Schlechtigkeiten. Verdient mag ſie ſein, aber hart iſt ſie nicht minder. Ja ſie iſt grauſam. Zuͤchtige Deinen Suͤnder, ewige Macht; laſſe ihn das ſchwerſte Gewicht Deines Raͤcherarmes fuͤhlen, ... aber locke ihn nicht erſt ſpoͤttiſch auf heitere Huͤgel von denen

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/61>, abgerufen am 28.11.2024.