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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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tauschte, das man ihm auf Theodor's Befehl ange-
wiesen. Morgen, sprach dieser da sie sich trennten,
morgen früh werd' ich meinen letzten Willen auf-
setzen und die hiesige Magistrats-Behörde ersuchen,
den Akt mit ihrem Zeugnisse zu beglaubigen. Wir
haben noch weit bis zur Heimath und wer weiß, was
geschieht! Jetzt freu' ich mich des Abends, der Ruhe,
meines Lagers. Seit Paris, seit Bärbels Tode, seit
meiner Krankheit hab' ich noch keinen so erträglichen
Tag gehabt, wie diesen letzten mit Dir, Anton.
Deine Nähe wirkt wohlthätig auf mich. Schon hat
sie mir leichteren Sinn gegeben, vielleicht giebt sie
mir auch ruhigen Schlaf! Gute Nacht! Und das
Uebrige morgen, beim Erwachen!

Seitdem sie sich in Nizza gefunden, während der
Reise bisher hatten sie jede Minute im Wagen, oder
im Gasthofe mit einander zugebracht. Jetzt in Pisa
erst trennten sie sich, jeder sein Nachtlager suchend
und da erst fand Anton Zeit und Gelegenheit, allein
und ungestört diese neue Richtung seines Lebenslaufes
in's Auge zu fassen und des Weiteren darüber nach-
zudenken. Allerdings hob sich seine Brust von banger
Freude bestürmt hoch empor, als er durchdachte was
Theodor ihm verheißen. Habsucht und Eigennutz

Die Bagabunden. III. 4

tauſchte, das man ihm auf Theodor’s Befehl ange-
wieſen. Morgen, ſprach dieſer da ſie ſich trennten,
morgen fruͤh werd’ ich meinen letzten Willen auf-
ſetzen und die hieſige Magiſtrats-Behoͤrde erſuchen,
den Akt mit ihrem Zeugniſſe zu beglaubigen. Wir
haben noch weit bis zur Heimath und wer weiß, was
geſchieht! Jetzt freu’ ich mich des Abends, der Ruhe,
meines Lagers. Seit Paris, ſeit Baͤrbels Tode, ſeit
meiner Krankheit hab’ ich noch keinen ſo ertraͤglichen
Tag gehabt, wie dieſen letzten mit Dir, Anton.
Deine Naͤhe wirkt wohlthaͤtig auf mich. Schon hat
ſie mir leichteren Sinn gegeben, vielleicht giebt ſie
mir auch ruhigen Schlaf! Gute Nacht! Und das
Uebrige morgen, beim Erwachen!

Seitdem ſie ſich in Nizza gefunden, waͤhrend der
Reiſe bisher hatten ſie jede Minute im Wagen, oder
im Gaſthofe mit einander zugebracht. Jetzt in Piſa
erſt trennten ſie ſich, jeder ſein Nachtlager ſuchend
und da erſt fand Anton Zeit und Gelegenheit, allein
und ungeſtoͤrt dieſe neue Richtung ſeines Lebenslaufes
in’s Auge zu faſſen und des Weiteren daruͤber nach-
zudenken. Allerdings hob ſich ſeine Bruſt von banger
Freude beſtuͤrmt hoch empor, als er durchdachte was
Theodor ihm verheißen. Habſucht und Eigennutz

Die Bagabunden. III. 4
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[49/0053] tauſchte, das man ihm auf Theodor’s Befehl ange- wieſen. Morgen, ſprach dieſer da ſie ſich trennten, morgen fruͤh werd’ ich meinen letzten Willen auf- ſetzen und die hieſige Magiſtrats-Behoͤrde erſuchen, den Akt mit ihrem Zeugniſſe zu beglaubigen. Wir haben noch weit bis zur Heimath und wer weiß, was geſchieht! Jetzt freu’ ich mich des Abends, der Ruhe, meines Lagers. Seit Paris, ſeit Baͤrbels Tode, ſeit meiner Krankheit hab’ ich noch keinen ſo ertraͤglichen Tag gehabt, wie dieſen letzten mit Dir, Anton. Deine Naͤhe wirkt wohlthaͤtig auf mich. Schon hat ſie mir leichteren Sinn gegeben, vielleicht giebt ſie mir auch ruhigen Schlaf! Gute Nacht! Und das Uebrige morgen, beim Erwachen! Seitdem ſie ſich in Nizza gefunden, waͤhrend der Reiſe bisher hatten ſie jede Minute im Wagen, oder im Gaſthofe mit einander zugebracht. Jetzt in Piſa erſt trennten ſie ſich, jeder ſein Nachtlager ſuchend und da erſt fand Anton Zeit und Gelegenheit, allein und ungeſtoͤrt dieſe neue Richtung ſeines Lebenslaufes in’s Auge zu faſſen und des Weiteren daruͤber nach- zudenken. Allerdings hob ſich ſeine Bruſt von banger Freude beſtuͤrmt hoch empor, als er durchdachte was Theodor ihm verheißen. Habſucht und Eigennutz Die Bagabunden. III. 4

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/53>, abgerufen am 27.11.2024.