weit nützlicher zu finden, daß man den Lebendigen -- (das heißt ihnen) -- zuwende, was dem Todten gewiß gleichgültig sei. Und so wurde denn der um seine schönsten Hoffnungen abermals betrogene Anton durch den Tod seines neuerworbenen Gönners in peinigende Noth und Entbehrung versetzt, anstatt, wie der Sterbende beabsichtiget, durch ihn zum wohl- habenden Gutsbesitzer zu werden. Daß er die dünne Börse für Theodor's Sarg und Grabstätte leeren müssen, schmerzte ihn nicht; vielmehr gab es ihm eine fromme Beruhigung, dies Opfer der jüngst geschlos- senen Versöhnung mit einem unglücklichen Gegner gebracht zu haben. Daß er aber dadurch die Mög- lichkeit verloren sah, der Carina nachzueilen, das erfüllte seine Seele mit Gram.
"Jetzt ist es wohl vorbei, sprach er, mit jeder günstigen Aussicht für mich! Diese letzte Täuschung war die grausamste. Sie scheint über mich verhängt als Strafe für meine Pariser Verirrungen und Schlechtigkeiten. Verdient mag sie sein, aber hart ist sie nicht minder. Ja sie ist grausam. Züchtige Deinen Sünder, ewige Macht; lasse ihn das schwerste Gewicht Deines Rächerarmes fühlen, ... aber locke ihn nicht erst spöttisch auf heitere Hügel von denen
weit nuͤtzlicher zu finden, daß man den Lebendigen — (das heißt ihnen) — zuwende, was dem Todten gewiß gleichguͤltig ſei. Und ſo wurde denn der um ſeine ſchoͤnſten Hoffnungen abermals betrogene Anton durch den Tod ſeines neuerworbenen Goͤnners in peinigende Noth und Entbehrung verſetzt, anſtatt, wie der Sterbende beabſichtiget, durch ihn zum wohl- habenden Gutsbeſitzer zu werden. Daß er die duͤnne Boͤrſe fuͤr Theodor’s Sarg und Grabſtaͤtte leeren muͤſſen, ſchmerzte ihn nicht; vielmehr gab es ihm eine fromme Beruhigung, dies Opfer der juͤngſt geſchloſ- ſenen Verſoͤhnung mit einem ungluͤcklichen Gegner gebracht zu haben. Daß er aber dadurch die Moͤg- lichkeit verloren ſah, der Carina nachzueilen, das erfuͤllte ſeine Seele mit Gram.
„Jetzt iſt es wohl vorbei, ſprach er, mit jeder guͤnſtigen Ausſicht fuͤr mich! Dieſe letzte Taͤuſchung war die grauſamſte. Sie ſcheint uͤber mich verhaͤngt als Strafe fuͤr meine Pariſer Verirrungen und Schlechtigkeiten. Verdient mag ſie ſein, aber hart iſt ſie nicht minder. Ja ſie iſt grauſam. Zuͤchtige Deinen Suͤnder, ewige Macht; laſſe ihn das ſchwerſte Gewicht Deines Raͤcherarmes fuͤhlen, ... aber locke ihn nicht erſt ſpoͤttiſch auf heitere Huͤgel von denen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0061"n="57"/>
weit nuͤtzlicher zu finden, daß man den Lebendigen —<lb/>
(das heißt ihnen) — zuwende, was dem Todten<lb/>
gewiß gleichguͤltig ſei. Und ſo wurde denn der um<lb/>ſeine ſchoͤnſten Hoffnungen abermals betrogene Anton<lb/>
durch den Tod ſeines neuerworbenen Goͤnners in<lb/>
peinigende Noth und Entbehrung verſetzt, anſtatt,<lb/>
wie der Sterbende beabſichtiget, durch ihn zum wohl-<lb/>
habenden Gutsbeſitzer zu werden. Daß er die duͤnne<lb/>
Boͤrſe fuͤr Theodor’s Sarg und Grabſtaͤtte leeren<lb/>
muͤſſen, ſchmerzte ihn nicht; vielmehr gab es ihm eine<lb/>
fromme Beruhigung, dies Opfer der juͤngſt geſchloſ-<lb/>ſenen Verſoͤhnung mit einem ungluͤcklichen Gegner<lb/>
gebracht zu haben. Daß er aber dadurch die Moͤg-<lb/>
lichkeit verloren ſah, der Carina nachzueilen, das<lb/>
erfuͤllte ſeine Seele mit Gram.</p><lb/><p>„Jetzt iſt es wohl vorbei, ſprach er, mit jeder<lb/>
guͤnſtigen Ausſicht fuͤr mich! Dieſe letzte Taͤuſchung<lb/>
war die grauſamſte. Sie ſcheint uͤber mich verhaͤngt<lb/>
als Strafe fuͤr meine Pariſer Verirrungen und<lb/>
Schlechtigkeiten. Verdient mag ſie ſein, aber hart<lb/>
iſt ſie nicht minder. Ja ſie iſt grauſam. Zuͤchtige<lb/>
Deinen Suͤnder, ewige Macht; laſſe ihn das ſchwerſte<lb/>
Gewicht Deines Raͤcherarmes fuͤhlen, ... aber locke<lb/>
ihn nicht erſt ſpoͤttiſch auf heitere Huͤgel von denen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[57/0061]
weit nuͤtzlicher zu finden, daß man den Lebendigen —
(das heißt ihnen) — zuwende, was dem Todten
gewiß gleichguͤltig ſei. Und ſo wurde denn der um
ſeine ſchoͤnſten Hoffnungen abermals betrogene Anton
durch den Tod ſeines neuerworbenen Goͤnners in
peinigende Noth und Entbehrung verſetzt, anſtatt,
wie der Sterbende beabſichtiget, durch ihn zum wohl-
habenden Gutsbeſitzer zu werden. Daß er die duͤnne
Boͤrſe fuͤr Theodor’s Sarg und Grabſtaͤtte leeren
muͤſſen, ſchmerzte ihn nicht; vielmehr gab es ihm eine
fromme Beruhigung, dies Opfer der juͤngſt geſchloſ-
ſenen Verſoͤhnung mit einem ungluͤcklichen Gegner
gebracht zu haben. Daß er aber dadurch die Moͤg-
lichkeit verloren ſah, der Carina nachzueilen, das
erfuͤllte ſeine Seele mit Gram.
„Jetzt iſt es wohl vorbei, ſprach er, mit jeder
guͤnſtigen Ausſicht fuͤr mich! Dieſe letzte Taͤuſchung
war die grauſamſte. Sie ſcheint uͤber mich verhaͤngt
als Strafe fuͤr meine Pariſer Verirrungen und
Schlechtigkeiten. Verdient mag ſie ſein, aber hart
iſt ſie nicht minder. Ja ſie iſt grauſam. Zuͤchtige
Deinen Suͤnder, ewige Macht; laſſe ihn das ſchwerſte
Gewicht Deines Raͤcherarmes fuͤhlen, ... aber locke
ihn nicht erſt ſpoͤttiſch auf heitere Huͤgel von denen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/61>, abgerufen am 26.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.